LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10529 21.12.2015 Datum des Originals: 18.12.2015/Ausgegeben: 28.12.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4074 vom 17. November 2015 des Abgeordneten Robert Stein CDU Drucksache 16/10257 NRW herzsicher machen, Defibrillatoren retten Leben! Wie ist die Situation in Nordrhein -Westfalen? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 4074 mit Schreiben vom 18. Dezember 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auf der diesjährigen IFA in Berlin wurde der Verein Definetz e.V. mit Sitz in Hamm mit dem Sonderpreis für die beste technische Innovation im Bereich Human-Telematik beim Telematik -Award für ihren „Defikopter“ ausgezeichnet. Der Verein sammelt einerseits Standortdaten öffentlich zugänglicher Defibrillatoren, die per App allen Menschen digital zugänglich gemacht werden, andererseits entwickelte der Verein zusammen mit dem Bielefelder Technologieunternehmen „Height-Tech“ den gerade erwähnten Defikopter. Dieser Defikopter ist eine mit einem Defibrillator ausgestattete Drohne, die selbstständig zu ihrem Einsatzort fliegen und dann von Laien lebensrettend eingesetzt werden kann. Der Defikopter lohnt sich so insbesondere für Notfälle in schwer zugänglichen und abgelegenen sowie ländlichen Regionen , um wichtige Zeit bis zum Eintreffen von Rettungspersonal zu gewinnen. Sowohl das Wissen um den Zugang zu nah erreichbaren Defibrillatoren als auch der Einsatz von Defikoptern erhält von daher Bedeutung, als die Überlebenswahrscheinlichkeit in entsprechenden Notfallsituationen bei zunehmender Wartedauer bis zum Einsatz eines Defibrillators rapide abnimmt. Während bei einem Defibrillatoreneinsatz innerhalb der ersten 3 Minuten nach einem entsprechenden Notfall die Überlebenswahrscheinlichkeit bei über 2/3 liegt, sinkt diese Überlebenswahrscheinlichkeit bei einem Einsatz nach über 6 Minuten auf unter 1/3 der betroffenen Personen. Die Defibrillation kommt dabei nicht nur dem Geretteten zu Gute, sondern kann im Optimalfall auch ökonomisch positive Auswirkungen für das gesamte Land haben. Eine von Definetz e.V. in Auftrag gegebene Kurzstudie kommt zu dem Ergebnis, dass in NRW Kosten bis zu 1 Milliarde € eingespart werden können, bundesweit wären es sogar über 4 Milliarden €. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10529 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die am 15. Oktober 2015 aktualisierten Empfehlungen des Europäischen, sowie des Deutschen Wiederbelebungsrates (ERC 2015, GRC 2015) betonen zwar die Relevanz einer frühzeitigen Defibrillation bei Patientinnen und Patienten mit plötzlichem Herz-Kreislauf-Stillstand und defibrillierbarem Rhythmus, empfehlen aber als die wesentliche Maßnahme einer erfolgreichen Reanimation die zeitnahe und ununterbrochene Herzdruckmassage. Die Herzdruckmassage darf demnach weder für das Heranholen eines Defibrillators noch für das Anbringen des Gerätes unterbrochen werden. Es ist daher in erster Linie wichtig, dass Notfallzeugen vor Ort insbesondere Kenntnisse über die Durchführung einer Herzdruckmassage haben und erst in zweiter Linie, wo und in welcher Entfernung sich in der Region öffentlich zugängliche automatisierte externe Defibrillatoren (AED) befinden. Das Hilfsfristintervall von der Alarmierung bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes liegt in Nordrhein-Westfalen im Übrigen zwischen acht und zwölf Minuten. Insoweit kommt ein automatisierter externer Defibrillator (AED) nur dann durch Notfallzeugen zum Einsatz, wenn er in kurzer Distanz von einer zweiten Person zu erreichen ist und innerhalb eines kürzeren Zeitraumes als der üblichen Hilfsfrist angewendet werden kann. 1. Erhebt die Landesregierung die Standortdaten aller Defibrillatoren in NRW (Bitte Liste aller aktuell bekannten Standorte beifügen!)? Konkrete Daten bezogen auf NRW liegen nicht vor, da es keine gesetzliche Anzeigepflicht für die Betreiber gibt. Nach Medizinproduktegesetz und Medizinproduktebetreiberverordnung liegt der Einsatz des Defibrillators in der Verantwortung des Betreibers. Insofern kann der Betreiber auf freiwilliger Basis den Standort des Defibrillators der Öffentlichkeit bekannt machen, wenn das Aufsuchen und ein Einsatz durch Dritte (Ersthelferinnen/Ersthelfer, Notfallzeuginnen /Notfallzeugen) vom Betreiber beabsichtigt wird. Diese Daten werden von mehreren Kartierern (Defi-Netz e.V., herzintakt e.V., AED Kataster) auf Internetportalen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 2. Wie viele Menschen mussten in den vergangenen 5 Jahren in NRW aufgrund von Herzleiden defibrilliert werden? 3. Bei wie vielen Menschen konnte die Fibrillation oder Kardioversion durch den Einsatz eines Defibrillators in den letzten 5 Jahren erfolgreich beendet werden? (Bitte jedes Jahr einzeln auflisten!) Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet: Bezogen auf die Vergangenheit liegen für NRW keine entsprechenden Daten vor. Mit dem im März 2015 novellierten Rettungsgesetz sorgt das Land NRW jedoch dafür, dass geeignete Qualitätsmanagementstrukturen geschaffen werden (§ 7 a Abs. 2 RettG NRW). Zu den dazu erforderlichen Dokumentationserfordernissen soll vorrangig die möglichst flächendeckende Teilnahme am Deutschen Reanimationsregister bestimmt werden. Hierdurch werden solche Fragen künftig fundiert beantwortet werden können. Aus den vorhandenen Daten des Deutschen Reanimationsregisters lässt sich darüber hinaus folgende Schätzung für NRW ableiten: Aus den dort vorliegenden mehr als 46.000 Datensätzen von Wiederbelebungen lässt sich ermitteln, dass in ca. 25% der Fälle außerklinischer Wiederbelebungen primär ein defibrillationswürdiger Rhythmus vorliegt, z.B. Kammerflimmern . Expertinnen und Experten gehen insgesamt von jährlich 75.000 Wiederbelebungsversuchen in Deutschland aus, davon entfallen entsprechend einem Bevölkerungsanteil von LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10529 3 etwa 22% etwa 16.500 auf NRW. Unter der Annahme, dass bei etwa 25% der Fälle ein primär defibrillierbarer Rhythmus vorliegt (s.o.), ergeben sich rechnerisch jährlich etwa 4000 Wiederbelebungseinsätze mit primär defibrillationsfähigem Rhythmus in NRW. 4. Wo plant die Landesregierung, Defibrillatoren an öffentlich zugänglichen Stellen in NRW zu installieren? Medizinprodukte dürfen nach der Medizinprodukte-Betreiberverordnung nur von Personen errichtet, betrieben, angewendet und in Stand gehalten werden, wenn sie die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzen. Die Betreiberpflichten vor Ort können insoweit nicht durch das Land wahrgenommen werden. Mehrere Kreise und kreisfreie Städte erproben derzeit in der Wahrnehmung ihrer Aufgabe nach § 6 RettG NRW, wie effektive Rettungsmaßnahmen durch ausgebildete Ersthelferinnen und Ersthelfer unter Nutzung intelligenter Ersthelfer-Alarmierungssysteme (z.B. ein Smartphone -basiertes System) vor Eintreffen des Rettungsdienstes eingeleitet werden können (z.B. Mobile Retter, Helfer vor Ort (HvO)). Diese sind Ersthelferinnen oder Ersthelfer mit einer geregelten, sanitätsdienstlichen Ausbildung. Sie sind im Gegensatz zum Laien im Vorfeld im Umgang mit dem AED trainiert, i.d.R. mit medizinischem Equipment (z.B. einem AED) ausgestattet und werden gezielt von der Rettungsleitstelle alarmiert. Eine Kooperation der Aktivitäten der Kartierer (z.B. Defi-Netz e.V., herzintakt e.V.) mit den operativ tätigen Systemen (z.B. „Mobilen Retter“) als Vernetzung der unterschiedlichen Systeme ist denkbar, jedoch nach geltender Rechtslage nur auf freiwilliger Basis möglich. 5. Plant die Landesregierung einen flächendeckenden Netzausbau für den Einsatz von Defikoptern? Konzepte (z.B. von Defi-Netz e.V.) sehen vor, dass jeder Notfallzeuge über eine gesonderte App auf seinem Smartphone eine Defikopter-Alarmierung auslösen kann. Die Auslösung erfolgt in dieser Konstellation nicht über eine Leitstelle, sondern vom Anrufer/von der Anruferin . Eine solche Vorgehensweise müsste sowohl haftungs-, versicherungsrechtlich als auch hinsichtlich der Effektivität und Effizienz bewertet werden. Hier ist zu berücksichtigen, dass ein Defikopter im Vergleich zum o.g. Hilfsfristintervall der Rettungsmittel in NRW notwendigerweise sehr kurzfristig und punktgenau eintreffen und vom Notfallzeugen/Laienhelfer sachgerecht angewendet werden müsste. In der Fachöffentlichkeit liegen zum jetzigen Zeitpunkt keine belastbaren Erkenntnisse zur Anwendung vor. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10529