LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1090 10.10.2012 Datum des Originals: 09.10.2012/Ausgegeben: 15.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 432 vom 10. September 2012 der Abgeordneten Henning Höne und Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/863 Welche Erkenntnisse zeigen sich aufgrund der Veränderungen in der Ausgestaltung der Lernstandserhebungen? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 432 mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Instrument der Lernstandserhebungen in den Klassen 3 und 8 soll Lehrerinnen und Lehrern Informationen zu den Fähigkeiten und den Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler vermitteln und auf diesem Wege einen Beitrag zu einer Stärkung der Qualität des Unterrichts und damit auch der Schulen leisten. Sie bilden somit einen wichtigen Bestandteil der Qualitätssicherung und der Qualitätsentwicklung. Um eine solche Unterrichtsentwicklung zu unterstützen , stellt das Ministerium beispielsweise die Broschüre „Lernstandserhebungen als Impuls für die Unterrichtsentwicklung, Hinweise, Beispiele und Arbeitshilfen für die Praxis“ zur Verfügung. In dieser Broschüre betont die Ministerin für Schule und Weiterbildung, dass Lernstandserhebungen ein Diagnoseverfahren mit dem Ziel der Unterrichtsentwicklung seien und kein Instrument der Bewertung der Schülerinnen und Schüler. Des Weiteren beschreibt die Broschüre des Ministeriums, welche Erkenntnisse demnach durch die Lernstandserhebungen erzielt werden können. Hierzu zählen z.B. die Feststellung von Kompetenzniveaus, eine Überprüfung des Erreichens von Standards oder auch schulinterne und schulübergreifende Vergleiche. Nicht geeignet sind die Lernstandserhebungen demnach zur Bewertung der Leistungen einzelner Schülerinnen und Schüler, zur Erklärung von Leistungsunterschieden oder auch zur Nutzung der Ergebnisse zu Schulvergleichen oder Rankings. Zunächst erfolgte laut Schulministerium an weiterführenden Schulen eine Festlegung sogenannter Standorttypen durch die Schulleitungen, um die regionale Struktur und die Schülerschaft zu berücksichtigen. Hierbei bestanden zwei Standorttypen für Gymnasien und Real- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1090 2 schulen sowie drei für Hauptschulen und Gesamtschulen. Seit 2011 erfolgt laut Informationen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung eine solche Zuordnung der Standorttypen nicht mehr durch die weiterführenden Schulen, sondern wird vom Schulministerium vorgenommen . Bei diesem neuen Standorttypenkonzept werden der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, der Anteil von Arbeitslosen sowie des SGB IIEmpfangs unter 18 Jahren im regionalen Umfeld auf der Basis amtlicher Statistikdaten miteinbezogen und entsprechende Standorttypen auf fünf Stufen gebildet. Laut Ministerium für Schule erfolgt mit dem neuen Verfahren somit eine Zuordnung zu Standorttypen auf der Basis statistisch objektiver Daten. Allerdings stellt sich die Frage, ob neben dem zweifellos vorhandenen sozialen Einfluss auch weitere Faktoren die Ergebnisse der Lernstandserhebungen beeinflussen können, etwa die Klassengrößen oder auch das Leistungsvermögen der Lerngruppen. Darüber hinaus ist es von Bedeutung zu erfahren, welche inhaltlichen Auffälligkeiten durch das geänderte Standorttypenkonzept zutage getreten sind. Vorbemerkung der Landesregierung Lernstandserhebungen sind ein Diagnoseinstrument zur Unterstützung von Schulentwicklung . Für Vergleiche der in Bundesländern erreichten Ergebnisse sind Lernstandserhebungen aufgrund ihrer Zielsetzung und konzeptionellen Gestaltung ungeeignet. Dies gilt auch für Vergleiche regionaler Gebietseinheiten innerhalb der Länder. Wie die empirische Bildungsforschung in den vergangenen Jahren gezeigt hat, gibt es vielfältige Sachverhalte, die Schülerleistungen beeinflussen. Im Rahmen der Durchführung von Lernstandserhebungen können diese weder umfassend berücksichtigt noch ihr jeweiliger Einfluss auf Ergebnisse wissenschaftlichen Kriterien genügend bestimmt werden. 1. Welches sind die zentralen inhaltlichen Unterschiede, die im Vergleich zu den vorherigen Ergebnissen aufgrund des neuen Standortkonzeptes aufgetreten sind? Mit dem neuen Standortkonzept, das fünf statt drei Standorttypen vorsieht, wird der Zusammenhang zwischen sozialräumlichen Gegebenheiten und Ergebnissen von Schulen bei den Lernstandserhebungen differenzierter abgebildet. Dies ermöglicht Schulen eine aussagekräftigere Einordnung ihrer Ergebnisse im schulübergreifenden Vergleich. 2. Welches sind aus Sicht des Ministeriums die spezifischen Erkenntnisse, die an- hand der Lernstandserhebungen für die entsprechenden Schulen im Regierungsbezirk Münster ermittelt wurden (bitte nach den allgemeinen Ergebnissen sowie nach den Unterschieden aufgrund des veränderten Verfahrens in den einzelnen Kreisen und den kreisfreien Städten aufschlüsseln)? Eine zentrale Erkenntnis ist, dass in bestimmten Kreisen des Regierungsbezirks Münster nicht alle Standorttypen vertreten sind (z. B. in den Kreisen Gelsenkirchen und Coesfeld – siehe Anlage). Dies ist ein Hinweis auf große regionale Unterschiede hinsichtlich der Rahmenbedingungen der einzelnen Schulen im Regierungsbezirk Münster. Dies lässt sich bereits mit dem bis 2010 angewendeten Verfahren erkennen. Noch deutlicher werden diese regionalen Unterschiede mit dem neuen Konzept abgebildet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1090 3 3. Welche generellen Interpretationen liegen hinsichtlich eines möglichen Zusammenhanges der Ergebnisse mit den jeweiligen Klassengrößen vor? 4. Wenn bezüglich der Klassengrößen keine Erkenntnisse vorliegen, gedenkt die Landesregierung eine solche Interpretation zukünftig miteinzubeziehen? Im Rahmen der Lernstandserhebungen kann der Zusammenhang zwischen Ergebnissen und Klassengrößen nicht systematisch untersucht werden. Auf Basis der vorliegenden Daten zeigt sich kein Einfluss der Klassengröße auf Lernstandsergebnisse. Dies entspricht den Erkenntnissen der empirischen Bildungsforschung. So wird im Ergebnisband von PISA 2000 festgestellt: „tatsächlich variieren die Testleistungen der 15-jährigen weitgehend unabhängig von Klassengrößen“. 5. Welchen Einfluss übt nach Einschätzung der Landesregierung die qualitative Rolle der Lehrkräfte aus? Forschungsergebnisse zeigen, dass ausgeprägte inhaltliche und fachdidaktische Kompetenzen von Lehrkräften einen positiven Einfluss auf die Leistungsbereitschaft und das Leistungsvermögen von Schülerinnen und Schülern haben. Anlage Kreis k.h.N. Niveau 1 Niveau 2 Niveau 3 Niveau 4 Niveau 5 512 Bottrop, kreisfreie Stadt .6 7.2 37.1 26.9 24.3 3.9 513 Gelsenkirchen, kreisfreie Stadt 1.0 9.3 35.2 27.3 22.7 4.5 515 Münster, kreisfreie Stadt .3 2.9 20.8 23.8 36.8 15.4 554 Borken, Kreis .3 2.8 25.7 28.4 34.8 8.0 558 Coesfeld, Kreis .1 2.7 20.5 26.6 37.1 13.1 562 Recklinghausen, Kreis .9 6.9 29.6 27.9 27.5 7.2 566 Steinfurt, Kreis .5 4.2 27.8 29.0 31.2 7.4 570 Warendorf, Kreis .5 4.0 27.4 26.8 31.8 9.5 Insgesamt 0.6 4.8 27.5 27.5 31.1 8.6 Legende: k. h. N. (kein hinreichender Nachweis für das Erreichen von Niveau 1) Niveau 1: Leseverstehen in Ansätzen Niveau 2: Einfaches Leseverstehen Niveau 3: Grundlegendes Leseverstehen Niveau 4: Differenziertes Leseverstehen Niveau 5: Vertieftes Leseverstehen alte Standorttypen (bis 2010 genutztes Standorttypenkonzept): 1 = ungünstige Standortvoraussetzungen; 3 = günstige Standortvoraussetzungen neue Standorttypen (ab 2011 genutztes Standorttypenkonzept): 1 = günstige Standortvoraussetzungen; 5 = ungünstige Standortvoraussetzungen Lernstand 8 2012 Deutsch, Leseverstehen - Kompetenzniveaus allgemein (in Prozent) Lernstandserhebungen in Klasse 8 in Nordrhein-Westfalen, Ergebnisse des Durchgangs 2012 im Fach Deutsch, Leseverstehen, in den Kreisen und kreisfreien Städten des Regierungsbezirks Münster differenziert nach unterschiedlichen Konzeptionen von Standorttypen der Schulen Kreis alte Standorttypen k.h.N. Niveau 1 Niveau 2 Niveau 3 Niveau 4 Niveau 5 1 .7 7.4 34.3 26.4 26.6 4.6 2 .0 5.6 41.4 28.5 21.6 2.8 3 2.3 15.5 48.3 23.5 10.4 .0 1 1.2 10.3 37.8 26.6 20.4 3.8 2 .0 4.0 20.8 31.6 35.2 8.3 3 - - - - - - 1 1.4 7.7 38.6 26.5 22.9 3.0 2 .0 1.8 16.6 22.7 40.0 18.9 3 .0 .9 17.5 29.8 41.2 10.6 1 .5 4.0 45.1 29.5 19.7 1.1 2 .3 1.9 20.3 27.9 39.9 9.8 3 .4 6.7 46.2 30.2 15.2 1.3 1 - - - - - - 2 .1 1.9 17.3 26.8 39.1 14.7 3 .0 6.0 32.3 25.6 28.7 7.4 1 1.5 10.1 36.3 27.8 20.8 3.5 2 .3 2.9 21.1 28.3 35.9 11.5 3 .0 8.3 41.7 37.3 12.7 .0 1 2.2 4.8 15.6 18.0 44.7 14.7 2 .4 3.7 27.1 29.5 31.7 7.6 3 .6 7.4 41.2 30.8 18.9 1.1 1 1.3 9.4 32.8 19.8 26.8 10.0 2 .2 2.2 23.7 28.2 35.2 10.6 3 2.0 12.7 49.7 23.9 10.9 .6 1 1.3 9.3 35.8 26.4 22.8 4.4 2 .2 2.7 22.2 27.8 36.0 11.0 3 .6 7.4 40.7 28.5 19.8 3.0 554 Borken, Kreis 558 Coesfeld, Kreis Lernstand 8 2012 Deutsch, Leseverstehen - Kompetenzniveaus nach alten Standortypen (in Prozent) 512 Bottrop, kreisfreie Stadt 513 Gelsenkirchen, kreisfreie Stadt 515 Münster, kreisfreie Stadt 570 Warendorf, Kreis RP Münster 562 Recklinghausen, Kreis 566 Steinfurt, Kreis Kreis neue Standorttypen k.h.N. Niveau 1 Niveau 2 Niveau 3 Niveau 4 Niveau 5 1 1.1 7.8 30.2 25.4 29.7 5.9 2 - - - - - - 3 .0 1.6 26.2 34.5 32.8 4.9 4 .2 4.5 38.3 27.1 25.2 4.7 5 1.9 18.5 46.8 20.5 12.3 .0 1 - - - - - - 2 - - - - - - 3 .0 .0 6.8 29.1 50.1 14.0 4 .0 5.5 31.1 34.0 26.4 3.0 5 1.5 12.1 42.0 25.4 16.1 2.8 1 .0 .0 4.8 13.8 46.9 34.6 2 .0 .4 16.0 25.8 41.2 16.6 3 .0 .9 13.7 24.2 41.9 19.3 4 .3 9.5 46.9 22.4 19.4 1.5 5 2.5 13.7 46.0 22.9 14.5 .4 1 .3 1.6 21.0 27.8 38.3 11.0 2 .1 3.2 27.8 29.6 34.1 5.3 3 1.4 14.6 49.2 22.8 10.6 1.4 4 .5 4.0 45.1 29.5 19.7 1.1 5 1 .0 1.7 16.4 26.6 40.0 15.2 2 .5 6.9 39.5 26.6 23.4 3.1 3 - - - - - - 4 - - - - - - 5 - - - - - - 1 .0 .9 15.7 27.7 41.8 13.8 2 .2 1.0 13.9 26.3 42.3 16.4 3 .5 3.3 21.3 29.4 35.8 9.7 4 .7 7.6 37.6 30.7 20.3 3.0 5 3.9 21.7 48.7 18.5 6.9 .4 1 .0 1.3 17.6 29.4 40.0 11.7 2 .5 5.2 34.8 29.5 26.2 3.8 3 .6 5.4 28.9 29.4 26.7 8.9 4 3.3 19.3 51.8 19.8 4.8 1.1 5 13.3 28.6 50.3 5.3 2.5 .0 1 .0 .6 13.4 27.4 44.0 14.6 2 .4 2.6 26.0 28.6 33.1 9.3 3 1.3 9.5 42.1 23.3 16.4 7.4 4 .9 9.2 44.1 22.7 18.6 4.6 5 1.4 9.5 45.1 26.7 16.9 .5 1 .1 1.4 17.6 27.6 40.1 13.1 2 .3 3.5 27.8 28.4 32.3 7.7 3 .4 3.5 21.8 27.6 35.0 11.7 4 .6 7.5 39.1 28.8 20.8 3.1 5 2.4 15.3 44.8 22.8 13.2 1.6 RP Münster 566 Steinfurt, Kreis 570 Warendorf, Kreis 562 Recklinghausen, Kreis 554 Borken, Kreis 558 Coesfeld, Kreis Lernstand 8 2012 Deutsch, Leseverstehen - Kompetenzniveaus nach neuen Standortypen (in Prozent) 512 Bottrop, kreisfreie Stadt 513 Gelsenkirchen, kreisfreie Stadt 515 Münster, kreisfreie Stadt