LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10590 23.12.2015 Datum des Originals: 23.12.2015/Ausgegeben: 30.12.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4134 vom 10. Dezember 2015 der Abgeordneten Angela Freimuth und Marcel Hafke FDP Drucksache 16/10456 Warum mischt sich die Landesregierung in die Ausgestaltung der Arbeitsverträge an NRW-Hochschulen ein? Die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung hat die Kleine Anfrage 4134 mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 10.12.2015 zu entnehmen war, hat das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung gegenüber der Universität Duisburg -Essen eine unrechtmäßige Weisung in einem Arbeitsrechtsstreit der Hochschule mit einer Mitarbeiterin erteilt. Die Universität hat gegen die Weisung des Ministeriums geklagt und dabei Recht bekommen. Nachdem sich die Landesregierung mit dem sogenannten Hochschulzukunftsgesetz bereits selbst zahlreiche Steuerungseingriffe in die Organisation der Hochschulen gesichert hat, folgte mit diesem rechtswidrigen Eingriff in die Personalhoheit der nächste Schritt zur Abwicklung der Hochschulautonomie. Die Landesregierung wurde in dieser Vertragsangelegenheit selbst erst aktiv, als die Mutter der betroffenen Mitarbeiterin sich mit einem Schreiben an die Ministerpräsidenten gewandt hatte. Da es sich bei der Mutter um eine persönliche Bekannte der Ministerpräsidentin handeln soll, ist die Frage aufgeworfen, ob allein fachliche Gründe für die Weisung ausschlaggebend waren. Das Wissenschaftsministerium soll zudem nicht nur eine unzulässige Weisung erteilt haben, sondern auch in Form eines Anrufs beim Kanzler der Universität Duisburg -Essen politischen Druck aufgebaut haben. Im Verfahren zitierte die Vorsitzende Richterin eine Einlassung des zuständigen Referatsleiters des Wissenschaftsministeriums, dass sich Frau Kraft und Wissenschaftsministerin Svenja Schulze das nicht gefallen ließen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10590 2 Erstaunlicherweise musste das Wissenschaftsministerium, als das Verwaltungsgericht den kompletten Verwaltungsvorgang anforderte, feststellen, dass die Akten nicht mehr auffindbar seien. Dies ist gerade angesichts der persönlichen Verwicklung der Ministerpräsidentin und der Wissenschaftsministerin höchst zweifelhaft. Vorbemerkung Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 05. Dezember 2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 –, BVerfGE 107, 59-103) hat zur demokratischen Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung Folgendes ausgeführt: "Verbindliches Handeln mit Entscheidungscharakter ist den Organen von Trägern funktionaler Selbstverwaltung aus verfassungsrechtlicher Sicht nur gestattet, weil und soweit das Volk auch insoweit sein Selbstbestimmungsrecht wahrt. Das erfordert, dass die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegt." Dementsprechend sieht das Gericht die Rechtsaufsicht als verfassungsrechtlich unabdingbares Mindestmaß der staatlichen Aufsicht an. Das seinerzeit für das angezogene Verfahren geltende Hochschulfreiheitsgesetz hatte diese Entscheidung berücksichtigt und dementsprechend als Mindestmaß der staatlichen Aufsicht über die Hochschulen im Bereich der Personalverwaltung die Rechtsaufsicht vorgesehen. Der Landesregierung ist es ein besonderes Anliegen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Es liegt daher im Landesinteresse, die Belastung der Nachwuchswissenschaftler/innen zu mildern, denen neben der Arbeit an der Hochschule und der Dissertation auch die Kinderbetreuung obliegt. Das Wissenschaftsministerium vertritt die Auffassung, dass sich ein Arbeitsvertrag mit wissenschaftlichem Personal i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das nicht promoviert ist, bei Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind verlängert . Aus den vorgenannten Gründen hat es die Vorgehensweise der Hochschule, den Vertrag nur um etwa acht Monate zu verlängern, beanstandet und die Hochschule angewiesen , den Vertrag um zwei Jahre zu verlängern. Gegen diese Weisung hat die Universität Duisburg-Essen Klage erhoben. Nachdem das Gericht seine Rechtsauffassung erläutert hatte, dass es die Rechtsansicht der Klägerin für vertretbar halte, hat das MIWF die Weisung aufgehoben. Weder hat die Hochschule in diesem Rechtsstreit obsiegt, noch gibt es eine Feststellung des Gerichts, dass die Weisung des MIWF rechtswidrig gewesen sei. 1. Wie lautete der Wortlaut der Weisung des Wissenschaftsministeriums an die Universität Duisburg-Essen? Die Weisung lautete: "Ich beanstande den Beschluss der Hochschule, das Arbeitsverhältnis der Frau [xxx] zum 29. April 2013 zu beenden und weise Sie an, sie noch für einen Zeitraum von 15 Monaten und 24 Tagen zu beschäftigen." LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10590 3 2. Auf welche Rechtsgrundlage hat sich die Landesregierung bei der Weisung berufen ? Die Landesregierung hat sich auf § 76 Abs. 2 Satz 1 des Hochschulgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 31. Oktober 2006 (GV.NRW. S. 474) berufen. 3. In wie vielen Vertragsangelegenheiten an NRW-Hochschulen hat das Wissenschaftsministerium seit 2010 Weisungen erteilt? Das Ministerium ist im Rahmen seiner Rechtsaufsicht regelmäßig in dienst- und arbeitsrechtliche Sachverhalte an Hochschulen involviert. Die nur zu schätzende Zahl an personalrechtlichen Angelegenheiten liegt bei einer mittleren zweistelligen Zahl pro Jahr. Eine Statistik wird dazu nicht geführt. In der Regel werden einvernehmliche Lösungen gefunden. In diesem einen Fall gelang dies nicht und es kam zu einer förmlichen Weisung. Weisungen wurden in anderen Vertragsangelegenheiten dieser Art nicht erteilt. 4. Wie viele Verträge von Mitarbeitern an Hochschulen waren seit 2010 Gegenstand von Verfahren an nordrhein-westfälischen Gerichten? Diese Zahl lässt sich in der Kürze der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermitteln. 5. Wie viele Akten zu Verwaltungsvorgängen sind seit 2010 verloren gegangen bzw. waren nicht an dem dafür vorgesehenen Aufbewahrungsort auffindbar (bitte alle bekannten Vorfälle aufschlüsseln)? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10590