LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10610 29.12.2015 Datum des Originals: 23.12.2015/Ausgegeben: 05.01.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4065 vom 18. November 2015 der Abgeordneten Susanne Schneider und Ulrich Alda FDP Drucksache 16/10248 Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des Sprechers von SchLAu NRW zum verantwortungsvollen Umgang mit „STD" (Sexual Transmitted Diseases)? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 4065 mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Als Freie Demokraten lehnen wir jegliche Form der Diskriminierung ab. Dies gilt insbesondere auch für Menschen, die sich zu ihrer HIV-Infektion in ihrem sozialen Umfeld oder in der Öffentlichkeit bekennen. Daher betonen wir die Relevanz einer angemessenen gesundheitspolitischen Aufklärung wie sie zum Beispiel von der AIDS-Hilfe oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) betrieben wird. Diese Aufklärung hat wesentlich dazu beigetragen , dass viele Menschen die Risiken von „STD" (Sexual Transmitted Diseases) bedenken und einen verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität praktizieren. So sind die Neuinfektionsraten bei HIV in Deutschland niedriger als in etlichen anderen westeuropäischen Ländern. Über die Landesregierung ist das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen offizieller Partner und Förderer des Netzwerks SchLAu NRW. SchLAu NRW steht für Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung in NRW und ist die Vernetzung von lokalen Aufklärungsgruppen aus ganz Nordrhein-Westfalen mit dem Ziel, Begegnungen zwischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans* zu fördern und Vorurteile abzubauen. Im Jahr 2003 wurde SchLAu NRW für ihren gelungen Einsatz sogar als Best-practice-Projekt der Agenda 21 sowie 2007 vom Bündnis für Toleranz und Demokratie ausgezeichnet. Daher ist das Projekt seit 2008 auch Partner der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10610 2 Initiative „Schule der Vielfalt - Schule ohne Homophobie“, das seit 2012 vom Ministerium für Schule und Weiterbildung gefördert wird. Als Antwort (DS 16/10188) auf die Kleine Anfrage (DS 16/9944), inwieweit die Teamer_innen über eine nachgewiesene pädagogische Qualifikation haben, erklärt Ministerin Steffens: „Die Teamer_innen durchlaufen Auswahlgespräche, hospitieren in Workshops und nehmen an einer verpflichtenden Grundqualifizierung teil. Sie werden im Aufklärungsmanagement, der Methodenschulung sowie der Biografiearbeit qualifiziert. (…) Jeder Workshop wird mit den Lehrkräften/pädagogischen Leitungen vorbereitet, so dass eine alters- und adressat_innengerechte Vermittlung gewährleistet ist.” Lokale Aufklärungsgruppe führen im Rahmen dieser Qualifikationen Informationsveranstaltungen an Schulen durch, um vor allem Jugendlichen und jungen Erwachsenen an allen Schulformen (ab Klassenstufe 7) unterschiedliche Liebes- und Lebensweisen vorzustellen. Bezugnehmend auf das Interview des Schauspielers Charlie Sheen in der Today-Show des US-Fernsehsenders NBC, in dem er erstmals über seine HIV-Infektion spricht, verbreitet nun ein Sprecher von Schlau-NRW am 17.11.2015 mit Bild und per Hashtag öffentlich über Facebook : 1. „Ich habe HIV und würde es wieder tun! Ich habe regelmäßig Sex ohne Kondom Schutz durch Therapie macht es möglich. Menschen mit HIV sind nicht kriminell!“ In der darauffolgenden Diskussion unter dem Posting erklärt er weiter, dass er aufgrund seiner Therapie einem „Sexdate“ nicht zu sagen bräuchte, dass er HIV-positiv ist. Darüber hinaus sei grundsätzlich Geschlechtsverkehr ohne Kondom bedenkenlos. 2. „(Name der angesprochenen Person) bei Sexdates ist mir Ehrlichkeit ziemlich egal. Bei Schutz durch Therapie ist man sexuell nicht infektiös, also braucht man es auch nicht dem anderen sagen. Ähnlich wie beim Händeschütteln.“ 3. „Jeder Mensch darf ohne Kondom Sex haben. Es gibt keine Kondompflicht und auch keine Mitteilungspflicht über HIV. Wenn nur positive Verantwortung für andere übernehmen sollen, dann sind offenbar alle Menschen nicht mehr gleich vor dem Gesetz. Herzlichen Glückwunsch.“ Die AIDS-Hilfe erklärt dagegen auf ihrer Webpräsenz, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit STD (z.B. HIV, Chlamydien, HPV, Tripper, Syphilis, Trichomonaden, Herpes und Hepatitis B) für alle sexuell aktiven Personen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung unerlässlich ist: „Kondome schützen vor HIV und senken das Risiko einer Ansteckung mit sexuell übertragbaren Infektionen wie Syphilis, Tripper, Hepatitis B und C. (Gegen Hepatitis B sollte man geimpft sein, wenn man Sex mit häufig wechselnden Partnern hat).“ Die Aussage, dass auf den Gebrauch von Kondomen verzichtet werden kann, bezieht sich dabei auch nur auf feste Partnerschaften: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10610 3 „HIV-Negative und Ungetestete müssen darüber mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin reden und sind darauf angewiesen zu vertrauen. Ob ein entsprechendes Vertrauensverhältnis besteht, muss jeder Mensch im Einzelfall für sich entscheiden. Bei flüchtigen sexuellen Begegnungen ist das sicher meist schwierig, bei engeren Bindungen ist es eher möglich. Wir empfehlen, bei Unsicherheiten Kondome zu verwenden. Auf das Kondom verzichten sollten Paare nur, wenn beide gut informiert sind und sich mit der gemeinsamen Entscheidung wohl fühlen“ (http://www.aidshilfe .de/de/faq/schutz-durch-therapie) Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung bewertet Aussagen einzelner Personen zu ihrem persönlichen Sexualverhalten grundsätzlich nicht. Dies gilt auch für die private Äußerung des mittlerweile zurückgetretenen Sprechers von SchLAu NRW, die erkennbar nicht im Kontext seines ehrenamtlichen Engagements in diesem Netzwerk getätigt worden ist. Auch hat die Landesregierung keine Kenntnis darüber, ob und ggf. welche Auswirkungen die privaten Aussagen des ehemaligen SchLAu- Sprechers auf die Allgemeinheit haben und ob durch die getätigten Aussagen unnötige Vorurteile geschürt werden. Im Übrigen hält die Landesregierung trotz der enormen Fortschritte in der HIV-Therapie, die unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Minimierung des Ansteckungsrisikos mit HIV führen , daran fest, dass bei Sexualkontakten insbesondere mit häufig wechselnden Sexualpartnerinnen und Sexualpartnern zum Schutz vor HIV und anderen sexuell oder durch Blut übertragbaren Infektionen stets Kondome verwendet werden sollten. Die Verantwortung für die Sicherstellung des Schutzes vor diesen Infektionen liegt hierbei grundsätzlich bei den beteiligten Sexualpartnerinnen bzw. -partnern. 1. Wie bewertet die Landesregierung die durch einen Sprecher von SchLAu NRW getätigte Aussage, dass (vor dem Hintergrund der möglichen Übertragung von STD) Sex mit häufig wechselnden Partnern ohne Kondom bedenkenlos sei? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Wirkung, die durch die getroffenen Aussagen (s.o.) 1 bis 3 auf die Allgemeinheit entsteht? 4. Stimmt die Landesregierung der Aussage zu, dass durch die getätigten Aussagen des Sprechers von SchLAu NRW unnötig Vorurteile geschürt statt abgebaut werden ? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 3. Inwiefern sieht die Landesregierung durch die getroffenen Aussagen erfolgreiche Aufklärungsarbeit z. B. der AIDS-Hilfen und der BZgA im Hinblick auf die Prävention von STD beeinträchtigt? 5. Welche Programme unterstützt die Landesregierung, um Jugendliche über STD und den verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Körper aufzuklären? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10610 4 Nach Auffassung der Landesregierung bedeutet sexuelle Bildung, Mädchen und Jungen dabei zu unterstützen, ihre eigene Sexualität zu entwickeln. Diese sollte durch Selbstbestimmung , Freiwilligkeit, Verantwortung und Partnerschaft getragen werden. Mädchen und Jungen bedürfen hierfür jugendgerechter Aufklärung und Beratung, die sie dabei unterstützen, einen positiven Zugang zu Sexualität zu ermöglichen. Dazu gehört im Besonderen auch, dass sie befähigt werden, sich zu schützen. Grundsätzlich ist sexuelle Bildung ein Auftrag der Jugendbildung, den die Träger im Rahmen ihrer Angebote bedarfsorientiert durchführen. Darüber hinaus fördert das Land die Träger der Jungen- und Mädchenarbeit, die gendergerechte Informationsmaterialien zur Aufklärung anbieten. Zudem fördert das Land die beiden Fachstellen im Bereich LSBT- Jugendarbeit -, die ebenso zum Thema informieren. In den Schulen in NRW erfolgt die Sexualerziehung fächerübergreifend und ergänzt die Sexualerziehung durch die Eltern auf der Grundlage der Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulsystem/RuL/Richtlinienfuer -die-Sexualerziehung-in-NRW.pdf. Schulische Gesundheits-förderung stärkt die Handlungskompetenz von Schülerinnen und Schülern; auch sie zielt u.a. auf einen verantwortlichen Umgang mit der eigenen Sexualität und der eigenen Gesundheit ab. Schulen werden u.a. durch das Landesprogramm Bildung und Gesundheit (BuG) unterstützt, im Rahmen dessen auch Maßnahmen der Sexualerziehung in schulische Konzepte der Gesundheitsförderung eingebracht werden können (unter: 5.2 Primärprävention als Querschnittsaufgabe der schulischen Gesundheitsförderung). Die von den Einrichtungen der Jugendhilfe und von den Schulen geleistete Sexualerziehung sowie Aufklärung zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen wird durch entsprechende zielgruppenspezifische Präventionsmaßnahmen der bei unterschiedlichen Trägern angesiedelten Youthworkerinnen und Youthworker, das landesweite „Herzenslust“-Projekt der AIDS-Hilfen sowie das Beratungsangebot der Unteren Gesundheitsbehörden ergänzt. Die Landesregierung geht nicht davon aus, dass durch die getroffenen Aussagen die erfolgreiche Aufklärungsarbeit zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen beeinträchtigt wird. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10610