LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10411 07.12.2015 Datum des Originals: 07.12.2015/Ausgegeben: 10.12.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4034 vom 5. November 2015 des Abgeordneten Nicolaus Kern PIRATEN Drucksache 16/10163 Schweigepflicht im Strafvollzug – werden Patientenrechte gezielt ausgehebelt? Der Justizminister hat die KleineAnfrage 4034 mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation , Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Schweigepflicht, wie sie gemäß §203 StGB in Verbindung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung geregelt ist, stellt einen elementaren Baustein im Verhältnis zwischen Patient und der ihn behandelnden Person (Arzt, Therapeut, Pflegekraft) dar. Sie ist allgemein anerkannt und gerade in Bezug auf psychische Erkrankungen ein wesentlicher Bestandteil für den Therapieerfolg, denn nur ein Patient, der sich sicher sein kann, dass seine persönliche Krankengeschichte nicht gegen seinen Willen Anderen gegenüber weitergegeben wird, kann auch das nötige Vertrauensverhältnis zu dem ihn behandelnden Fachpersonal haben. Mir liegen Hinweise vor, dass Häftlingen in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein- Westfalen im Vorfeld einer psychotherapeutischen Behandlung Einverständniserklärungen zur Entbindung des behandelnden Therapeuten von der Schweigepflicht vorgelegt werden. Des Weiteren werde von Seiten des beteiligten Anstaltspersonals Druck – bis hin zur Androhung , ansonsten nicht behandelt zu werden - auf die Inhaftierten ausgeübt, damit diese die ihnen vorgelegten Einverständniserklärungen unterzeichnen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10411 2 1. Wie steht die Landesregierung zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Inhaftierten, insbesondere in Bezug auf die Schweigepflicht von Ärzten und Psychotherapeuten? Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein wichtiges Rechtsgut mit Verfassungsrang , das allein durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann. § 112 Abs. 5 des Strafvollzugsgesetzes NRW eröffnet die Möglichkeit, die Einwilligung der Gefangenen zur Weitergabe von Informationen an die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuches genannten Personen einzuholen. 2. Wie viele Einverständniserklärungen zur Entbindung von der Schweigepflicht wurden in den Jahren von 2012 bis 2015 von Insassen der JVAen in Nordrhein- Westfalen unterschrieben? Erhebungen hierzu liegen nicht vor und sind wegen des enormen Aufwands der händischen Auswertung sämtlicher Gefangenenpersonalakten innerhalb der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage vorgesehenen Zeit auch nicht darstellbar. 3. Handelt es sich bei der Vorlage von Einverständniserklärungen zur Entbindung von der Schweigepflicht von Ärzten/Psychotherapeuten in Justizvollzugsanstalten in NRW um einen Standardvorgang? Die der Frage zugrunde liegende Annahme ist nicht zutreffend. Einverständniserklärungen zu einer generellen Entbindung von der Schweigepflicht der Therapeutinnen / Therapeuten wurden und werden im Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen nicht erbeten. Die Therapeutin oder der Therapeut wird auf der Grundlage des § 112 Abs. 5 des Strafvollzugsgesetzes NRW ermächtigt, Informationen über die Ausgangsdiagnose, das Behandlungsziel, den Behandlungsfortschritt oder über die Gründe für das Erfordernis zusätzlicher Therapiesitzungen bzw. für eine Beendigung der Behandlung an die betroffenen Fachdienste der Justizvollzugsanstalt zu übermitteln. Die umfassende wechselseitige Information und Auskunft der behandelnden Personen ist nur zum Zwecke einer zielgerichteten Behandlung der Gefangenen zulässig und auch nur, soweit der Austausch erforderlich ist. 4. Sind der Landesregierung Fälle bekannt (z.B. in Form von Beschwerden, Disziplinarverfahren , Klagen etc.), in denen Inhaftierten in den Jahren von 2012 bis 2015 unter Druck, Androhung von Konsequenzen oder Ankündigung einer sonst nicht erfolgenden Behandlung die Unterzeichnung einer Einverständniserklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht abverlangt wurden? Der Landesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen Inhaftierte gegen ihren Willen zur Unterzeichnung einer Einverständniserklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht veranlasst wurden. Das wäre auch nicht akzeptabel. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10411