LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10534 21.12.2015 Datum des Originals: 18.12.2015/Ausgegeben: 28.12.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4070 vom 16. November 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/10253 NRW-Innenminister fordert Identitätsprüfung bei Flüchtlingen – Folgt der Innenminister damit dem Vorstoß des Bundesinnenministers für eine Änderung der Praxis bei syrischen Flüchtlingen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4070 mit Schreiben vom 18. Dezember 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Personalräte des Bundesamts für Migration (BAMF) haben in einem offenen Brief an den BAMF-Chef vom 12. November 2015 Kritik an der Entscheidungspraxis über Asylanträge geäußert. Die Mitarbeiter des Bundesamts beklagen eine Abkehr von rechtsstaatlichen Prinzipien bei den beschleunigten Asylverfahren für bestimmte Flüchtlingsgruppen. Die „massenhafte Entscheidungspraxis“ bei Syrern, Eritreern, Irakern und Flüchtlingen vom Balkan weise „systemische Mängel“ auf. Hauptkritikpunkt ist der Verzicht auf eine Identitätsprüfung. Die fehlende Identitätsprüfung führe dazu, dass „ein hoher Anteil von Asylsuchenden“ eine falsche Identität angebe, um eine Bleibeperspektive mit der Möglichkeit des Familiennachzugs zu erhalten. "Syrer ist, wer sich schriftlich im Rahmen einer Selbstauskunft als Syrer bezeichnet", heißt es. Der Wegfall der Identitätsprüfung stelle zudem ein erhöhtes Gefährdungspotenzial dar. Es wird geschätzt, dass bis zu 30 Prozent der Syrien-Flüchtlinge nicht aus dem arabischen Land stammen. Der nordrhein-westfälische Innenminister erklärte dazu am 13. November 2015 gegenüber „wdr.de“, dass bei schnelleren Verfahren keineswegs die Identitätsprüfung wegfallen dürfe. Bei allem Druck sei das ein Grundsatz, den wir nicht aufgeben dürfen, sagte der Innenminister. Denn es sei Aufgabe des Asylverfahrens falsche Identitäten aufzudecken. Gleichzeit hat der Innenminister den Vorstoß aus dem Bundesinnenministerium zur Änderung der Verfahrenspraxis bei syrischen Flüchtlingen, mit möglichen negativen Folgen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10534 2 beim Familiennachzug für Syrer, kritisiert. Anstatt immer neue Vorschläge zu diskutieren, solle das eigentliche Kernproblem gelöst werden, so der Minister gegenüber der „Welt“. Der aktuell diskutierte Vorstoß des Bundesinnenministeriums dreht sich dabei nicht nur um den Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter, sondern auch um die Art und Weise des Verfahrens. Die Feststellung des Schutzstatus eines Asylantragstellers aus Syrien solle künftig nicht mehr im beschleunigten Verfahren, sondern im regulären Asylverfahren erfolgen. Denn seit November 2014 wurde, um Asylverfahren zu beschleunigen, für Antragsteller unter anderem aus Syrien das sog. „beschleunigte Asylverfahren“ angewandt. Das Bundesinnenministerium wies das BAMF an, auf die Anhörung im Asylverfahren verzichtet und damit auf ein schriftliches Verfahren umzustellen. Dies wurde in der Innenministerkonferenz zwischen Bund und Ländern besprochen. Dieses beschleunigte Verfahren hat zur Folge, dass syrische Flüchtlinge regelmäßig den Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten. Das geschah unabhängig davon, ob der konkrete syrische Antragsteller tatsächlich einer individuellen Verfolgung ausgesetzt oder aber vor dem Bürgerkrieg geflohen war, der jeden gleichermaßen bedroht. Durch diese Anerkennung des Flüchtlingsstatus galt die Privilegierung des Anspruchs auf Familiennachzug – unter Verzicht auf die Notwendigkeit der Sicherung des Lebensunterhaltes. Hintergrund des Vorstoßes aus dem Bundesinnenministerium, die Praxis der syrischen Asylverfahren umzustellen, ist es, dass sich das schriftliches Verfahren für Antragsteller aus Syrien als zu grobmaschig und auch unter dem Gesichtspunkt der Identifizierung und der öffentlichen Sicherheit in Deutschland als lückenhaft erwiesen habe. Die Erfassung der Staatsangehörigkeiten beruht nur auf Angaben der Asylsuchenden selbst, insbesondere, wenn keine Identitätsdokumente vorgelegt worden sind. Dabei besteht aber das Problem, dass viele Asylbewerber aufgrund der hohen Bleibewahrscheinlichkeit behaupten, Syrer zu sein, obwohl sie keine Syrer sind. Ohne eine persönliche Anhörung lassen sich die Angaben über die tatsächliche Herkunft aber nur schwer beurteilen. Als weitere Folge einer möglichen Umstellung dieser Praxis wäre es dann aber auch, dass zwar diejenigen, die individuell verfolgt sind, die etwa aus politischer Überzeugung das Assad-Regime ablehnen, weiterhin Flüchtlingsschutz erhalten werden, aber dass eine Privilegierung beim Familiennachzug bei denen, bei den der Schutzstatus „Subsidiär“ festgestellt wird, zukünftig nicht mehr erfolgen werde. Denn am Donnerstag, 5. November wurde mit dem Papier der Parteivorsitzenden eine Beschränkung des Familiennachzugs bei subsidiär Schutzberechtigten vereinbart. Das bedeutet, dass ein Familienangehöriger zunächst für zwei Jahre nicht zu der Person mit subsidiärem Schutzstatus in Deutschland nachreisen kann. Nach diesen zwei Jahren ist der Familiennachzug möglich, wenn zum Beispiel der Lebensunterhalt gesichert ist. Für primär Schutzbedürftige soll der Anspruch auf privilegierten Familiennachzug unverändert erhalten bleiben. 1. Was konkret bedeutet die Forderung des nordrhein-west-fälischen Innenministers, künftig im Asylverfahren keine Identitätsprüfung wegfallen zu lassen? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte die geklärte Identität der Betroffenen auch bei Einführung der beschleunigten Verfahren selbst als eine der Voraussetzungen definiert. Hieran ist festzuhalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10534 3 2. Hält der Innenminister eine Identitätsprüfung im Rahmen der derzeitigen Praxis des beschleunigten Verfahrens für Asylbewerber – ohne persönliche Anhörung – für umsetzbar? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung des nordrhein-westfälischen Innenministers, auf eine Identitätsprüfung künftig nicht mehr zu verzichten, im Vergleich zum Vorstoß des Bundesinnenministers, dass die Feststellung des Schutzstatus eines Asylantragstellers aus Syrien künftig nicht mehr im beschleunigten Verfahren, sondern im regulären Asylverfahren erfolgen soll? 4. „Syrer ist, wer sich schriftlich im Rahmen einer Selbstauskunft als Syrer bezeichnet", lautet ein Zitat aus dem Brief der BAMF-Personalräte. Wie bewertet die Landesregierung den Vorstoß, die Praxis der syrischen Asylverfahren umzustellen, weil sich das schriftliches Verfahren für Antragsteller aus Syrien als zu grobmaschig und auch unter dem Gesichtspunkt der Identifizierung und der öffentlichen Sicherheit in Deutschland als lückenhaft erwiesen habe? Die Fragen 2 - 4 werden wegen des sachlichen Zusammenhangs wie folgt zusammen beantwortet: Die Fragen zielen auf einen Sachverhalt, der nicht in die Zuständigkeit der Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen fällt. Die Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hat auf ihrer Sitzung am 03./04.12.2015 zur Kenntnis genommen, dass aus Gründen der Identitätssicherung und Missbrauchsunterbindung alle Schutzsuchenden künftig einer Einzelfallprüfung mit mündlicher Anhörung vor der Entscheidung über den Asylantrag zu unterziehen sind. Sie hat zudem darauf hingewiesen, dass sie erwartet, dass die Entscheidung des Bundes nicht zu einer Verlängerung der Verfahrensdauer führt. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung des nordrhein-westfälischen Innenministers hinsichtlich der möglichen Folge, dass bei einem angewandten regulären Asylerfahren für Syrer nur subsidiären Schutz gewährt wird und damit Verschärfungen beim Familiennachzug – nach Umsetzung des Bundesbeschlüsse der Parteivorsitzenden - möglich würden? Die Forderung nach Identitätsklärung im Asylverfahren steht in keinem Zusammenhang mit der Frage eventueller Einschränkungen des Familiennachzugs im Rahmen anstehender Gesetzgebungsvorhaben. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10534