LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1032 02.10.2012 Datum des Originals: 02.10.2012/Ausgegeben: 05.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 391 vom 29. August 2012 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/777 Akteneinsicht von Ratsmitgliedern – Wie weitgehend ist das Einsichtsrecht des einzelnen Ratsmitgliedes? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 391 mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften benötigen umfassende Informationen, um die immer komplexer werdenden Entscheidungsabläufe zu kontrollieren, Entscheidungen vorzubereiten sowie im Rat und in Ausschüssen dann auch treffen zu können. Neben dem Einsichtsrecht von Ausschussvorsitzenden im Hinblick auf die betreffenden Ausschussangelegenheiten , dem Einsichtsrecht von Ratsmehrheiten und -minderheiten bezüglich der Überwachung der Durchführung von Angelegenheiten des Rates und des Geschäftes der laufenden Verwaltung im Einzelfall trifft §55 Abs. 2 bis 4 GONRW umfassende Regelungen. Der CDU-FDP Landesregierung war es bei ihrer kommunalen Verfassungsreform im Jahr 2007 wichtig, das Recht des einzelnen Ratsmitgliedes zu stärken, um Vorbereitung und Kontrolle von Beschlüssen des Rates besser gewährleisten zu können. Diese Zielsetzung hat in §55 Abs. 5 GONRW dann ihren Niederschlag gefunden. Die Rechte des einzelnen Ratsmitgliedes auf Akteneinsicht gelten nicht unbeschränkt. Der Hauptverwaltungsbeamte muss schutzwürdige Belange Dritter beachten und betroffen Rechtspositionen abwägen. Dieses kann im Einzelnen zu einem Zielkonflikt führen zwischen dem Recht des einzelnen Ratsmitgliedes auf Akteneinsicht einerseits und schutzwürdigen Interessen betroffener Dritter andererseits . Grundsätzlich umfasst das Einsichtsrecht aber auch die Einsichtnahme in Personalakten der Verwaltung (OVG Münster, Beschluss vom 28.08.1997, 15 A 3432/94). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1032 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die in der Kleinen Anfrage geschilderte Fallkonstellation weist erhebliche Parallelen zu einem aktuellen Sachverhalt aus dem Regierungsbezirk Detmold auf. Der Fall ist dort bei dem Verwaltungsgericht Minden anhängig. Die folgenden Antworten können daher nur allgemein gehalten werden, um eine Einflussnahme auf das laufende Gerichtsverfahren auszuschließen . 1. Darf ein einzelnes Ratsmitglied, welches nicht Vorsitzender des für Personalan- gelegenheiten zuständigen Ausschusses ist, unter Hinweis auf §55 Abs. 5 GONRW eine Akteneinsicht in Personalakten der Verwaltung erhalten mit dem Hinweis, die Ausübung dieses Rechtes sei zur ordnungsgemäßen Beurteilung der mit dem Stellenplan als Anlage zum Haushaltplan zu treffenden Entscheidungen unerlässlich? Nach § 55 Abs. 5 S.1 GO NRW ist jedem Ratsmitglied und jedem Mitglied einer Bezirksvertretung vom Bürgermeister auf Verlangen Akteneinsicht zu gewähren, soweit die Akten der Vorbereitung oder der Kontrolle von Beschlüssen des Rates, des Ausschusses oder der Bezirksvertretung dienen, der es angehört. Akten zur Vorbereitung der Beschlüsse des Rates setzen einen Vorgang voraus, der einer Entscheidung des Rates bedarf, bevor er umgesetzt wird. Der Hauptverwaltungsbeamte ist erst dann verpflichtet Akteneinsicht zu gewähren, wenn nach seiner Auffassung die Vorbereitung des Beschlusses in der Verwaltung abgeschlossen ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Einzelfall zu entscheiden. Soweit es um die Akteneinsicht in Personalakten geht, ist dabei zu berücksichtigen, dass personenbezogene Daten stets eine erhöhte Sensibilität aufweisen und sich daher die Akteneinsicht immer nur auf die Aktenteile beziehen kann, die in dem oben beschriebenen Sinne der Vorbereitung und der Kontrolle von Beschlüssen des Rates, des Ausschusses oder der Bezirksvertretung dienen. Gemäß § 55 Abs. 5 S. 3 GO NRW darf der Bürgermeister die Akteneinsicht jedoch dann verweigern, wenn "schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen". Diese Entscheidung liegt im Ermessen des Bürgermeisters und ist im Einzelfall unter Abwägung des in § 55 Abs. 5 GO NRW beschriebenen Informationsanspruchs und der Schutzinteressen von Betroffenen oder Dritten zu fällen. 2. Ist eine Ablehnung des Akteneinsichtsrechts eines einzelnen Ratsmitgliedes nach §55 Abs. 5 GONRW durch den Bürgermeister mit dessen Hinweis auf schutzwürdige Belange Dritter zulässig, obwohl das Ratsmitglied nach §30 Abs. 1 GONRW zur Verschwiegenheit über im Rahmen seiner Tätigkeit erlangte Tatsachen verpflichtet ist und eine Offenlegung des Inhaltes von Personalakten nicht droht? Der Bürgermeister darf die Akteneinsicht nur verweigern, soweit ihr schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen. Ihm obliegt ein entsprechendes Prüfungs- und Entscheidungsrecht . Dabei hat der Bürgermeister zu berücksichtigen, dass das Ratsmitglied gemäß § 30 Abs. 1 S.1 GO NRW zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1032 3 3. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Bürgermeister, der über das beantragte Akteneinsichtsrecht entscheiden muss, mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mindestens einer anonymisierten Einsichtnahme den Vorrang gegenüber einer Ablehnung der Einsichtnahme einzuräumen hat? In welcher Form der Bürgermeister seiner Auskunftspflicht nachkommt, steht grundsätzlich in seinem Ermessen. Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann er auch in anonymisierte Vorgänge Akteneinsicht gewähren. Auch dieses Informationsrecht besteht aber nicht uneingeschränkt, sondern unterliegt einer Abwägung im Einzelfall und kann auch nur innerhalb der Grenze der Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Rates und der Verwaltung gewährt werden. 4. Welche Fallkonstellationen, in denen Hauptverwaltungsbeamte das Recht auf Akteneinsicht eines einzelnen Ratsmitgliedes in Personalakten von Dienstkräften der Verwaltung nach §55 Abs. 5 GONRW abgelehnt haben, sind der Landesregierung bekannt? Der Landesregierung sind nur wenige Einzelfälle bekannt, in denen ein Akteneinsichtsrecht in Personalakten verweigert wurde. Neben dem bei dem Verwaltungsgericht Minden anhängigen Fall, in dem der Bürgermeister die Akteneinsicht in eine externe Stellen- und Dienstpostenbewertung , die bei der Erstellung eines Stellenplans berücksichtigt wurde, verweigert hat, handelt es sich um Verlangen auf Akteneinsicht in Gleitzeitunterlagen sowie in Abrechnungsunterlagen hinsichtlich der Nutzung privater Fahrzeuge zu dienstlichen Zwecken. Da die Entscheidung zur Ablehnung der Akteneinsicht jedoch immer eine Ermessensentscheidung im Einzelfall ist, können die genannten Beispiele nicht einer Verallgemeinerung dienen. 5. Gibt es seitens der Landesregierung beziehungsweise der Kommunalaufsichts- behörden Empfehlungen oder Vorgaben für die Handhabung von Akteneinsichtsrechten einzelner Ratsmitglieder nach §55 Abs. 5 GONRW im Zusammenhang mit der Beratung von Stellenplänen? Empfehlungen oder Vorgaben für die Handhabung von Akteneinsichtsrechten einzelner Ratsmitglieder nach § 55 Abs. 5 GO NRW im Zusammenhang mit der Beratung von Stellenplänen gibt es weder seitens der Landesregierung noch - soweit ersichtlich - seitens der Kommunalaufsichtsbehörden.