LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10771 19.01.2016 Datum des Originals: 18.01.2016/Ausgegeben: 22.01.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4140 vom 10. Dezember 2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/10475 Linke Gewalt gegen Polizeibeamte Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4140 mit Schreiben vom 18. Januar 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auf eine aggressive Stimmung unter Rechten, etwa bei Pegida-Kundgebungen, ist die Polizei in NRW eingestellt. Bei einer Veranstaltung in Duisburg haben jedoch am 07.12.2015 linke Gegendemonstranten in einem Maß die Polizei angegriffen, die ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in den Medien als „neue Entwicklung“ bezeichnet (Rheinische Post, 09.12.2015, S. 3). Konkret haben etwa 400 Linke versucht, zu der Kundgebung von rund 150 Pegida-Anhängern durchzudringen. Mehrere Hundertschaften der Polizei schützten die rechte Demonstration. Eine Gruppe teils Vermummter aus den Reihen der Linken griff die Polizisten mit Straßenschildern , Absperrgittern, Bauzäunen und Flaschen an und ging mit Pfefferspray auf die Polizeipferde los. Der Vorsitzende der GdP, Arnold Plickert, vermisst nach den Ereignissen einen „Aufschrei“ in der Politik, wie er nach Ausschreitungen rechter Demonstranten üblich ist. Es scheine ein Unterschied zwischen rechter und linker Gewalt gemacht zu werden. Die Polizei dürfe jedoch „nicht zum Spielball“ zwischen den beiden radikalen Gesinnungen werden. Trotz der Ausschreitungen ist in Duisburg nicht geplant, die Mannschaftsstärke bei den Pegida-Kundgebungen zu erhöhen. Ein Polizeisprecher gab aber gegenüber der „Rheinischen Post“ an, man werde „immer mit ausreichend Personal vor Ort sein“. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10771 2 1. Was genau ist am Abend des 07.12.2015 in Duisburg im Rahmen der Pegida-Kundgebung geschehen? (Bitte genaues Lagebild angeben, inkl. Mannstärke der Duisburger Polizei, Anzahl und Art der Verletzungen bei den Einsatzkräften, Anzahl der Verhaftungen.) Am 07.12.2015, im Zeitraum 19:00 bis 20:52 Uhr, wurde die angemeldete Versammlung zum Thema „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes!“ unter Beteiligung von ca. 150 Personen in der Duisburger Innenstadt in Form eines Aufzuges mit Auftaktund Abschlusskundgebung durchgeführt. Im Rahmen des störungsfrei verlaufenen Aufzuges vom/zum Vorplatz des Hauptbahnhofs wurden die begleitenden Polizeibeamten durch ca. zehn vermummte Personen mit Steinen beworfen. Die Beamten blieben unverletzt; die Störer konnten unerkannt entkommen. Durch das „Duisburger Netzwerk gegen Rechts“ und das Bündnis „Duisburg stellt sich quer“ wurden auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofes am 07.12.2015 im Zeitraum 18:00 Uhr bis 21:30 Uhr Gegenkundgebungen abgesetzt von der PEGIDA-Demonstration durchgeführt. Durch Zulauf aus den nachfolgend dargestellten beabsichtigten bzw. durchgeführten Demonstrationen erhöhte sich die Gesamtteilnehmerzahl von ca. 100 sukzessive auf ca. 400 Personen. Ein angemeldeter Aufzug der Partei „DIE LINKE“ wurde vom Veranstalter wegen geringer Teilnehmerzahl (sieben Personen) abgesagt. Die Personen schlossen sich den Gegenversammlungen an. Die ebenfalls angemeldete Versammlung der „Antirassisten aus der Region“ begann gegen 18:00 Uhr auf dem Burgplatz. Gegen 18:35 Uhr setzte sich ein Aufzug mit ca. 300 Teilnehmern über innerstädtische Straßen in Richtung Vorplatz Hauptbahnhof in Bewegung. Nach einer Zwischenkundgebung am König-Heinrich-Platz gegen 19:10 Uhr vermummten sich zahlreiche Teilnehmer und begaben sich unter aufgespannte Regenschirme. Der Aufzug wurde durch Einsatzkräfte angehalten; nach Aufforderung durch die Polizei legten die Teilnehmer die Vermummung ab. Der Aufzug wurde fortgeführt und erreichte gegen 19:20 Uhr die Bahnhofsplatte als Ort der Abschlusskundgebung. 150 Teilnehmer schlossen sich unmittelbar den übrigen Gegendemonstrationen am Veranstaltungsort an; die übrigen 150 Teilnehmer führten die vorgesehene Abschlusskundgebung durch, die um 19:35 Uhr beendet wurde. Im Anschluss nahm auch diese Gruppe an den Gegendemonstrationen des „Duisburger Netzwerk gegen Rechts“ und des Bündnisses „Duisburg stellt sich quer“ auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofes teil. Während der Abschlusskundgebung kam es an der zur Trennung der Gruppen eingerichteten Absperrung zu starkem Druck auf die eingesetzten Kräfte. Mehrfach wurde Vermummung durch Angehörige der Gegendemonstrationen angelegt und nach Aufforderung der Polizei wieder abgelegt. Gegen 20:00 Uhr verließ eine Gruppe von ca. 100 Teilnehmern den Kundgebungsort in Richtung Königstraße und riss auf der Mercatorstraße einen Bauzaun um. Einsatzkräfte wurden mit Flaschen beworfen, Polizeipferde mit Absperrbaken und Pfefferspray angegangen. Die Störer wurden unter kurzzeitigem Einsatz von Pfefferspray und des Einsatzmehrzweckstockes zur Bahnhofsplatte zurückgedrängt. Im Einsatzverlauf wurde an drei Einsatzfahrzeugen der Landesreiterstaffel Kennzeichen gestohlen bzw. Farbschmierereien vorgenommen. Insgesamt wurden 687 Kräfte eingesetzt. Eine Beamtin der Landesreiterstaffel wurde (durch Einwirkung fremden Pfeffersprays) leicht verletzt, blieb aber dienstfähig. Die eingesetzten Polizeipferde kamen nicht zu Schaden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10771 3 32 anlassbezogene Strafverfahren wurden bisher gegen Teilnehmer der Gegendemonstrationen u. a. wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls, Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Drei Tatverdächtige wurden vorläufig festgenommen und dem Polizeipräsidium Duisburg zugeführt . Von dort wurden sie nach Identitätsfeststellung, erkennungsdienstlicher Behandlung und Vernehmung entlassen. Von vier weiteren Tatverdächtigen wurde vor Ort die Identität festgestellt. In den übrigen der genannten Strafverfahren wird derzeit noch gegen Unbekannt ermittelt. Die Auswertung des Beweissicherungsmaterials dauert an. 2. Sind unter den Verhafteten polizeilich bekannte Personen aus der linksextremistischen Szene? Der extremistischen Kriminalität werden Straftaten zugeordnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Politisch motivierter Kriminalität (PMK) -links- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen , dass sie nach verständiger Betrachtung (z. B. nach Art der Themenfelder) einer „linken“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss. Die extremistische Kriminalität stellt eine Teilmenge der „PMK-links“ dar. Zwei der sieben Tatverdächtigen sind bereits im Vorfeld durch Straftaten, die dem Phänomenbereich „PMK-links“ zuzuordnen sind, polizeilich in Erscheinung getreten. 3. Sind der Landesregierung Vorfälle wie diese auch aus anderen Städten in Nordrhein -Westfalen bekannt, in denen es bereits Pegida-Kundgebungen und linke Gegendemonstrationen gab? Seit Dezember 2014 finden auch in Nordrhein-Westfalen demonstrative Aktionen der *GIDA- Bewegung in unterschiedlichen Städten statt. Ziel der polizeilichen Maßnahmen war es dabei in erster Linie, ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher gewaltbereiter Gruppen zu verhindern. Auch wenn die Gegenversammlungen vornehmlich von friedlichem Protest getragen waren, zielten Aktionen von Angehörigen des linken Spektrums teilweise darauf ab, Aufzugswege zu blockieren, polizeiliche Sperren zu überwinden und Meinungsgegner zu attackieren. Auch kam es zu Angriffen auf Polizeibeamte. Teilnehmern der *GIDA-Demonstrationen waren vornehmlich Straftaten wie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bzw. Volksverhetzung zuzuordnen. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des Vorsitzenden der GdP, in Fällen linker Gewalt fehle „der Aufschrei“ in der Politik? Das Ministerium für Inneres und Kommunales bewertet die Aussagen von Vertretern von Berufsverbänden grundsätzlich nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10771 4 5. Wie viele Ausschreitungen bei Demonstrationen rechter bzw. linker Extremisten hat es in NRW seit 2010 gegeben? (Bitte auflisten nach Ort, Gesinnung der Demonstranten , Art der Ausschreitungen.) Die erbetenen Daten liegen nicht automatisiert abrufbar vor. Eine Recherche in polizeilichen Auskunftssystemen nach einem Differenzierungskriterium „Ausschreitungen“ ist nicht vorgesehen . Der Begriff Ausschreitungen ist nicht näher definiert und kann - abhängig von seiner Definition - unterschiedliche Strafbestände umfassen. Darüber hinaus würde eine Erhebung der erbetenen Daten eine händische Auswertung der polizeilichen Vorgänge mit Demonstrationsbezug über den angefragten Zeitraum bedingen und wäre mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine solche Datenauswertung nicht möglich. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10771