LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10216 13.11.2015 Datum des Originals: 12.11.2015/Ausgegeben: 18.11.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3942 vom 7. Oktober 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/9947 Behördenchaos bei Flüchtlingszuweisung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleinen Anfrage 3942 mit Schreiben vom 12. November 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Rund 45.000 Plätze für Asylbewerber halten die Kommunen derzeit in mehr als 210 Notunterkünften für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen des Landes bereit. Dies ist für die Städte und Gemeinden nur in einem enormen Kraftakt gemeinsam mit freiwilligen Helfern und Hilfsorganisationen zu leisten. Allerdings sind diese auf eine gewisse Planungssicherheit und Informationen angewiesen. Die Bezirksregierung Arnsberg und damit die Landesregierung gerät wegen ihres Umgangs mit der Zuweisung von Flüchtlingen an kommunale Notunterkünfte immer mehr in die Kritik. Am Montag 05. Oktober 2015 wurden 150 Menschen innerhalb kürzester Zeit aus der Notunterkunft in Düsseldorf Eller nach Hilden verlegt. Unter den rund 150 Flüchtlingen, die am Montagmittag innerhalb einer Stunde die Unterkunft in Eller verlassen mussten, war auch eine schwer traumatisierte syrische Familie. Vier Wochen sei die Familie bereits in der Erstaufnahme in Eller gewesen, ohne dass es zur Registrierung oder anderen Verfahrensschritten gekommen sei - bis auf die Verlegung nach Hilden. Die Bezirksregierung Arnsberg erklärte gegenüber der Rheinischen Post, sie habe im Interesse der Flüchtlinge so schnell handeln müssen. Die Bezirksregierung Düsseldorf habe den Vertretern der Stadt mitgeteilt, dass die Heizung in dem Zelt ausgefallen sei. Die Bezirksregierung Düsseldorf bestätigt das aber nicht. Sie habe das nicht veranlasst, heißt es LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10216 2 von dort. Der DRK-Kreisverband, der die Unterkunft an der Heidelberger Straße betreibt, erklärt dagegen, die Heizung sei in der gesamten Anlage noch nie ausgefallen und habe auch am besagten Montag funktioniert. Auch der Ausbruch von Windpocken in der Notunterkunft in Olfen ist auf Versäumnisse der Kommunikation zwischen der Bezirksregierung und den Kommunen mit Notunterkünften zurückzuführen. In Olfen-Vinnum sind die Windpocken ausgebrochen. Die Notunterkunft steht ab sofort für zwei Wochen unter strenger Beobachtung. Eigentlich dürften solche Fälle gar nicht auftreten, erklärte dazu ein Vertreter des DRK Coesfeld gegenüber dem WDR. Es sei sehr wichtig, dass die Menschen, die nach Olfen in die Einrichtung kommen, vorab untersucht werden, um Infektionen auszuschließen zu können. Bei einer plötzlichen Ankunft von Bussen sei das aber unmöglich sicher zu stellen. Die unangekündigte Ankunft von Bussen war in der vergangenen Woche in Olfen jedoch passiert. Ein Bus mit 85 Flüchtlingen erreichte die Unterkunft, unangekündigt, ohne Namensliste - und niemand habe gewusst, wo die Menschen herkamen. Die ankommenden Asylsuchenden wurden versorgt und untergebracht. Doch die Erstuntersuchung konnte nicht stattfinden, da niemand auf deren Ankunft vorbereitet war. Nach der Feststellung der Windpockenerkrankung dürfen vorerst keine Flüchtlinge aus der Unterkunft verlegt werden, auch Neuaufnahmen wird es für die Beobachtungszeit in Olfen nicht geben. Auch in weiteren von den Kommunen errichteten Notunterkünften im Münsterland sind in den vergangenen Wochen immer wieder unangemeldet Busse mit Flüchtlingen angekommen. Allein in den Unterkünften des Deutschen Roten Kreuzes in den Kreisen Coesfeld, Borken und Warendorf sei dies schon mehr als ein Dutzend Mal geschehen. In der letzten September-Woche seien die Mitarbeiter dadurch ziemlich in Stress geraten: Neben den normale Zuweisungen wurden darüber hinaus plötzlich gegen 22 Uhr drei zusätzliche Busse mit Asylbewerbern an zwei Standorten gefahren, so dass die Helfer vor Ort völlig unvorbereitet waren. Auch in den Gemeinden Wülfrath und Langenfeld wird das Vorgehen der Bezirksregierung Arnsberg bei der Zuweisung von Flüchtlingen in die örtlichen Notunterkünfte kritisiert. Es fehlen den Städten und Gemeinden die notwendigen Informationen und konkreten Zeitpläne. In Wülfrath seien nach tagelanger Verspätung unangemeldet nachts Flüchtlinge per Bus angekommen, ohne dass die Stadt dies vorher erfahren habe. Ähnlich verhalte sich die Situation in Langenfeld, wo ebenfalls völlig unzureichende Informationen von der Bezirksregierung kommen über die Ankunft und Anzahl der Flüchtlinge. Die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg habe mittlerweile die Kommunikationspannen eingeräumt. Der Austausch mit den Betreibern der Notunterkünfte werde sich verbessern. 1. Wie bewertet die Landesregierung das Risiko, dass die chaotische Art und Weise der Zuweisung von Flüchtlingen an die Kommunen mit Notunterkünften den bislang kooperativen Einsatz der Städte und Gemeinden dahingehend gefährdet, dass sich Kommunen aus der Aufgabe des Betriebs einer Notunterkunft für das Land zurückziehen? 2. Welche Defizite sieht das Land angesichts der geschilderten Beispiele der verfehlten Organisation (bei der Bezirksregierung Arnsberg) in der Zuweisung von Flüchtlingen an die Kommunen? 3. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um die Organisation und Planung der Zuweisung von Flüchtlingen zu verbessern? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10216 3 4. Wie kann in Zukunft gewährleistet werden, dass die Kommunen die notwendigen Informationen zu zugewiesenen Flüchtlingen rechtzeitig und vollständig erhalten? Der Landesregierung ist bewusst, dass viele Menschen in NRW mit hohem Engagement daran arbeiten, den Flüchtlingen jeden Tag aufs Neue Unterkunft und Versorgung zu sichern. Diesen Menschen gebühren die Anerkennung und der große Dank der Landesregierung. Gleiches gilt auch für die enormen Unterstützungsleistungen durch die Kommunen. Gerade durch die gemeinsamen Anstrengungen von Land, Kommunen und den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, ist es in Nordrhein-Westfalen bislang gelungen, jeden ankommenden Flüchtling unterzubringen und zu versorgen. Derzeit kommen täglich rund 1.500 - 2.500 Flüchtlinge nach Nordrhein-Westfalen und müssen auf nunmehr rund 260 Landesaufnahmeeinrichtungen verteilt werden. Dies geschieht unter einem enormen zeitlichen Druck. Die Landesregierung arbeitet nahezu täglich daran, die Kommunikation in den unterschiedlichen Bereichen der Flüchtlingsunterbringung zu verbessern. Es gibt eine „Hotline“ zum Thema „Transfer“, unter der 24 Stunden lang an 7 Tagen in der Woche Absprachen getroffen und Rückfragen gestellt werden können. Trotz der intensiven Bemühungen aller Beteiligten kann es bei mittlerweile ca. 260 Notunterkünften hin und wieder zu Missverständnissen kommen. Auch kurzfristige Transfers lassen sich bedauerlicherweise angesichts unvorhersehbarer Flüchtlingsströme nicht immer vermeiden. Oft ist es nur durch solche möglich, auf die extrem hohen Zugangszahlen in NRW zu reagieren. Dennoch setzen die Beteiligten alles daran, Transfers mit entsprechend angemessener Vorlaufzeit durchzuführen, auch wenn dieses im Rahmen des Krisenmanagements leider nicht immer möglich ist. Dem Vorfall vom 05. Oktober 2015 liegt ein bedauerliches Missverständnis zu Grunde - es handelt sich hier um einen Einzelfall. 5. Wie bewertet die Landesregierung die gesundheitlichen Risiken in den Notunterkünften, wenn eine Vorabuntersuchung vor Zuweisung an Notunterkünfte nicht sichergestellt wird? Aufgrund der anhaltend hohen Zugangsentwicklung konnten bestimmte Sollprozesse an den EAE-Standorten bislang noch nicht vollständig umgesetzt werden, insbesondere die orientierende körperliche Inaugenscheinnahme durch eine Ärztin/einen Arzt. Der Fokus lag in diesem Bereich zunächst auf der unbedingten Sicherstellung der TbcAusschlussuntersuchungen in der Landesaufnahme, die vor Zuweisung der Asylsuchenden in die Kommunen, trotz dauerhaft hoher Zugangszahlen, gewährleistet sein muss. Daneben wurde seit Oktober 2014 ein umfassendes Impfangebot im Bereich der Zentralen Unterbringungseinrichtunegn (ZUE) etabliert. Den Prozess der ärztlichen Inaugenscheinnahme gilt es nun im Weiteren im Zuge der sukzessiven Verteilung der Erstzugänge weiter in den Erstaufnahme-Ablaufprozess zu integrieren. Hieran arbeitet MIK mit Unterstützung durch MGEPA derzeit. Bis dorthin muss dieses Element in den ZUE‘en und eben auch in Notunterkünften (NU’en) aufgebaut und aufrechterhalten werden. Speziell für das Auftreten von Varizellen in Aufnahmeeinrichtungen hat das Landeszentrum Gesundheit NRW in Abstimmung mit dem MGEPA im Übrigen eine Handlungsempfehlung nebst einem Transferschema für die unteren Gesundheitsbehörden erarbeitet. Darüber LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10216 4 hinaus gibt es eine von der Bezirksregierung Arnsberg erstellte Handreichung für Einrichtungsbetreiber „Management der Windpocken in der Asylunterkunft -Notfallplan zur Vermeidung der Schließung bei drohender Obdachlosigkeit-", die diese Empfehlungen in einem vereinfachten Ablaufschema zusammenfasst. Ziel ist es in diesem Zusammenhang, Transferstopps bezüglich der von Varizellenerkrankungen betroffenen Aufnahmeeinrichtungen, sofern gesundheitsfachlich vertretbar, in Notsituation und bei Unterbringungsengpässen zu verhindern. Die Entscheidung trifft die örtlich zuständige untere Gesundheitsbehörde in eigener fachlicher Zuständigkeit. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10216