LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10461 14.12.2015 Datum des Originals: 11.12.2015/Ausgegeben: 17.12.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4038 vom 5. November 2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/10174 Wie kommt das Land seiner Fürsorgepflicht für Polizeibeamte nach, die dauerhaft dienstunfähig werden? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4038 mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Westfälische Anzeiger hat in seiner Ausgabe vom 31. Oktober 2015 sehr ausführlich über das Schicksal eines Hammer Oberkommissars berichtet, der im Dienst angegriffen, schwer verletzt und schließlich dienstunfähig wurde. Fast fünf Jahre musste der Polizist für sein Recht auf eine vernünftige Pension kämpfen, dass ihm durch die Behördenverwaltungen und durch das Land NRW verweigert wurde. Sein Haus, in dem er mit der Familie zur Miete wohnte, konnte er nicht mehr halten und musste sich kleinersetzen. Viele Gutachten musste er über sich ergehen lassen, bis schließlich im April dieses Jahres richterlich festgestellt wurde, dass der Grad seiner Erwerbsminderung 70% beträgt und seine Pension fortan nach der Besoldungsgruppe A12 berechnet wird. Polizeibeamten setzen ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel für die Sicherheit der Bevölkerung . Umso mehr wäre daher vom Dienstherrn zu erwarten, dass im Dienst schwer und nachhaltig verletzte Beamte Unterstützung erfahren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10461 2 1. Wie viele Polizeibeamte wurden seit 2010 im Dienst so schwer verletzt, dass sie dauerhaft dienstunfähig wurden? (Bitte jährlich für jede Kreispolizeibehörde auflisten .) Auf Landesebene liegen die erbetenen Daten für den genannten Zeitraum nicht automatisiert abrufbar vor. Eine Erhebung dieser Daten wäre nur mit hohem Verwaltungsaufwand möglich. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine solche Datenauswertung nicht möglich. 2. Sollte Frage 1 nicht oder nur teilweise beantwortet werden können: Warum werden die Fälle statistisch nicht erfasst bzw. plant die Landesregierung die Erhebung dieser Daten? Nach dem die Dienstunfälle regelnden Landesbeamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG NRW) sollen dem Dienstherrn nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit oder die nach der Lebenserfahrung auf diese zurückführbaren, für den Schaden wesentlichen Risiken aufgebürdet werden. Diejenigen Risiken, die sich aus persönlichen, von der Norm abweichenden Anlagen oder aus anderen als dienstlich gesetzten Gründen ergeben, sollen hingegen durch die erhöhten finanziellen und sachlichen Leistungen der Unfallfürsorge nicht erfasst werden. Der Frage, ob dienstliche Gegebenheiten oder andere, nicht dem Dienstherrn zuzuordnende Umstände für die Gesundheitsschädigung kausal waren, kommt somit maßgebliche Bedeutung zu. Nicht Ursachen im Rechtssinne sind zum Beispiel auch sog. Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienstunfall eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes , alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Ein genereller Rückschluss, dass ein Dienstunfall stets zu einer (Polizei-) Dienstunfähigkeit führt, ist daher ebenso wenig durchführbar wie der Rückschluss, dass eine (Polizei-) Dienstunfähigkeit immer bei vorhandenen Dienstunfällen eine Folge dieser Unfälle ist. Daher können die Zahlen von Dienstunfällen und Dienstunfähigkeitsfällen nicht in Beziehung gesetzt werden. 3. Wie viele Polizeibeamte oder pensionierte Polizeibeamte prozessieren gegen das Land oder ihre Kreispolizeibehörde über die Einstufung ihrer Erwerbsminderung bzw. ihrer Diensttauglichkeit? (Bitte für alle Jahre ab 2010 die einzelnen Fälle, nach Behörde, Grund der Klage und ggf. Urteil auflisten.) Auf Landesebene liegen die erbetenen Daten für den genannten Zeitraum nicht automatisiert abrufbar vor. Eine Erhebung dieser Daten wäre nur mit hohem Verwaltungsaufwand möglich. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine solche Datenauswertung nicht möglich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10461 3 4. Wie erklärt sich die Landesregierung, dass polizeiinterne Ärzte zu anderen Ergebnissen bei Untersuchungen über die Diensttauglichkeit kommen als neutrale Gutachter? Einem amtsärztlichen Gutachten kommt nach ständiger Rechtsprechung (BVerwG vom 23.03.2006, Az.: 2 A 12/04) in der Regel ein besonderer Beweiswert zu, weil ein Amtsarzt aus seiner Kenntnis der Belange der Verwaltung den erhobenen medizinischen Befund besser zu der von ihm zu beurteilenden Frage in Beziehung zu setzen vermag. Der amtsärztlichen Untersuchung kommt deshalb auch ein höherer Beweiswert zu, weil der Amtsarzt seine Feststellungen nur unter ärztlichen Gesichtspunkten, wahrheitsgemäß und unparteiisch treffen muss. Neben dem speziellen Sachverstand bei der Beurteilung dienstlicher Anforderungen verleiht diese Neutralität und Unabhängigkeit der Beurteilung durch den Amtsarzt ein höheres Gewicht. 5. Was spricht dagegen, dass das Land bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen Polizisten, die während der Arbeit durch schwere Verletzungen dienstunfähig wurden, im Rahmen einer Härtefall-Regelung in Vorleistung geht und die Ansprüche gegen die Täter selbst einklagt? Die Erstattung von Sachschäden bei Dienstunfällen wird im Rahmen des § 32 LBeamtVG NRW bereits jetzt durch den Dienstherrn vorgenommen und die geleisteten Zahlungen ggf. im Wege des Regresses gegenüber dem Schädiger geltend gemacht. Eventuelle Schmerzensgeldansprüche , die als immaterielle Ansprüche neben den in § 30 LBeamtVG NRW aufgeführten umfangreichen Leistungen des Dienstherrn bei Dienstunfällen stehen, kann der Geschädigte nur - ggf. mit finanzieller Unterstützung des Dienstherrn - selbst gegenüber dem Schädiger geltend machen. In der Diskussion, z. B. im Rahmen des Gesetzesentwurfs der Fraktion der CDU zur Änderung des Landesbeamtengesetzes (Drucksache 16/9578), steht die Forderung nach der Übernahme von rechtskräftig festgestellten Schmerzensgeldansprüchen gegen Dritte durch den Dienstherrn. Hinsichtlich des Gesetzentwurfes ist vom federführend zuständigen Innenausschuss eine Sachverständigenanhörung beschlossen worden , der hier nicht vorgegriffen werden soll. Zudem bietet es sich an, die Erfahrungen der beiden Bundesländer Bayern und Schleswig-Holstein, die seit Anfang bzw. Mitte des Jahres 2015 über entsprechende, jedoch untereinander unterschiedliche Regelungen verfügen, abzuwarten und auszuwerten. Die Übernahme der Geltendmachung (von noch nicht rechtskräftig festgestellten) Schmerzensgeldansprüchen ist bisher von keiner Seite gefordert worden und wäre im Bund-Länder- Kontext einzigartig. Dabei würden sich eine Vielzahl von rechtlichen und praktischen Problemstellungen ergeben, die sich im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht abschließend beantworten lassen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10461