LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10446 09.12.2015 Datum des Originals: 09.12.2015/Ausgegeben: 14.12.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4033 vom 4. November 2015 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/10162 Mehr deutsche Vogelarten auf Roter Liste – die Ausgestaltung Ökologischer Vorrangflächen für Agrarvögel ist unzureichend Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4033 mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die aktualisierte weltweite Rote Liste, am 29. Oktober 2015 veröffentlicht und vorgestellt von der Weltnaturschutzunion IUCN und BirdLife International, weist jetzt doppelt so viele Vogelarten auf der Roten Liste in Deutschland aus als die vorige. Darunter auch Arten, die in NRW vorkommen. Gerade bei uns spielt die Landwirtschaft eine große Rolle. Bereits am 14. September dieses Jahres veröffentlichte die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft e.V. ein Positionspapier zur Ausgestaltung der Ökologischen Vorrangflächen aus Sicht des Vogelschutzes in der Agrarlandschaft : http://www.do-g.de/fileadmin/do-g_dokumente/Positionspapier_DO- G_Oekol_Vorrangflaeche_Sept_2015.pdf. In diesem Papier werden diverse Maßnahmen vorgeschlagen und begründet, die zu einer Verbesserung beitragen sollen. Ich zitiere die Maßnahmen: „1. Aufhebung der Ausnahmeregelungen bzgl. der Verpflichtung zur Anlage von ÖVF für Ökobetriebe und für Betriebe mit mehr als 75 % Grünland bzw. Anbau von Gras oder Grünfutterpflanzen 2. Anhebung des Umfangs der ÖVF auf 10 % ökologisch hochwirksamer biodiversitätsfördernder Maßnahmen in der Ackerflur LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10446 2 3. Anpassung der Gewichtungsfaktoren der ÖVF an den Beitrag der Flächen zur Förderung der Biodiversität. Gewichtungsfaktoren von über 1,0 sollten keine Verwendung finden, weil diese den für das Erreichen der Biodiversitätsziele ohnehin zu geringen Anteil von ÖVF im realen Flächenumfang nochmals reduzieren. Wichtig ist auch, dass bereits vorhandene Landschaftselemente sachgerecht gepflegt werden und sich in gutem ökologischem Zustand befinden 4. Als ÖVF sollten nur Flächen- und Nutzungstypen angerechnet werden, deren ökologische Wirkungen hinsichtlich der Biodiversitätsziele mindestens denen von ein- bis mehrjährigen selbstbegrünten Ackerbrachen entsprechen. Dies könnten neben Brachen auch mehrjährige Blühstreifen und einige sehr extensiv genutzte Ackerkulturen sein. Die Anrechnung von Maßnahmen der üblichen landwirtschaftlichen Praxis wie der Anbau von Untersaaten, Leguminosen oder von Kurzumtriebsplantagen sollte nur möglich sein, wenn sie nachweislich zu Verbesserungen der Biodiversität führen 5. Zwischenfrüchte sollten von der ÖVF-Anrechenbarkeit ausgeschlossen werden, da sie nur einen sehr kurzen Teil der Vegetationsperiode stehen und nachweislich keine umfassenden positiven Wirkungen auf die Biodiversität haben 6. Linienförmige ÖVF wie Pufferstreifen und Feldränder sollten mindestens 5 m, besser 10 m breit sein 7. Verschiebung des frühestmöglichen Mahdtermins auf Stilllegungsflächen, Feldrändern und Pufferstreifen auf den 1. August 8. Begrenzung der Verpflichtung zur Pflege von Stilllegungsflächen durch Mahd oder Schlegeln auf jährlich 70 % der Fläche, d. h. es sollten 30 % der Flächen bis zum Frühjahr des Folgejahres stehen bleiben 9. Beim Anbau von Futterleguminosen (Klee, Kleegras, Luzerne) sollte der erste Schnitt nicht vor dem 15. Juli erfolgen oder bei frühem Schnitt im Mai eine Pause von mindestens sieben Wochen bis zum zweiten Schnitt eingehalten werden. Zum Schutz von Gelegen sollte bei der früheren Mahd der Leguminosen eine Schnitthöhe von mindestens 10 cm über dem Boden eingehalten werden“. Im Papier wird weiter beschrieben, dass „der flächendeckenden, für Landwirte kostenfreien Beratung über ÖVF (und andere Agrarumweltmaßnahmen) durch Naturschutzberater eine große Bedeutung“ zukommt. „Eine solche Beratung ist nach der ELER-Verordnung (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) auch für Ziele des Naturschutzes förderfähig. Diese Möglichkeit wird von den Bundesländern bislang nur in Ausnahmefällen genutzt. Diese Instrumente der Beratung speziell auch im Hinblick auf die Förderung der Biodiversität sollten umfassend ausgebaut werden.“ Weiterhin werden Evaluation / Monitoring und in den Augen der DOG geeignete Methoden dazu vorgeschlagen. Vor diesem Hintergrund und ganz konkret vor dem Hintergrund des bereits laufenden Vertragsverletzungsverfahrens der EU bezüglich des Vogelschutzgebietes Hellwegbörde frage ich die Landesregierung: 1. Welche der oben erwähnten Maßnahmen Nr. 1 – 9 kann die Landesregierung in eigener Kompetenz durchführen? Die im Positionspapier der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft e. V. (DOG) vorgeschlagenen Maßnahmen Nr. 1 bis 6 werden auf europäischer Ebene durch die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10446 3 der Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates geregelt. Weitere Kriterien für die Ausgestaltung von im Umweltinteresse genutzten Flächen (Ökologische Vorrangflächen) definiert die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des Anhangs X der genannten Verordnung. Die europäischen Vorschriften werden in Deutschland durch das Gesetz zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsgesetz - DirektZahl- DurchfG) vom 09. Juli 2014 und durch die Verordnung zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsverordnung) vom 03.11.2014 umgesetzt . Die für eine Abweichung von den Regelungsinhalten notwendigen Länderermächtigungen sind in den genannten Rechtsgrundlagen nicht enthalten. Die geschilderten Maßnahmen sind daher durch die Landesregierung nicht durchführbar. Die in den Maßnahmen Nr. 7 bis 9 formulierten Vorschläge betreffen Inhalte der Verordnung über die Einhaltung von Grundanforderungen und Standards im Rahmen unionsrechtlicher Vorschriften über Agrarzahlungen (Agrarzahlungen-Verpflichtungenverordnung - AgrarZahl- VerpflV) vom 17. Dezember 2014 und der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung. Auch hier sieht das Bundesrecht keine Rechtsermächtigung für abweichende Landesregelungen vor. Allerdings können nach § 2 Absatz 2 der Direktzahlungen- Durchführungsverordnung die nach Landesrecht zuständigen Behörden aus naturschutzfachlichen oder umweltschutzfachlichen Gründen Ausnahmen von der jährlichen Pflegeverpflichtung auf Stilllegungsflächen genehmigen (Maßnahme 8 des DOG-Positionspapiers). Soweit schon in Plänen und Projekten für Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Abl. L 20 vom 26.10.2010) andere Maßnahmen als die jährliche Mahd oder Mulchung vorgesehen sind, gelten diese als genehmigt, wenn mindestens in jedem zweiten Jahr eine Tätigkeit auf der betreffenden Fläche durchgeführt wird. 2. Welche dieser möglichen Maßnahmen wird sie wann einführen? Es wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. 3. Wieweit nutzt die Landesregierung bereits den ELER-geförderten Einsatz von Naturschutzberatern? Das NRW-Programm Ländlicher Raum 2014 - 2020 sieht keinen ELER-geförderten Einsatz von Naturschutzberatern vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10446 4 4. In welchem Umfang plant sie das für die Zukunft? Eine entsprechende Förderung ist für die Zukunft zur Zeit nicht geplant. 5. Wie steht die Landesregierung zu Evaluation, Monitoring und Methoden dazu, wie im zitierten Papier vorgeschlagen? Mit der Evaluierung der Wirkungen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik im Zeitraum 2015 bis 2020 und insbesondere des Greenings sind zahlreiche Institutionen befasst. Nordrhein- Westfalen wirkt bei der Bearbeitung von Projekten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und des Umwelt Bundesamtes (UBA) mit. Das BfN Vorhaben „Naturschutzfachliche Ausgestaltung von Ökologischen Vorrangflächen - Praxishandbuch und Evaluierung der ÖVF“ und das UBA Vorhaben „Evaluierung der GAP-Reform aus Sicht des Umweltschutzes“ legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Evaluierung der ökologischen Vorrangflächen. Die Landesregierung geht davon aus, dass die bearbeitenden Wissenschaftler über das geeignete Methodenrepertoire verfügen und dieses auch anwenden, um die ökologische Wirkungsamkeit der Ökologischen Vorrangflächen zu beurteilen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10446