LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10416 08.12.2015 Datum des Originals: 07.12.2015/Ausgegeben: 11.12.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4022 vom 29. Oktober 2015 der Abgeordneten André Kuper und Henning Rehbaum CDU Drucksache 16/10124 Sachleistungen statt Taschengeld für Asylbewerber in Nordrhein-Westfalen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4022 mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit , Integration und Soziales und dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Sachleistungen statt Bargeld für Asylbewerber - das ist ein Punkt des neuen Asylrechts. Bislang ist nach Medienangaben nur ein Bundesland entschlossen, das neue Prinzip vollständig umzusetzen. Die anderen beklagen den Verwaltungsaufwand oder zögern noch. Bund und Länder haben sich im Rahmen des Flüchtlingsgipfels auf einen Gesamtbeschluss geeinigt, der auch beinhaltetet, dass die Beseitigung von Fehlanreizen für unberechtigte Asylanträge angegangen werden soll, indem während der Erstaufnahme Sachleistungen anstatt von Geldleistungen erbracht werden, Geldleistungen während der kommunalen Unterbringung höchstens einen Monat im Voraus geleistet werden. Die gesetzliche Umsetzung dieses Beschlusses ist im Asylbewerberleistungsgesetz bereits in Kraft getreten. Dazu heißt es in § 3 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz: „Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Soweit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, sollen diese durch Sachleistungen gedeckt werden. Soweit Sachleistungen nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich sind, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10416 2 Noch ist in vielen Bundesländern unklar, ob und in welcher Form die gesetzlichen Möglichkeiten genutzt werden. Einige Länder sehen das Prinzip Sachleistungen statt Taschengeld zurückhaltend. Die meisten der ablehnenden Länder lehnen eine Umstellung wegen des Verwaltungsaufwands ab. Mecklenburg Vorpommern will grundsätzlich auf Sachleistungen umstellen, befindet sich aber noch in der Abstimmung. Auch Bayern ist entschlossen in der Erstaufnahme Sachleistungen anstelle von Taschengeld einzuführen - allerdings nur in den Einrichtungen, in denen Asylbewerber aus Balkanländern wohnen. Wie das geschehen wird - ob der Freistaat dann SIM-Karten und Schokolade einkauft und ausgibt oder ob es Einkaufsgutscheine geben wird - das ist noch nicht geklärt. Zu den Ländern, die noch prüfen, gehören auch Brandenburg und Berlin. Berlin hat nun am 28. Oktober entschieden ein Mobilitätsticket für Flüchtlinge einzuführen als eine Leistung, die nicht mehr als Geldleistung ausgezahlt werden wird. Neuankommende Flüchtlinge erhalten dazu in Berlin ein «Welcome to Berlin-Ticket» der Verkehrsbetriebe (BVG). Diese werden an die Asylbewerber bei ihrer Registrierung verteilt, sind drei Monate gültig und nicht übertragbar. Noch nicht vollständig registrierte Flüchtlinge bekommen ein Armband, das sie bis zum Erhalt des Welcome-Tickets zu Fahrten im Öffentlichen Nahverkehr berechtigt. Die Fahrkarte gilt als sogenannte Sachleistung. Dafür werden den Flüchtlingen von ihrem monatlichen Taschengeld in Höhe von 143 Euro 26 Euro abgezogen. In NRW mehren sich Stimmen der Benutzer von ÖPNV und SPNV, die beobachten, wie Flüchtlinge ohne Ticket reisen und aufgrund der Sondersituation reisen gelassen werden müssen, während sie das Ticket bezahlen müssen. Diese Ungerechtigkeit ist nicht tragbar. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung beantwortet die Anfrage im Hinblick auf die Erbringung von Geldleistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens von Asylbewerbern (sogenanntes Taschengeld) in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW. Die Kommunen führen das Asylbewerberleistungsgesetz als weisungsfreie Pflichtaufgabe aus. In diesem Rahmen entscheiden sie eigenverantwortlich über die Art und Weise der Erbringung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. 1. Wie wird die Landesregierung die neuen gesetzlichen Möglichkeiten im Asylbewerberleistungsgesetz , in Erstaufnahmeeinrichtungen das Sachleistungsprinzip anzuwenden, nutzen? Die Leistungsbestandteile des sogenannten Taschengeldes sind sehr umfangreich. Die Art und der Umfang der Leistungen, die tatsächlich als Sachleistungen erbracht werden könnten , wären in Abstimmung mit den verschiedenen Betreuungsverbänden in den knapp 300 Landesliegenschaften individuell vor Ort zu eruieren. Vor diesem Hintergrund würde eine Umstellung des Taschengeldes auf Sachleistungen beziehungsweise Wertgutscheine aktuell einen nicht zu vertretenden Verwaltungsaufwand bedeuten. Darüber hinaus haben die Vertreter der Betreuungsorganisationen auf dem Flüchtlingsgipfel mit Ministerpräsidentin Kraft vom 23.10.2015 sich deutlich gegen eine Umstellung auf Sachleistungen ausgesprochen. Aufgrund dessen wird die Landesregierung von der gesetzlichen Möglichkeit des § 3 Abs. 1 Satz 7 AsylbLG Gebrauch machen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10416 3 2. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit einer teilweisen Umstellung auf das Sachleistungsprinzip in Erstaufnahmeeinrichtungen für ein „Welcometo -NRW“-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr? Die teilweise Umstellung auf das Sachleistungsprinzip in diesem Rahmen hält die Landesregierung für nicht vertretbar. Ein „Welcome-to-NRW“-Ticket für jeden Asylbewerber würde den gesetzlich geregelten Leistungsumfang weit überschreiten. Sowohl die Kosten für eine derartige Sachleistung als auch der aus der Umstellung resultierende Personaleinsatz (Bestellung , Vorhalten und Ausgabe entsprechender Tickets) würde einen erheblichen Mehraufwand erzeugen. Im Übrigen steht den Asylsuchenden mit dem vom Land geförderten Sozialticket ein seit Jahren bewährtes Angebot zur Mobilitätsteilnahme zur Verfügung. 3. In welcher Form werden Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens derzeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Zentralen Unterbringungseinrichtungen gewährt? Die Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens werden in Form von Geldleistungen gewährt. 4. Wie bewertet die Landesregierung eine vollständige Umstellung vom Taschengeld - auf das Sachleistungsprinzip allein in den Landesaufnahmeeinrichtungen (EAE, ZUE)? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Aus welchem Grund werden standardisierte Leistungen, wie z.B. ein Bahnticket wie in Berlin, nicht in Form von Sachleistungen erbracht? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10416