LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1037 02.10.2012 Datum des Originals: 02.10.2012/Ausgegeben: 05.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 414 vom 4. September 2012 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/833 Risikovorstand der Portigon AG wechselt die Seiten direkt zur Helaba – Welche Hintergründe und Begleitumstände sind dem Finanzminister zu diesem auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten höchst bemerkenswerten Vorgang bekannt? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 414 mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 29. August 2012 haben die Trägerversammlung und der Verwaltungsrat der Helaba als neues Vorstandsmitglied Thomas Groß bestellt und ausweislich der unternehmensseitigen öffentlichen Bekanntgabe insbesondere mit der Zuständigkeit für die Bereiche Marktfolge, Kredit und Risikoüberwachung betraut. Das Aufgabengebiet entspricht damit inhaltlich den Verantwortlichkeiten, die der neue Helaba-Vorstand in eigener Ressortverantwortung auch für seine bisherige Gesellschaft, die Portigon AG als Rechtsnachfolger der WestLB AG, dort wahrgenommen hat. Die Position bei der Helaba ist freigeworden, da der Vertrag des dafür bisher zuständigen Vorstands nicht verlängert wird – ein Umstand, der öffentlich spätestens seit der Berichterstattung in der Wirtschaftswoche am 30. März 2012 auch lange bekannt ist. Diese Personalie ist in vielerlei Hinsicht höchst bemerkenswert und wirft ferner zahlreiche Fragestellungen auf, denen sich aus den im folgenden dargestellten Gründen auch die Landesregierung im Rahmen ihrer Eigentümerverantwortung ausführlich dem Parlament gegenüber stellen muss. Der bisherige Risikovorstand der Portigon AG, also der CRO (Chief Risk Officer), hat seine Zuständigkeiten dort bis zum 15. August 2012 besessen, bevor er nur zwei Wochen danach vom konkurrierenden Institut Helaba förmlich bestellt worden ist. Der Umstand des späteren Austritts aus dem Vorstand ist von der WestLB bereits am 14. Juni 2012 mit der Mitteilung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1037 2 „auf eigenen Wunsch und in bestem Einvernehmen“ öffentlich bekanntgegeben worden. Im Ergebnis sollte also die mit einer fixen Jahresvergütung von immerhin rund 570.000 Euro dotierte Topmanagementposition auf eigene Entscheidung des Positionsinhabers beendet werden. Es kann hier nur darüber spekuliert werden, wie viele Menschen eine solche Eigenkündigung anlasslos und ohne bekannte Folgeverwendung vornehmen, ohne bereits zu diesem Zeitpunkt zumindest über eine erste erfolgsversprechende berufliche Anbahnung für eine Anschlussperspektive zu verfügen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Interessenkollision und starke Frontstellung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Helaba, in der diese sich insbesondere genau zu diesem Zeitpunkt in der heißen Verhandlungsphase der WestLB-Zerschlagung aufgrund der Veräußerung des Verbundbankgeschäfts der WestLB an die Helaba befunden haben. Das unmittelbare geschäftliche Zusammenwirken und die Verquickung der beiden Institute WestLB AG und Helaba dauert ferner die gesamte Transformationsphase weiter an. So erklärt auch die Helaba in ihrer Mitteilung von 2. Juli 2012: „Bis zum 31. August 2012 werden alle für die Übernahme der Verbundbank erforderlichen Verträge beurkundet. Vom 2. Juli bis zum 31. August wird das Verbundbankgeschäft zwischen der Portigon als Rechtsnachfolgerin der WestLB und der Helaba gemeinsam betrieben . Dabei wurden in einer Zusatzvereinbarung die konkrete Vorgehensweise sowie die Vorgabe zu der Interessenlage der Helaba verbindlich geregelt.“ Es scheint so, dass in den WestLB-Dienstverträgen für Vorstandsmitglieder, die aufgrund der Rechtsnachfolge bei der Portigon AG fortgelten, keine Vertragsklauseln zum Ausschluss eines Wechsels zum direkten Wettbewerber existieren oder abgemildert – zumindest eine hinreichend lange Übergangszeit fehlt, die es verhindert, dass Personen mit marktrelevanten Kenntnissen aus dem Unternehmen im fast direkten, nahtlosen Übergang bei anderen Banken oder Branchenwettbewerbern im Finanzmarktsektor ihre neue Tätigkeit aufnehmen. In einschlägigen Finanzkreisen wird ferner fest davon ausgegangen, dass bei Auflösung eines Vorstandsvertrages der WestLB selbst im Falle der gezielten Eigenkündigung eine Abfindungszahlung an das ausscheidende Vorstandsmitglied entrichtet wird. Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Topmanagement im Falle einer vom Unternehmen gar nicht gewollten Eigenkündigung, verbunden mit einem direkten Wechsel zum Marktwettbewerber, als Anreiz und „Dankeschön“ für diese berufliche Veränderung sogar eine so geartete Entscheidung noch mit einer Abfindungszahlung finanziell honoriert bekommt. Zugleich hat die Portigon AG den Steuerzahler mit der am 30. August 2012 erfolgten Veröffentlichung ihres Halbjahresberichts zum Stichtag 30. Juni 2012 bereits unverblümt darauf eingestimmt, dass bereits heute mindestens für die nächsten zwei Jahresabschlüsse die Entstehung von Verlusten in mittlerer dreistelliger Millionengrößenordnung feststeht: „Der Transformationsprozess von Portigon bleibt mit hoher Unsicherheit verbunden und wird negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Bank haben. Der Umbau in einen international tätigen Servicer und Portfoliomanager für Finanzdienstleister und seine Etablierung am Markt wird mit Anlaufverlusten verbunden sein. Wir gehen davon aus, dass Portigon die Geschäftsjahre 2012 und 2013 mit Verlusten jeweils in der Größenordnung eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags abschließen wird.“ (S. 23) Aus dem Geschäftsbericht geht ebenfalls hervor, dass auch der Vorstand Firmenkunden, Strukturierte Finanzierungen und Kapitalmarkt mit Wirkung zum 31. August 2012 und der stellvertretende Vorstandsvorsitzende mit Wirkung zum 31. Dezember 2012 aus der Portigon AG ausscheiden. Für all die Fälle der in der kommenden Zeit zahlreich anstehenden Nach- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1037 3 besetzungen ergibt sich hiermit eine gute Gelegenheit für das Land als fast alleinigem Eigentümer der Portigon AG, neue Dienstverträge zu Konditionen abzuschließen, die für das Unternehmen vorteilhafter sind und den Steuerzahler deutlich günstiger zu stehen kommen. 1. Welche Hintergründe und Begleitumstände sind dem Finanzminister zu diesem auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten höchst bemerkenswerten Vorstandswechsel des CRO im direkten Übergang von der Portigon AG zur Helaba insgesamt bekannt? Die Hintergründe und Begleitumstände für den Vorstandswechsel des CRO von der Portigon AG zur Helaba sind nicht bekannt. Der Aufsichtsrat der Portigon AG lässt derzeit die Begleitumstände des Wechsels juristisch prüfen. Nach dem Beschluss der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2011 darf die Portigon AG seit dem 01.Juli 2012 kein Kreditneugeschäft tätigen. Die Portigon AG steht daher nicht in Konkurrenz zur Helaba. Insoweit ist die Aussage, dass auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten der Vorstandswechsel des CRO höchst bemerkenswert ist, nicht nachvollziehbar . 2. Wie bewertet der Finanzminister die Folgen dieses Seitenwechsels zur Helaba für die bisherige sowie zukünftige Wahrnehmung und Wahrung der Interessen der Portigon AG? Die Helaba und die Portigon AG stehen aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenfelder in keinem Wettbewerbsverhältnis zueinander. In Bezug auf die künftig von der Portigon AG für die Helaba zu erbringenden Serviceleistungen für das Verbundbankgeschäft wurde der entsprechende Kooperationsvertrag, der alle Details regelt, vor dem Vorstandswechsel von Herrn Groß abgeschlossen. Ob Herr Groß seine Sorgfaltspflichten verletzt hat, als er noch Vorstandsmitglied der WestLB AG war, lässt der Aufsichtsrat der Portigon AG derzeit prüfen. 3. Wann hat es für den Vorstandswechsel des bisherigen CRO weg von der Porti- gon AG nach den Erkenntnissen des Finanzministers erstmals eine berufliche Anbahnung zum Zwecke des Positionswechsels mit der neu bestellenden Folgegesellschaft Helaba gegeben? Über den Zeitpunkt, wann erstmals Gespräche über einen Wechsel von Herrn Groß in den Vorstand der Helaba stattgefunden haben, liegen keine Erkenntnisse vor. 4. In welcher ungefähren Höhe werden die bei der Portigon AG ausscheidenden Vorstände selbst im Falle der Eigenkündigung mit einer Abfindungszahlung honoriert ? (Auskünfte nach Vergütungsoffenlegungsgesetz) Wie bereits anlässlich der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Ralf Witzel in der Plenarsitzung am 14.September 2012 dargelegt, ist eine Offenlegung der Vergütung mangels Ermächtigungsgrundlage nicht möglich. Das Vergütungsoffenlegungsgesetz gilt ausschließlich für öffentlich-rechtliche Unternehmen, nicht jedoch für Aktiengesellschaften wie die Portigon AG. Bei privatrechtlichen Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand bestimmt § 65a LHO lediglich eine Hinwirkungspflicht auf die Veröffentlichung im Anhang des Jahresabschlusses. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1037 4 5. Aus welchen genauen Gründen will die Landesregierung als Eigentümer der Portigon AG für die in naher Zukunft abzuschließenden neuen Vertragsverpflichtungen sowohl weiter an den noch aus alten WestLB-Zeiten stammenden Regelungen für diese Abfindungszahlungen festhalten als auch an einem Verzicht auf Wettbewerbsklauseln, obwohl beides offenkundig nicht im Unternehmensinteresse sein kann? Vorstandsverträge fallen in den Kompetenzbereich des Aufsichtsrates. Die Ausgestaltung von Vorstandsverträgen hat dem Wohle und den Interessen der Gesellschaft Rechnung zu tragen und dabei auch die Vorgaben aus § 87 AktG zu berücksichtigen. Bestehende Verträge können nicht einseitig durch den Aufsichtsrat geändert werden. Bei künftigen Vertragsabschlüssen hat immer eine Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung aller Aspekte zu erfolgen. Dabei sind die Vorstellungen der Vertragspartner in Einklang zu bringen. Daher lassen sich pauschale Aussagen zu den Themen Wettbewerbsverbot und Abfindungshöhe nicht treffen.