LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/10907 27.01.2016 Datum des Originals: 26.01.2016/Ausgegeben: 01.02.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4149 vom 18. Dezember 2015 des Abgeordneten Nicolaus Kern PIRATEN Drucksache 16/10536 Nach der Einigung auf eine europäische Datenschutzreform: Wie will die Landesregierung zum Grundrechteschutz höchste Datenschutzstandards sicherstellen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4149 mit Schreiben vom 26. Januar 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und dem Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach vier Jahren Gesetzgebungsprozess einigten sich das Europaparlament, die EU- Kommission und der Ministerrat am 15. Dezember 2015 auf ein Verhandlungsergebnis zur Datenschutzgrundverordnung (DSGV). Damit rückt ein einheitliches, für alle 28 EU-Staaten geltendes Datenschutzgesetz in greifbare Nähe. Die Datenschutzregeln werden nicht nur für in der EU ansässige Unternehmen, sondern auch für solche, die ihre Hauptniederlassung außerhalb der EU haben, aber hier geschäftlich tätig sind, gelten. Eine Weiterentwicklung des bestehenden Regelwerks stellen die Überwachung der Einhaltung der Regeln durch unabhängige Datenschutzbehörden sowie die wirksamen Sanktionsmöglichkeiten mit Bußgelder für Konzerne in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes dar. Dennoch: Nach allem, was wir über den unter massivem Einfluss von Konzernlobbyisten geschlossenen Deal wissen, wird er nur in Einzelbereichen den Datenschutz stärken, in wichtigen Teilen aber das derzeitige Datenschutzniveau absenken können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10907 2 Neben erfreulich hochwertigen Datenschutzregeln wie beispielsweise bei der Zweckbindung von personenbezogenen Daten gibt es zahlreiche Bereiche, über die das derzeitige Schutzniveau abgesenkt werden könnte. So besteht für Datensammler keine generelle Verpflichtung zur Einholung einer „expliziten Einwilligung“ zur Verarbeitung personenbezogener Daten – in den meisten Kategorien reicht eine „zweifelsfreie Einwilligung“ aus. Zudem scheinen die Regelungen zum „Profiling“ Raum für schwerwiegende Grundrechtsverletzungen zu bieten. Schließlich sind auch die Bestimmungen über die betrieblichen bzw. behördlichen Datenschutzbeauftragten durchwachsen, lassen aber immerhin weitergehende nationale Regeln bei der Bestellung interner Datenschutzbeauftragter zu. Nach der erzielten Einigung, die neben der Datenschutzgrundverordnung auch die Datenschutzrichtlinie für Polizei und Justiz betrifft, geht die Arbeit für die nationalen Gesetzgeber, in Deutschland also die Bundes- wie auch die Landesebene, erst richtig los. Bund und Länder müssen unter anderem die eigenen gesetzlichen Bestimmungen in den Bereichen Polizei und Justiz den Vorgaben aus der entsprechenden EU-Richtlinie anpassen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage zielt darauf ab, die Landesregierung zu Einschätzungen zu einzelnen datenschutzrechtlichen Aspekten der im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Europäischen Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) zu bewegen. Auch wenn es in diesem Prozess im Dezember 2015 zu einer Einigung zwischen den im Trilogverfahren beteiligten Organen Europaparlament, EU-Kommission und Rat der EU über einen künftigen Gesetzestext gekommen sein soll, ist das Gesetzgebungsverfahren bisher nicht offiziell beendet. Es liegt derzeit auch keine autorisierte Gesetzesfassung in deutscher Sprache vor. Von einer Verkündung dieses europäischen Regelwerkes kann daher gegenwärtig nicht gesprochen werden. Mit einem In-Kraft-Treten der EU-DSGVO wird im ersten Halbjahr 2018 gerechnet. 1. „Ist die nordrhein-westfälische Landesregierung der Ansicht, dass mit dem Einigungsergebnis zur Datenschutzgrundverordnung die Grundrechte der Menschen in NRW ausreichend und angemessen geschützt werden können?“ 2. „Wie bewertet die nordrhein-westfälische Landesregierung die im Trilog erzielte Einigung zur Datenschutzgrundverordnung in Hinblick auf die grundsätzliche Erlaubnis zur Erstellung von Verbraucherprofilen (nur mit Widerspruchsrecht und ohne „explizite Einwilligung“ der Betroffenen)?“ 3. „Wie bewertet die nordrhein-westfälische Landesregierung die im Trilog erzielte Einigung zur Datenschutzgrundverordnung in Hinblick auf die Aufgabe des deutschen Verbots der Protokollierung des Surfverhaltens von Nutzern durch Internet- und Medienkonzerne?“ 4. „Wie bewertet die nordrhein-westfälische Landesregierung die im Trilog erzielte Einigung zur Datenschutzgrundverordnung in Hinblick auf die Rolle der Landesdatenschutz-beauftragten, deren Unabhängigkeit und künftigen Sanktionsbefugnisse?“ Die Fragen 1 bis 4 werden gemeinsam beantwortet: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/10907 3 Die Landesregierung sieht grundsätzlich davon ab, insbesondere die Entwürfe supranationaler Normen im laufenden Gesetzgebungsverfahren in allen Einzelheiten abschließend zu bewerten. Auch das vorliegende Gesetzgebungsverfahren zum Erlass der EU-DSGVO ist - wie ausgeführt - noch nicht beendet. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass mit Inkrafttreten der EU-DSGVO beispielsweise Schutzlücken für Verbraucherinnen und Verbraucher in den Bereichen Scoring oder Profiling entstehen. Die Landesregierung wird sich hier auf EU-Ebene auch weiterhin für eine Stärkung des Verbraucherschutzes in der digitalen Welt einsetzen, beispielsweise im Zusammenhang von Rechtsetzungsvorschlägen, die Teil der Strategie der Europäischen Kommission für einen digitalen Binnenmarkt sind. Dass mit der künftigen Regelung des europäischen Datenschutzrechtes im Wege einer unmittelbar geltenden europäischen Verordnung eine Konzentration der Gesetzgebungszuständigkeit im Interesse der Schaffung allgemeiner europäischer Standards auf der europäische Ebene erfolgt, ist gewolltes Ergebnis der europäischen Rechtsentwicklung. Die Landesregierung sieht sich in der Verantwortung, im Nachgang zu der Verkündung der EU-DSGVO das nordrhein-westfälische Recht, soweit es datenschutzrechtliche Regelungen enthält, auf Konformität mit dem künftigen europäischen Datenschutzrecht zu überprüfen. Hierbei werden nicht nur Bereiche des allgemeinen Datenschutzrechts betroffen sein wie das Datenschutzgesetz NRW. Auch der bereichsspezifische Datenschutz, der in einer Vielzahl von Einzelregelungen niedergelegt ist, wird durch die EU-DSGVO zumindest in Teilen unmittelbar gestaltet werden. 5. „Welche konkreten nächsten Schritte unternimmt die Landesregierung, um die zwar noch offiziell zu verabschiedenden, aber de facto bereits bekannten Vorgaben aus der EU-Datenschutzreform, auch in den Bereichen Polizei und Justiz, umzusetzen?“ Im Bereich der Justiz besteht ein erheblicher Teil der Verfahrensregeln aus bundesrechtlichen Vorgaben; dies betrifft insbesondere die verschiedenen Prozessordnungen und die internationale strafrechtliche Zusammenarbeit. Insofern wird es primär Aufgabe der Bundesregierung sein, diese Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit der Datenschutzgrundverordnung zu überprüfen und ggf. gesetzliche Änderungen zu initiieren. Nach der Veröffentlichung der Rechtsakte wird die Landesregierung den erforderlichen Anpassungsbedarf bei bestehenden Landesgesetzen auch in den Bereichen Polizei und Justiz überprüfen. Sofern eine Änderung von Landesgesetzen notwendig wird, wird eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht werden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/10907