LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10611 29.12.2015 Datum des Originals: 23.12.2015/Ausgegeben: 05.01.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4105 vom 1. Dezember 2015 des Abgeordneten Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg CDU Drucksache 16/10372 Schädigt ein blamabler Rechenfehler bei der Unterstützung für das Münsteraner Wald- Zentrum nachhaltig den Ruf Nordrhein-Westfalens als Wissenschafts- und Forschungsstandort ? Die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung hat die Kleine Anfrage 4105 mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Jahr 2003 wurde das internationale Institut für Wald und Holz NRW während der Amtszeit der damaligen Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft gegründet und ist mittlerweile international erfolgreich, hat vier EU–Ausschreibungen gewonnen und arbeitet seit zwei Jahren an drei EU–Forschungsvorhaben in den Bereichen Holzknappheit, Ressourceneffizienz und Bioenergie . Zum Projektstart eines der Vorhaben betonte der damalige Staatssekretär Dockter die Wichtigkeit der Beteiligung des Landes an den Forschungsprojekten und bewilligte dem auf Fördermittel angewiesenen Institut Förderung in Höhe von 180.000 Euro. Später dann wurden die Zahlungen nach nur sieben Monaten nach einem Sinneswandel eingestellt – erst nach Anstrengung einer Untätigkeitsklage erfuhr das Wald-Zentrum, dass es sich um einen Rechenfehler seitens des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW unter Leitung von Frau Ministerin Schulze handeln sollte. Anstatt jedoch die schriftlich zugesicherte und rechtskräftig bewilligte Unterstützung weiter zu zahlen, stellt sich das Land NRW quer und verweigert nach wie vor die Zahlung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10611 2 Da es sich um kofinanzierte EU-Vorhaben handelt, stehen die Vorhaben nun vor dem Aus. Betroffen sind Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen 7,5 Millionen Euro unter Beteiligung von 28 Projektpartnern aus elf Ländern und 1,5 Millionen Euro mit elf Projektpartnern aus neun Ländern. Zu befürchten ist zudem ein erheblicher Imageverlust für den Forschungsstandort NRW, zumal die Welt am Sonntag am 29.11. berichtet, es habe einen internen Vermerk des Ministeriums gegeben, in dem von einer geplanten „Zerlegung“ des Wald-Zentrums die Rede ist. Vorbemerkung der Landesregierung Das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden MIWF) hat 2013 Landesmittel für die anteilige Ko-Finanzierung der auf EU- Ebene eingeworbenen Projekte RERAM und SIMWOOD an das Internationale Institut für Wald und Holz e.V. (im Folgenden IIWH) bewilligt. Für RERAM waren dies 180.857 € und für SIM- WOOD 95.358 €. Das Geld diente als Nachweis des Eigenanteils des IIWH gegenüber der EU, mit der das IIWH zum Zeitpunkt der MIWF-Bewilligung noch in Finanzverhandlungen stand. Die MIWF-Förderungen wurden als „Anteilfinanzierung“ gewährt und nicht wie vom IIWH öffentlich behauptet als „Fehlbedarfsfinanzierung“. Zudem ergingen die Bescheide unter dem Vorbehalt, dass die EU Fördermittel für die jeweiligen Gesamtprojekte bewilligt. Die EU bewilligte beide Projekte, allerdings im Fall RERAM mit einem gegenüber der Antragstellung geänderten Finanzkonstrukt. Das IIWH hat diesem geänderten Finanzkonstrukt zugestimmt , allerdings hätte das IIWH ohne Rücksprache mit dem MIWF diesen veränderten Finanzierungsbestimmungen der EU nicht zustimmen dürfen. Hieraus resultierte eine Finanzierungslücke in Höhe von rd. 36.000 €, so dass die Gesamtfinanzierung des Projektes RERAM beim IIWH nicht mehr gesichert war. Stattdessen beantragte das IIWH im September 2014 den fehlenden Betrag in Höhe von rd. 36.000 € als Aufstockung beim MIWF. Eine Prüfung dieses Antrags im MIWF kam zu dem Ergebnis, dass die neu angemeldeten Ausgaben gemäß Landeshaushaltsordnung (LHO) nicht förderfähig sind, da es sich um Gemeinkosten handelt. Eine in diesem Zuge vorgenommene Prüfung der im Jahre 2013 erlassenen Bescheide für beide Projekte kam zu dem Ergebnis, dass auch dort durch zu hohe Förderquoten indirekt Gemeinkosten bezuschusst wurden. Auch bei einer späteren Überprüfung hätte die zu hohe Förderquote korrigiert und die Landesmittel aufgrund dieser Tatsache zurückgezahlt werden müssen. Der Zuwendungsbetrag musste daher gemäß den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung (LHO) entsprechend angepasst werden. Ohne diese Anpassung hätte das IIWH für RERAM 72.853 € und für SIMWOOD 47.197 € zu viel ausgezahlt bekommen. Da somit in beiden Projekten die Gesamtfinanzierung allerdings nicht mehr gesichert war, die LHO aber eine Förderung von Vorhaben, deren Gesamtfinanzierung nicht gesichert ist, verbietet, wurden die Auszahlungen an das IIWH gestoppt. Das IIWH wurde mehrfach über die Finanzierungsproblematik und den damit verbundenen Auszahlungsstopp informiert, erstmalig am 16.12.2014, und für eine gemeinsame Lösungsfindung wie in solchen Fällen üblich in das MIWF am 08.01.2015 eingeladen. Dieser Termin wurde allerdings seitens IIWH ohne die Nennung von Gründen abgesagt und nicht - wie vom IIWH behauptet - im gegenseitigen Einvernehmen . Am 10.01.2015 stellte das IIWH beim Verwaltungsgericht Münster einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Sachen RERAM, am 10.03.2015 dann auch für das Projekt SIMWOOD. Das MIWF sollte zur Auszahlung der Fördermittel verpflichtet werden. Ungeachtet der mehrmaligen Information durch das MIWF über die laufende Prüfung reichte das IIWH am 14.01.2015 zudem noch eine Untätigkeitsklage im Fall RERAM ein, da der Antrag auf Aufstockung aus September 2014 noch nicht beschieden wurde. Hierbei waren dem IIWH LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10611 3 die Gründe einer fehlenden abschließenden Bescheidung bekannt, von einer Untätigkeit des MIWF konnte nicht die Rede sein. Änderungen/Anpassungen von Förderbescheiden aus verschiedenen Gründen sind ein üblicher Vorgang im Fördergeschäft. Üblicherweise wird im Gespräch aller Beteiligten eine gemeinsame Lösung gesucht. Aufgrund des seitens IIWH eingeschlagenen Rechtweges war die Möglichkeit für eine einvernehmliche konstruktive Lösung verbaut und das MIWF zum formalen Vorgehen gezwungen. Dementsprechend wurde das IIWH in beiden Projekten im März 2015 im Hinblick auf eine Rücknahme nach § 48 VwVfG NRW angehört. Da das IIWH auch im Rahmen der Anhörung von der Möglichkeit, durch Erbringung eines höheren Eigenanteils die Gesamtfinanzierung zu sichern, keinen Gebrauch gemacht hat, mussten die Förderbescheide rechtlich zwingend zurückgenommen werden. Die Teilrücknahme- bzw. Teilwiderrufsbescheide ergingen am 31.07.2015. Hierbei wurde für die bereits ausgezahlten Mittel in Höhe von 15.000 € (RERAM) und 25.093 € (SIMWOOD) der gesetzliche Vertrauensschutz zugunsten des IIWH berücksichtigt. Daher verbleiben diese Mittel beim IIWH. Nicht ausgezahlt wurden demnach 165.857 € (RERAM) bzw. 70.265 € (SIMWOOD). Gegen die Teilrücknahme- bzw. Teilwiderrufsbescheide hat das IIWG beim Verwaltungsgericht Münster im August 2015 Klage erhoben - die o.a. Untätigkeitsklage im Fall RERAM wurde in eine Anfechtungsklage umgewandelt, im Fall SIMWOOD wurde ebenfalls eine Anfechtungsklage erhoben. Bis zum 07.12.2015 liegen jedoch noch keine Klagebegründungen vor. In den vorangegangenen Eilverfahren hatte das Verwaltungsgericht bereits im Mai 2015 zugunsten des MIWF entschieden. 1. Welchen Beitrag möchte die Landesregierung für den Fortbestand des Wald-Zentrums und die damit verbundenen Forschungsvorhaben leisten? Das IIWH kann jederzeit Anträge auf Förderung bei der Landesregierung einreichen. Die Landesregierung wird die Anträge gemäß den Vorgaben der LHO prüfen und bescheiden. 2. Inwieweit ist vor dem Hintergrund der Nichtbeachtung bestandskräftiger Zusagen - im vorliegenden Fall ersatzlose Streichung von finanziellen (zugesagten) Mitteln - auch für andere Forschungsprojekte auf die schriftlichen Zusagen der Landesregierung bei zukünftigen Projekten noch Verlass? Im vorliegenden Fall wurden bestandskräftige Zusagen keineswegs durch das MIWF missachtet . Die Bescheide für die beiden Projekte RERAM und SIMWOOD waren aufgrund falsch bemessener Förderquoten nicht rechtmäßig. Dementsprechend wurde das IIWH in beiden Projekten nach § 48 VwVfG NRW angehört. Da das IIWH im Rahmen der Anhörung von der Möglichkeit, durch Erbringung eines höheren Eigenanteils die Gesamtfinanzierung zu sichern, keinen Gebrauch gemacht hat, mussten die Förderbescheide rechtlich zwingend zurückgenommen werden, da die LHO die Förderung von Vorhaben verbietet, deren Gesamtfinanzierung nicht gesichert ist. Die Landesregierung ist dazu verpflichtet, die LHO zu beachten und wird dies auch zukünftig tun. 3. Wie rechtfertigt die Landesregierung die auf das Land zukommenden Schadensersatzforderungen durch die EU–Partner, die aus der drohenden Beendigung der Forschungsvorhaben resultieren werden? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10611 4 Eine Begründung für Schadensersatzansprüche gegen das MIWF ist nicht ersichtlich. 4. Wie gedenkt die Landesregierung rechtlich und zeitlich mit der Klage des Wald- Zentrums umzugehen? Der rechtliche und zeitliche Umgang mit der Klage ist Sache des Verwaltungsgerichts Münster. Unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung äußert sich die Landesregierung hierzu nicht. Die im August 2015 erhobenen Anfechtungsklagen des IIWH sind von seinen Anwälten bisher nur pauschal mit einem Satz in Form der Bezugnahme auf die Äußerung in der Anhörung vor Erlass der Teilrücknahme- bzw. Teilwiderrufsbescheide begründet worden. Eine von den Anwälten des IIWH bei Klageerhebung angekündigte weitere Klagebegründung steht bis heute, also seit rund vier Monaten, aus. Das Verwaltungsgericht hat das IIWH bereits an die Einreichung der Klagebegründung erinnert. Mangels substantiierter Klagebegründung ist eine Klageerwiderung durch das MIWF im verwaltungsgerichtlichen Verfahren selbstverständlich gar nicht möglich. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht – wie in Gerichtsverfahren üblich – eine Klageerwiderung des MIWF von dem Eingang einer Klagebegründung des IIWH abhängig gemacht. Falls eine solche substantiierte Begründung durch das IIWH noch erfolgt, wird das MIWF unverzüglich darauf erwidern. Hier sei auch noch einmal angemerkt, dass die vorausgegangenen vom IIWH angestrengten Eilverfahren nach Erwiderung durch das MIWF sämtlich vom Verwaltungsgericht abgewiesen wurden. 5. Wann wurde der oben erwähnte interne Vermerk bzgl. einer geplanten „Zerlegung“ des Wald-Zentrums erstellt? Der erwähnte interne Vermerk ist vom 30.06.2014 und beinhaltet die Vorbereitung des damaligen Staatssekretärs, Helmut Dockter, für das Kick-Off-Meeting der Projektes RERAM am 14.7.2014 beim IIWH. Die aus dem Vermerk zitierte Passage ("Zerlegung des Waldzentrums") war zum einen in einen anderen Sachzusammenhang eingebettet und ist leider stark verkürzt. So steht das verkürzte Zitat im Kontext eines Gesprächs am 09.07.2014 mit dem IIWH im MIWF, in dem dargelegt wurde, dass eine vom IIWH beantragte Grundfinanzierung u.a. voraussetzt , dass die Verflechtung des IIWH innerhalb des Wald-Zentrums, das neben dem IIWH noch aus den kommerziellen Einrichtungen Wald-Consult Ltd. und Wald-Agentur GmbH besteht , durch eine Aufspaltung in einen gemeinnützigen wissenschaftlichen und einen gewinnorientierten wirtschaftlichen Betrieb vollständig aufgelöst werden (Zitat "…Dafür müssen aber der derzeit eng verflochtene wirtschaftliche und wissenschaftliche Betrieb des Waldzentrums vollkommen entkoppelt werden. Das heißt, … es [das Waldzentrum] im Interesse einer konsequenten Trennkostenrechnung zur Vermeidung von Beihilfeproblemen zu zerlegen.“) muss. Im Übrigen heißt es in einer Vorlage vom 07.07.2014 „[in Bezug auf eine etwaige institutionelle Förderung] Für dieses Vorgehen ist unumgänglich, 1. dass sich das IIWH überzeugend von seiner finanziellen und physischen Struktur als eigenständige gemeinnützige wissenschaftliche Einrichtung darstellen kann, … Pkt. 1 heißt, dass die Verflechtung des IIWH innerhalb des Wald-Zentrums durch eine Aufspaltung in einen gemeinnützigen wissenschaftlichen und einen gewinnorientierten wirtschaftlichen Betrieb vollkommen aufgelöst werden muss." Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10611