LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 03.02.2016 Datum des Originals: 03.02.2016/Ausgegeben: 11.02.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 18 der Fraktion der CDU Drucksache 16/10146 Lage und Perspektiven der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Große Anfrage 18 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin , dem Finanzministerium, dem Ministerium für Inneres und Kommunales, dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, dem Justizministerium, dem Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, dem Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, dem Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung, dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend , Kultur und Sport, dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter und dem Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 2 Vorbemerkung der Großen Anfrage In Deutschland wie in Europa wächst der „Markt“ für freiberufliche Dienstleistungen. Allein in Deutschland sind knapp 5 Millionen Menschen in den Freien Berufen tätig. Die Freien Berufe sind ein zentraler Bestandteil des Mittelstandes in Deutschland. Der Arbeitsmarkt in den Freien Berufen ist zudem weit weniger konjunkturabhängig als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Zu den tragenden Grundprinzipien der Freiberuflichkeit zählen die Gemeinwohlorientierung, der hohe Qualitätsmaßstab und der Zuschnitt der freiberuflichen Dienstleistungen auf den Einzelfall . Dabei kennzeichnet die freiberufliche Dienstleistung, dass sie im Bereich der höchstpersönlichen Rechtsgüter erbracht wird und damit qualitätssichernde Maßnahmen gleichsam dem Schutz dieser Güter dienen. All dies unterscheidet sie von standardisierten industriellen Prozessen und Gütern. Konsequenterweise unterscheidet sich daher auch der Rechtsrahmen für den Berufszugang und die Berufsausübung in den Freien Berufen von anderen Bereichen der Wirtschaft. Die Selbstverwaltung aus berufsständischen Kammern und Verbänden der Freien Berufe und die Berufsrechte sind von systemischer Bedeutung. Insbesondere stehen dabei Prinzipien wie Fremdkapitalregelungen, Honorar- und Gebührenordnungen und Vorgaben für die Rechtsform freiberuflicher Einheiten im Fokus. Die freien Berufe stehen heute vor vielfältigen Herausforderungen. So stellt der demographische Wandel zunehmend die flächendeckende Versorgung mit freiberuflichen Dienstleistungen im ländlichen Raum in Frage. Insbesondere medizinischen und bautechnischen Berufen droht Fachkräftemangel. Die Versorgungssysteme der Freien Berufe geraten durch aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unter Druck. Die Europäische Kommission sieht zudem durch die konkrete Ausgestaltung des Systems der Freien Berufe in Deutschland eine Behinderung des EU-Binnenmarktes und verlangt entsprechende Veränderungen. Schließlich wird die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft massive Auswirkungen auf die Erbringung freiberuflicher Dienstleistungen haben. Vorbemerkung der Landesregierung Hiermit antwortet die Landesregierung auf die Große Anfrage 18 zur Bedeutung der Freien Berufe. Übergreifend zu allen folgenden Antworten hebt sie hervor, dass sie die Bedeutung der Freiberufler für eine prosperierende Wirtschaft, aber auch für eine intakte und zukunftsfähige Gesellschaft ausdrücklich anerkennt. Aus dieser Perspektive heraus wurde die Große Anfrage 18 von der Landesregierung aufgenommen und bearbeitet. Für den Inhalt der einzelnen Antworten gilt, dass es kein einheitliches (amtliches) statistisches Erfassungssystem für die Freien Berufe gibt, auf das für die Beantwortung der Großen Anfrage 18 unmittelbar zurückgegriffen werden konnte. Es ist anzunehmen, dass der Nachteil des unzureichenden statistischen Gesamtbildes insofern mit einem Vorteil für die Freien Berufe verbunden ist, als dass diese nicht mit einem entsprechenden Aufwand für die Erfassung von Zahlen belastet werden. Vor diesem Hintergrund gilt für die Beantwortung der Großen Anfrage 18, dass Daten aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen wurden. Wegen der für die Beantwortung der Anfrage geltenden Fristen wurde dabei auf Material zurückgegriffen, über das die Ressorts der Landesregierung unmittelbar verfügen oder das sie mit einem begrenzten Aufwand aus LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 3 externen Quellen abrufen können. Daher konnte bis auf Tabelle 4 keine geschlechterdifferenzierte Auswertung erfolgen. Generell gilt, dass über den angefragten Zeitraum 1991 bis 2014 Berufsbezeichnungen und Wirtschaftsklassen geändert wurden, so dass die erhobenen Daten nicht in Gänze vergleichbar sind. Darüber hinaus ist es von Bedeutung, dass – sieht man von den Katalogberufen laut Einkommensteuergesetz und Partnerschaftsgesetz einmal ab – die Zuordnung einzelner Erwerbstätigkeiten zu den Freien Berufen nicht immer eindeutig ist. Das zeigt sich z.B. für die Kreativwirtschaft , die laut Definition der Wirtschaftsministerkonferenz von 2008 folgende Teilbranchen umfasst: Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Markt für darstellende Künste, Architekturmarkt, Designwirtschaft, Pressemarkt, Werbemarkt und die Software-/Games-Industrie. Von diesen ist die Berufsgruppe der Architektinnen und Architekten eindeutig den Katalogberufen zuzuordnen. Zu den Freiberuflern zählen darüber hinaus aber auch zahlreiche andere Angehörige kreativer Disziplinen, sofern sie nicht gewerblich tätig sind. Die Zahl der Freiberufler in der Kreativwirtschaft ist in Nordrhein-Westfalen nicht erfasst. I. Bedeutung der freien Berufe für Wirtschaft und Gesellschaft 1. Wie hat sich die Anzahl der selbständigen Freiberufler in Nordrhein-Westfalen von 1991 bis 2014 entwickelt (bitte getrennt nach Berufen auflisten)? Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Anzahl der Freiberufler zu den jeweiligen Stichtagen 1. Januar 1991, 2006 und 2015, sowie zum Wachstum zwischen 1991 und 2015. Demnach hat sich die Anzahl der freiberuflichen Existenzen in dem Zeitraum um rund die Hälfte erhöht, wobei sich für einzelne Berufe deutliche Unterschiede zeigen: Bei den Apothekerinnen und Apothekern ist als einziger Gruppe ein Rückgang festzustellen, während sich bei den anderen Heilberufen ein z.T. sehr starker Zuwachs ergibt. Bemerkenswert ist ebenfalls der große Zuwachs bei einzelnen beratenden sowie bei technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. „Spitzenreiter“ sind die Personen in den freien Kulturberufen, deren Anzahl sich mehr als verdreifacht hat. Tabelle 1: Anzahl der selbstständigen Freiberufler in Nordrhein-Westfalen Berufe 01.01.1991 01.01.2006 01.01.2015 Entwicklung 1991-2015 Ärztinnen und Ärzte 18.221 26.200 25.728 41,2% Zahnärztinnen und Zahnärzte* 7.909 11.026 10.430 31,9% Tierärztinnen und Tierärzte** 1.126 1.807 2.053 82,3% Apothekerinnen und Apotheker 4.897 4.701 3.625 -26,0% andere Freie Heilberufe*** 9.900 18.000 37.800 281,8% Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte 13.257 24.000 27.850 110,1% Patentanwältinnen und Patentanwälte 177 368 532 200,6% Nur-Notarinnen und Nur-Notare 287 315 306 6,6% Steuerberatende/-bevollmächtigte 12.100 14.075 15.941 31,7% Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer 1.224 1.813 1.824 49,0% LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 4 Berufe 01.01.1991 01.01.2006 01.01.2015 Entwicklung 1991-2015 Vereidigte Buchprüferinnen und -prüfer 616 1.061 819 33,0% andere wirtschaftsberatende Freie Berufe *** 7.700 18.000 32.900 327,3% Architektinnen und Architekten 8.744 11.491 10.660 21,9% Andere freiberuflich tätige Ingenieurinnen und Ingenieure*** Nicht erfasst 10.000 15.900 beratende Ingenieurinnen und Ingenieure **** 1.943 2.508 2.311 18,9% Andere technische und naturwissenschaftliche Freie Berufe*** 4.900 10.000 18.600 279,6% Freie Kulturberufe***** 15.000 29.300 66.900 346,0% Summe 108.001 184.665 274.179 153,9% Quelle: Institut für Freie Berufe, Nürnberg (Berufsorganisationen, ABDA, IT.NRW, Mikrozensus) * Stand 31.12.2013 **Vorläufige Zahlen für 2006 ***Geschätzt u.a. auf Grundlage des Mikrozensus verschiedener Jahrgänge **** Ausgewiesene Pflichtmitglieder der Landeskammer NRW, Spalte 1991: Stand 1.1.1995 ***** Geschätzt u.a. auf Grundlage des Mikrozensus und Angaben der KSK versch. Jahrgänge 2. Wie hat sich der Anteil der Freiberufler an den Selbständigen in Nordrhein-Westfalen von 1991 bis 2014 entwickelt? Die Bedeutung der Freiberufler in der nordrhein-westfälischen Wirtschaft hat sowohl absolut entsprechend der zahlenmäßigen Anzahl wie auch relativ im Verhältnis zur (ebenfalls gewachsenen ) Gesamtzahl der Selbstständigen zugenommen. Tabelle 2: Selbstständige insgesamt und Selbstständige in Freien Berufen Nordrhein- Westfalens Jahr 1991* 2003 2014 Selbstständige insgesamt 617.000 698.000 818.000 Selbstständige in Freien Berufen 108.000 165.000 274.000 Anteil Freie Berufe 17,5% 23,6% 33,5% Quelle: Institut für Freie Berufe, Nürnberg, z.T. geschätzt (IT.NRW, Berufsorganisationen, ABDA) * Selbstständige in Freien Berufen 1.1.1990 3. Wie hat sich die Anzahl der angestellten Freiberufler (z.B. Syndikusanwältinnen und -anwälte) in Nordrhein-Westfalen von 1991 bis 2014 entwickelt (bitte getrennt nach Berufen auflisten)? Es liegt keine umfassende statistische Erhebung für die angestellten Freiberufler vor. Ähnliches gilt auch für Teilgruppen. So wird beispielsweise die Anzahl der Rechtsanwältinnen und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 5 Rechtsanwälte, die sich in einem Anstellungsverhältnis befinden, von der Justizverwaltung nicht erfasst. Positiv hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bereich der planenden Berufe entwickelt. Für die im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen und Ingenieure kann festgestellt werden, dass sich der seit 2006 kontinuierliche Rückgang der Arbeitslosigkeit fortgesetzt hat. Es besteht die Erwartung, dass sich diese Entwicklung angesichts der zunehmenden Investitionen der öffentlichen Hand in die Infrastruktur sowie mittelbar im Wohnungsbau fortsetzen kann. Im Bereich der im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen und Ingenieure steht die Entwicklung damit einem sich abzeichnenden Negativtrend für andere Ingenieurgruppen wie z.B. für die Bereiche der Industrie, Forschung und Entwicklung, Maschinenbau, Betriebstechnik , Energietechnik, Mechatronik und Automatisierungstechnik entgegen. Hier hat die Arbeitslosigkeit in den vergangenen drei Jahren überdurchschnittlich zugenommen. Notarinnen und Notare üben ein ihnen verliehenes Amt aus. Dabei sind sie stets selbstständig und nie in einem Anstellungsverhältnis tätig. 4. Wie hat sich die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei Freiberuflern (z.B. medizinische Fachangestellte) von 1991 bis 2014 entwickelt (bitte getrennt nach Berufen auflisten)? Die Tabelle 3 gibt einen Überblick über die verfügbaren Daten zur Anzahl der Beschäftigten der Freien Berufe für die Jahre 1991, 2006 und 2014. Unter anderem deshalb, weil es verschiedene Freie Berufe in 1991 noch nicht gab und daher für dieses Jahr die Tabelle unvollständig ist, wird die Veränderung nur für den Zeitraum 2006 bis 2014 ermittelt. Auffällig ist zunächst der starke Rückgang der Beschäftigten bei den Unternehmens- und PR- Beraterinnen und -beratern, was auf einen Konzentrationsprozess zumindest in Teilbereichen dieser Branche schließen lässt. Bei den Freiberuflern in der Hardware- und Softwareberatung sowie in der Forschung und Entwicklung zeigt sich, dass hier neue Freie Berufe im Strukturwandel der Wirtschaft kurzfristig eine wichtige Bedeutung eingenommen haben. Tabelle 3: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte der Freien Berufe nach Wirtschaftsklassen in Nordrhein-Westfalen Wirtschaftsklasse 01.01.1991 30.06.2006 30.06.2014 Veränderung 2006-2014 Freiberufliches Gesundheitswesen; Apotheken 98.795 174.291 202.200 16,0% Freiberufliches Veterinär- und Sozialwesen 42.475 68.200 60,6% Rechtsberatung 25.103 31.781 35.370 11,3% Wirtschaftsprüfung u. Steuerberatung 51.338 60.957 18,7% Markt-und Meinungsforschung 2.275 3.036 33,5% Unternehmens- u. Public-Relationsberatung* 49.025 34.959 -28,7% Forschung und Entwicklung* 28.850 42.529 47,4% Techn., phys. u. chem. Untersuchung 3.177 14.034 15.100 7,6% Hardware-und Softwareberatung* 54.649 78.635 43,9% Architektur-und Ingenieurbüros 73.090 64.817 73.239 13,0% Erwachsenenbildung und Unterricht; Schulen 30.170 31.817 5,5% LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 6 Wirtschaftsklasse 01.01.1991 30.06.2006 30.06.2014 Veränderung 2006-2014 Künstlerische, schriftstellerische, unterhaltende Tätigkeiten und Darbietungen 4.964 6.098 22,8% Sonstige freiberufliche Dienstleistungen 29.384 13.343 -54,6% Summe 578.053 665.483 15,1% Quellen: Institut für Freie Berufe, Nürnberg (Bundesagentur für Arbeit) *Keine Differenzierung nach Freiberuflern und gewerblich Tätigen möglich 5. Wie hat sich die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse bei Freiberuflern von 1991 bis 2014 entwickelt (bitte getrennt nach Berufen auflisten)? Die Entwicklung der Gesamtzahl der neuen Ausbildungsverhältnisse in den Freien Berufen ab 1993 (für den Zeitraum davor sind keine vergleichbaren Daten vorhanden) präsentiert Tabelle 4. Demnach ist die Zahl der Abschlüsse bei starken Schwankungen zwischen 1993 und 2014 um ca. 31 Prozent von 14.253 auf 9.759 gesunken. Tabelle 4: Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen in den Freien Berufen insgesamt (Nordrhein-Westfalen) Jahr Neuabschlüsse insgesamt Männer Frauen 1993 14.253 843 13.410 1994 13.407 750 12.657 1995 13.068 669 12.399 1996 12.729 645 12.084 1997 12.774 579 12.195 1998 12.378 609 11.769 1999 12.327 579 11.751 2000 13.077 642 12.435 2001 13.362 612 12.750 2002 13.047 636 12.408 2003 11.994 585 11.406 2004 11.205 618 10.587 2005 10.572 468 10.104 2006 10.161 543 9.618 2007 10.287 594 9.693 2008 10.440 567 9.873 2009 9.918 573 9.345 2010 9.984 579 9.405 2011 9.780 612 9.171 2012 10.026 660 9.366 2013 10.092 738 9.354 2014 9.759 690 9.069 Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 7 Es sind keine Daten für die Breite der Ausbildungsberufe vorhanden. Tabelle 5 gibt einen Überblick über die Entwicklung bei den medizinischen- sowie den steuer- und rechtsberatenden Berufen zwischen 2006 und 2014. Der eingangs dargestellte Trend wird hier branchenübergreifend bestätigt. Bis zum Jahr 2014 war eine zum Teil nicht unerhebliche Abnahme der Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge festzustellen. Tabelle 5: Entwicklung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse in den Freien Berufen nach Berufsgruppen 2006 bis 2014 (Nordrhein-Westfalen) Berufsgruppe 30.09.2006 31.12.2014 Veränderung Medizinische/r Fachangestellte/r 3377 3432 1,6% Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r 2652 2451 -7,6% Pharmazeutisch- Kaufmännische/r Angestellte/r 510 339 -33,5% Tiermedizinischer/r Fachangestellte/r 424 564 33,0% Rechts-, Patentanwaltsund Notarfachangestellte /r 1931 1482 -23,3% Steuerfachangestellte/r 1304 1488 14,1% Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung 6. Wie hat sich der von den freien Berufen erwirtschaftete Anteil am Bruttoinlandsprodukt in Nordrhein-Westfalen von 1991 bis 2014 entwickelt (bitte getrennt nach Berufen auflisten)? Hierzu können keine Daten vorgelegt werden. Die Bundesregierung gibt auf der Grundlage der Zahlen des Jahres 2009 an, dass etwa jeder zehnte Euro in Deutschland von einem Angehörigen der Freien Berufe erwirtschaftet wurde.1 7. Wie schätzt die Landesregierung aktuell die wirtschaftliche Situation der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen ein (bitte getrennt nach Berufen auflisten)? Für die Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen liegen keine eigenen einschlägigen Daten vor. Unter der Annahme, dass sich die wirtschaftliche Lage in den Freien Berufen in den einzelnen Bundesländern nicht wesentlich unterscheidet, wird deshalb auf die Konjunkturumfrage 2015 des Bundesverbands der Freien Berufe verwiesen.2 Demnach ist die Lage der Freien Berufe als „ausgesprochen positiv“ zu bewerten; sie stellt sich besser als in der Gesamtwirtschaft dar. 86,3 Prozent der befragten Freiberufler schätzen die eigene wirtschaftliche Position als gut oder befriedigend ein. Es gibt dabei starke Unterschiede, die im Vergleich zu den Vorjahren jedoch weniger ausgeprägt sind. 1 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Bericht der Bundesregierung zur Lage der Freien Berufe, Berlin 2013, S. 19. 2 Vgl. Bundesverband der Freien Berufe: BFB-Konjunkturumfrage 2015, Berlin 2015, S. 3 f. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 8 Die Tabelle 6 gibt einen Überblick zur Einschätzung der aktuellen Geschäftslage einzelner Gruppen der Freien Berufe. Tabelle 6: Einschätzung der aktuellen Geschäftslage nach Berufsgruppen der Freien Berufe in Deutschland (in Prozentanteil für jeden Beruf) Berufsgruppe Gut Befriedigend Schlecht Heilberufe 39,5 45,7 14,4 Rechts-, steuer- und wirtschaftswissenschaftliche Berufe 50,5 40,7 8,8 Technisch-naturwissenschaftliche Berufe 56,0 32,2 9,8 Kulturelle Berufe 42,4 36,5 21,1 Insgesamt (alle Berufe) 46,6 39,7 13,7 Quelle: Bundesverband der Freien Berufe: BFB-Konjunkturumfrage 2015, Berlin 2015, S. 2. Für einzelne Gruppen der Freien Berufe liegen die folgenden Informationen vor: Für die Freien Berufe, die der Kreativwirtschaft zuzurechnen sind, lässt sich folgende Aussage treffen: Die Produkte und Dienstleistungen der Kultur- und Kreativwirtschaft finden in Nordrhein -Westfalen eine hohe Nachfrage. Die Branche ist ein wichtiger volkswirtschaftlicher Faktor und Impulsgeber für die gesamte Wirtschaft des Landes. Die Branche profitiert dabei vom großen regionalen Absatzmarkt, der räumlichen und strukturellen Nähe zu einer starken Industrieregion und den urbanen Ballungsräumen mit einer ökonomischen wie kulturellen Vielfalt . Eine im Mai und Juni 2015 unter den abhängig beschäftigten Mitgliedern der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass die in Vollzeit tätigen angestellten Architektinnen und Architekten in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2014 im Mittel 54.000 Euro verdient haben.3 Differenziert nach Art des Arbeitgebers zeigt sich, dass Angestellte in Architektur- und Planungsbüros mit 44.000 Euro signifikant weniger verdienen als die Angestellten im öffentlichen Dienst (60.000 Euro) bzw. in der gewerblichen Wirtschaft (65.474 Euro). Nordrhein-Westfalen belegt damit im Vergleich der 16 Bundesländer den vierten Platz. Eine ebenfalls von der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen durchgeführte Strukturuntersuchung zur Situation der freischaffenden Mitglieder aus dem Jahr 2014 zeigt, dass 60 Prozent der befragten Büros auf ein sehr gutes oder gutes Geschäftsjahr 2013 zurückblickten. Die Erwartungen für das Gesamtjahr 2014 fielen ähnlich positiv aus. Der Pro-Kopf-Umsatz nordrhein-westfälischer Architektur- und Planungsbüros lag im Jahr 2013 im Mittel bei 56.000 Euro (Median). In Ein-Personen-Büros lag der Umsatz je Einzelunternehmer im Mittel bei 49.000 Euro. In Büros mit zwei bis vier tätigen Personen betrug er 53.000 Euro, Büros mit fünf bis neun tätigen Personen setzten im Jahr 2013 im Mittel rund 65.400 Euro je Inhaber bzw. Mitarbeiter um. Im Vergleich zum Berichtsjahr 2006 ist der mittlere Pro-Kopf-Umsatz von 46.000 Euro in 2006 über 51.000 Euro in 2008 und 54.000 Euro in 2011 auf aktuell 56.000 Euro gestiegen. Nach den Ergebnissen einer aktuellen Umfrage des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) hat sich die Stimmung bezüglich des Geschäftsklimas unter den freischaffenden Architektinnen und Architekten in Nordrhein‐Westfalen im dritten Quartal 2015 aufgehellt. Allerdings war das Geschäftsklima weiterhin ungünstiger als im Durchschnitt aller 16 Bundesländer. 3 Diesen und den folgenden Ausführungen liegen Informationen der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zugrunde. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 9 Rund 40 Prozent der Befragten bezeichneten ihre Auftragslage als „gut“. Über 25 Prozent der Befragten rechnen allerdings hinsichtlich ihrer Geschäftsaussichten mit einer „eher ungünstigeren “ Entwicklung in den nächsten sechs Monaten. Gemessen an den gesamtdeutschen Auftragspolstern (6,3 Monate) ist die Auftragslage in Nordrhein‐Westfalen weiterhin als unterdurchschnittlich einzustufen. Die wirtschaftliche Situation der im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen und Ingenieure stellt sich regional unterschiedlich dar.4 Der Arbeitsmarkt für im Bauwesen tätige Ingenieure folgt dabei im Wesentlichen den Gesetzmäßigkeiten und Verteilungsmustern des heterogenen Wirtschaftsraums Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen korreliert die Arbeitsplatzdichte nicht nur mit der Zahl der Unternehmen , sondern auch in besonderer Weise mit der Leistungserbringung im Dienstleistungsbereich . Insbesondere profitieren die Metropolregion der Rheinschiene sowie etwa die Solitäre Münster und Bielefeld von einer hohen Anzahl von Dienstleistungserbringern mit einer hohen Produktivität. Die Dienstleistungserbringung in unterschiedlichen Sparten dominiert die Wirtschaftskraft dieser Regionen. Demgegenüber fällt der Anteil freiberuflicher Leistungen an der Wirtschaftskraft Nordrhein- Westfalens in anderen Regionen ab und orientiert sich im Wesentlichen am Landesdurchschnitt . Sie kann aber auch in Regionen, die schwerpunkthaft durch produzierendes Gewerbe geprägt sind (z.B. Märkischer Kreis, Kreis Olpe), unter dem Landesdurchschnitt liegen. Als weitere wesentliche Indikatoren für die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation bei den im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen und Ingenieuren in Nordrhein-Westfalen können die Umsatzzahlen je Büro herangezogen werden: Gemessen an der Umsatzentwicklung der vergangenen zehn Jahre ergibt sich dabei auf der Basis der Umsatzsteuerstatistik seit 2014 eine deutlich positive Entwicklung. Während der Umsatz zwischen 2011 bis 2013 bundesweit bei 41,5 Mrd. Euro relativ stagnierte, ergibt sich für die Jahre 2014 bis 2015 eine Umsatzsteigerung . Bezogen auf die einzelnen Berufsgruppen innerhalb der im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen /Ingenieuren fielen diese Umsatzsteigerungen unterschiedlich aus. Während insbesondere Ingenieurbüros mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in der bautechnischen Gesamtplanung und in noch größerem Umfang Ingenieurbüros für technische Fachplanung und Ingenieurdesign überdurchschnittliche Umsatzerhöhungen erzielen konnten, fielen die Umsatzzuwächse im Bereich der Vermessungsbüros oder sonstiger im Bauwesen tätiger Büros deutlich geringer aus. Insgesamt erwartet die Ingenieurkammer Bau auch für Nordrhein-Westfalen eine Fortsetzung des positiven Trends mit einer positiven Entwicklung der öffentlichen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in den Wohnungsbau. Sie geht davon aus, dass die kommunalen Investitionen , von denen die lokal ansässigen Planungsbüros besonders profitieren, ungleich verteilt bleiben. Entsprechend würden sich dadurch regionale Disparitäten zwischen den Regionen weiter verstärken. Zur wirtschaftlichen Situation der Freien Heilberufe liegen der Landesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Dem Bericht der Bundesregierung zur Lage der Freien Berufe aus April 2013 ist zu entnehmen, dass im Jahr 2010 die durchschnittlichen steuerbaren Umsätze pro steuerpflichtige Person bei einer Apotheke 2.107.000 Euro, einer zahnärztlichen Praxis 436.000 4 Diesem und folgendem liegt ein Bericht der Ingenieurkammer Bau Nordrhein-Westfalen zugrunde. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 10 Euro, einer ärztlichen Praxis 305.000 Euro, einer Praxis von psychologischen Psychotherapeuten 135.000 Euro und einer Heilpraktikerpraxis 99.000 Euro betrugen. Schlüsse auf Einkommensverhältnisse können daraus nicht gezogen werden. Laut Bericht der Bundesregierung lagen im Jahre 2007 die durchschnittlichen Einkünfte einer Zahnärztin / eines Zahnarztes bei 122.000 Euro, einer Ärztin / eines Arztes bei 105.000 Euro und einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers bei 16.000 Euro. 8. Durch welche Merkmale unterscheiden sich die Freien Berufe von anderen Wirtschaftsbereichen ? Abgrenzende Merkmale von anderen Wirtschaftsbereichen sind vor allem inhaltliche Kriterien der Berufsausübung in den Freien Berufen. Das sind die besondere berufliche Qualifikation bzw. schöpferische Begabung, die persönliche und eigenverantwortliche fachliche Dienstleistungserbringung sowie die unmittelbare Bindung an die Interessen des Auftraggebers und der Allgemeinheit (§ 1 Abs. 2 Satz 1 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes). Konstituierend für einen Freiberufler ist weiterhin die enge Verknüpfung zwischen persönlicher Ausbildung und beruflicher Selbstständigkeit. Die Besonderheiten der Freien Berufe schlagen sich in speziellen gesetzlichen Regeln des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes nieder. § 1 Absatz 2 Satz 2 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes und zusätzlich § 18 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes enthalten Kataloge von freiberuflichen Tätigkeiten, die nicht abschließend sind. Die Freien Berufe unterliegen nicht der Gewerbeordnung, sind deshalb von der Gewerbemeldung befreit und zahlen keine Gewerbesteuer. 9. Inwiefern bieten die freien Berufe mit ihren Dienstleistungen nach Auffassung der Landesregierung einen Mehrwert für die Gesellschaft? Die Freien Berufe erbringen ein Dienstleistungsangebot für wesentliche Kernbereiche unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Von zentraler Bedeutung ist dabei die kompetente persönliche Leistungserbringung für individuelle Erfordernisse unter Beachtung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen. Als Beispiele sollen hier nur der Beitrag der Freien Berufe zur Rechtsfindung und Rechtsentwicklung, zur Schaffung konstruktiver Lösungen in Bau und Technik sowie zur gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung genannt sein. Diese machen deutlich , dass die Freien Berufe wesentliche Beiträge für die Fortentwicklung der Wirtschaft wie auch für den allgemeinen Wohlstand liefern. Der Mehrwert der Freien Berufe liegt hierbei darin, dass sie nicht nur Einkommen und Beschäftigungsmöglichkeiten für den eigenen Wirtschaftsbereich schaffen, sondern zudem einen Mehrwert dadurch generieren, dass sie mittels Beratungsleistungen und weiteren Diensten wirtschaftliche Potenziale in anderen Sektoren aktivieren . Diese „Mehrwertfunktion“ der Freien Berufe ist gegenwärtig von besonderer Bedeutung, da sich Wirtschaft und Gesellschaft in einem starken Umbruch befinden. Stichworte sind die Globalisierung und die Digitalisierung, der demographische Wandel und der Fachkräftemangel. Hier müssen Probleme und Lösungswege neu gedacht, tradierte Handlungsmuster z.T. radikal verändert werden. Es ist zu erwarten, dass die Freien Berufe hier branchenübergreifend Initiator für Veränderungsprozesse werden. Dabei treten u.a. die Freiberufler der Kreativwirtschaft hervor, die wichtige Partner anderer Branchen entlang einer gesamten Wertschöpfungskette sind. Leistungen aus der Kreativwirtschaft reichen von der Ideenfindung über das Design bis zu den Vermarktungsprozessen ihrer Kunden. In dieser Weise trägt die Branche dazu bei, die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 11 Innovationskraft der gesamten Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu stärken. Innovativ ist die Kreativwirtschaft auch bei der Entwicklung neuer Arbeitsformen oder im Bereich der Gesundheitswirtschaft , z.B. wenn Designer nutzerfreundliche Anwendungen in der Medizintechnik entwickeln. Von ebenfalls großer Bedeutung sind die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Notarinnen und Notare als unabhängige Organe der (vorsorgenden) Rechtspflege. Das Recht bildet den äußeren Rahmen, ohne den ein geordnetes gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben nicht möglich ist. Durch die Rechtsanwendung und Rechtsverteidigung leisten die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ebenso wie die Notarinnen und Notare einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung und Festigung dieser Grundstruktur. Große Bedeutung könnte in diesem Zusammenhang die in den letzten Monaten stark angestiegene Zuwanderung insbesondere von Flüchtlingen, die einer Integration bedürfen, gewinnen . Die staatlichen Stellen wie die Träger des Ehrenamtes erfahren hier Grenzen ihrer Leistungs - und Einsatzfähigkeit. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob hier die Freien Berufe aufgrund ihrer persönlichen Dienstleistungsperspektive Aufgaben in Ergänzung zu den bereits stark geforderten Behörden und privaten Träger erkennen und mit Leistungsangeboten ausfüllen. Insbesondere wird es die medizinischen Dienstleistungen betreffen. II. Perspektiven der Freien Berufe 10. Inwieweit sieht die Landesregierung Wachstumschancen für die Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen? 11. Wie bewertet die Landesregierung die Auffassung, dass das Wachstum in den Freien Berufen anderen Gesetzmäßigkeiten als in den übrigen Wirtschaftsbereichen folgt? Antwort zu den Fragen 10 und 11: Sieht man einmal z.B. von den Freien Berufen im Bereich der Pflege und Gesundheit ab, wo ein längerfristiger Wachstumstrend durch das zunehmende Durchschnittsalter der Bevölkerung angelegt zu sein scheint, hängen die Wachstumschancen für die Freien Berufe wesentlich davon ab, dass sich das wirtschaftliche Umfeld dynamisch entwickelt und einen produktiven Beitrag von den vielfältigen Freiberuflern einfordert. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Freien Berufe grundsätzlich den gesamtwirtschaftlichen Wachstumsgesetzmäßigkeiten unterliegen und dabei dann den Entwicklungen in den Wirtschaftsbereichen und -regionen folgen, mit denen sie besonders verbunden sind. Hinsichtlich der Wirtschaftsbereiche lässt sich eine positive Entwicklung bei einzelnen Dienstleistungen vorhersagen. Die vom Deutschen Anwaltverein in Auftrag gegebene „Zukunftsstudie 2030“ prognostiziert, dass „das Gros der deutschen Bruttowertschöpfung in Zukunft im Dienstleistungssektor“ liegt.5 Eine besonders dynamische Entwicklung wird u.a. für die Unternehmensdienstleistungen einschließlich der Rechtsdienstleistungen vorausgesagt. Vor diesem Hintergrund bestehen realistische Wachstumschancen. Voraussetzung für ein breites 5Vgl. Gramke, Kay; Iris Pfeifer: Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030. Eine Zukunftsstudie für die deutsche Anwaltschaft“, Deutscher Anwaltverein e.V., Prognos AG, Berlin 2013. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 12 und nachhaltiges Wachstum ist allerdings, dass die Herausforderungen, die sich aus gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben (z.B. demographischer Wandel), frühzeitig angegangen werden und der berufsrechtliche Rahmen nicht zusätzliche Erschwernisse bringt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Wachstumschancen sind die Gründungszahlen bei den Freien Berufen ein wichtiger Indikator dafür, wo Freiberufler Potenziale sehen und wo die Zunahme freiberuflicher Existenzen deren wirtschaftliche Bestandsfähigkeit dokumentiert. Angesichts der Gründungsintensitäten sind die Wachstumschancen der Freien Berufe in Nordrhein -Westfalen als sehr positiv einzuschätzen. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM)6 weist für 2014 nach, dass von den bundesweit 81.100 freiberuflichen Gründungen mit 21.700, d.h. rund 27 Prozent überproportional viele auf Nordrhein-Westfalen entfielen (der Anteil war z.B. deutlich größer, als der nordrhein-westfälische Bevölkerungsanteil). Bei der Gründungsintensität (Anzahl freiberuflicher Gründungen bezogen auf 10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter) belegt Nordrhein-Westfalen hinter den Stadtstaaten Berlin und Hamburg Platz 3, somit den ersten Platz der Flächenländer. Die positive freiberufliche Gründungsentwicklung in Nordrhein-Westfalen belegt, dass die regionale Anbindung der Existenzen einen wahrnehmbaren Einfluss auf deren Entwicklungsbedingungen hat: Nicht die Zahl der Einwohner in einer Stadt oder Region bildet die Grundlage für eine freiberufliche Entwicklungsdynamik, sondern deren Besatz mit dem Sitz großer Unternehmen (und deren Zentralen), Regierungen, Verwaltungseinrichtungen und sonstigen herausragenden öffentlichen und privaten Einrichtungen (z.B. für Forschung, Medien, Kultur) sowie deren Nachfrage nach Dienstleistungen. Hier erhalten Großstädte eine besondere Bedeutung . Entsprechend verzeichnet das IfM in der Liste der 20 größten deutschen Großstädte 10 aus Nordrhein-Westfalen. Auf den Plätzen 1, 2 und 4 der Liste stehen Bonn, Köln und Düsseldorf ; insgesamt ist eine besondere Bedeutung der Rhein-Ruhr-Schiene festzustellen. Die besondere Bedeutung der regionalen Anbindung zeigt sich z.B. bei den Ingenieurberufen. Siehe dazu die Antwort auf die Fragen 7 und 16. 12. Inwieweit fördert die Landesregierung den Leistungs- und Qualitätswettbewerb? Ein großes Kennzeichen der Freien Berufe ist, dass diese mit fachlicher Kompetenz persönliche Dienstleistungen erbringen, die sowohl die Interessen der sie beauftragenden Personen wie auch rechtliche Rahmenbedingungen beachten. Deshalb stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Freien Berufe trotz der marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen einem unbedingten Wettbewerb unterliegen sollten. Stattdessen erscheint es als sinnvoll, einen Leistungsund Qualitätswettbewerb innerhalb gesetzter Standards zu fördern. Dieser qualitätsgebundene Wettbewerb wird insbesondere durch die Gründungsförderung betrieben (siehe Abschnitt III), da nachwachsende freiberufliche Existenzen die bestehenden Strukturen mit innovativen Ansätzen ergänzen und damit das vorhandene Angebot im Rahmen der bestehenden Standards verbessern. Speziell aus der Perspektive des Justizwesens ist die Qualität der Dienstleistung ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Entwicklung des Einzelnen im Wettbewerb. Parallel sind die rechtsuchenden Bürger auf qualitativ hochwertige Rechtsdienstleistungen angewiesen. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Landesregierung, dass der Wahrung eines hohen Qualitätsstandards in den Freien Berufen der Rechtspflege eine große Bedeutung beigemessen wird. 6 Vgl. Kranzusch, Peter; Olga Suprinovic: Freiberufliche Existenzgründungen in Deutschland und seinen Regionen im Jahr 2014, Daten und Fakten Nr. 14 des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn, Bonn 2014. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 13 Schon seit Ende der 1980er Jahre wird in diesem Zusammenhang die Einführung einer Berufspflicht zur Fortbildung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte diskutiert. 1994 wurde eine Fortbildungspflicht in die Bundesrechtsanwaltsordnung aufgenommen, die aber nicht sanktioniert ist. Zuletzt hat die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer die an den Gesetzgeber gerichtete Bitte geäußert, ihr die Satzungskompetenz für die Ausgestaltung einer Fortbildungspflicht zu übertragen. Die Umsetzung dieses Wunsches wird seitens der Landesregierung unterstützt. Auch die zunehmende Zahl an Fachanwaltstiteln sowie an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit einer durch einen Fachanwaltstitel zum Ausdruck kommenden Spezialisierung ist ein Zeichen dafür, dass sich die Berufsträger der Bedeutung der Dienstleistungsqualität bewusst sind. Eine Einflussnahme auf den Leistungs- und Qualitätswettbewerb in dem Sinne, dass etwa ein Ranking-Portal aufgebaut wird (so ein Vorschlag der Boston Consulting Group für das Gesundheitswesen 7), findet nicht statt. Hinsichtlich der Notarinnen und Notare ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass Notarstellen grundsätzlich nur bei einem rechnerisch ermittelten Bedarf ausgeschrieben werden und sich die Amtsausübung der Notarinnen und Notare sodann auch nur auf einen räumlich begrenzten Bereich beschränkt. Ein freier Wettbewerb im engeren Sinn existiert deshalb nicht und wäre auch mit den Aufgaben, die Notarinnen und Notare im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege zu erfüllen haben, nicht zu vereinbaren. Ein wichtiges Instrument zur Förderung des Leistungs- und Qualitätswettbewerbs speziell in der Medien- und Kreativwirtschaft ist der Leitmarktwettbewerb CreateMedia.NRW. Innovative Freiberufler aus den kreativen Berufen können sich mit einer Projektskizze mit dem Ziel am Wettbewerb beteiligen, eine Förderung zu erhalten. Im Zeitraum bis 2020 stehen in Nordrhein- Westfalen 40 Millionen Euro an EU-Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) für den Leitmarkt Medien- und Kreativwirtschaft zur Verfügung. 13. Welche bürokratischen Vorgaben lassen die besonderen Bedürfnisse und Strukturen der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen unberücksichtigt? Der Sinn dieser Frage erschließt sich nicht unmittelbar. Sofern staatlicher Regelungsbedarf festgestellt wird, müssen dieser sowie positive und negative (Bürokratiekosten) Folgen in einem begründbaren Verhältnis stehen. Aus dieser Perspektive reagiert die Landesregierung erst dann, wenn sich ein erkennbarer neuer Regelungsbedarf ergibt. Hierbei räumt sie ein, dass es je nach Interessensgebundenheit einzelner Akteure unterschiedlich hohe Interventionsschwellen gibt. Bei der Klärung der Frage, ob ein Regulierungsbedarf besteht, sollte auch die Möglichkeit einer Selbstregulierung geprüft werden. Die Ausgestaltung z.B. des Berufsrechts der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte obliegt im Wesentlichen der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer . Das ist Ausdruck der Selbstverwaltung der Anwaltschaft. Auf staatlicher Verwaltung beruhende Kosten entstehen insoweit nicht. Der Bundesgesetzgeber gibt - neben den Zugangsvoraussetzungen für den Beruf - lediglich den bei der Ausübung der Selbstverwaltung zu beachtenden rechtlichen Rahmen vor. Diese Vorschriften wie auch die für die Notarinnen und Notare maßgeblichen Rechtsvorschriften für den Zugang zum Beruf 7 Vgl. Grosch, Benjamin; u.a.: Qualitätswettbewerb. Chancen für Deutschlands Gesundheitssystem, Boston Consulting Group, Berlin 2013. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 14 und dessen Ausübung zielen ausschließlich darauf ab, im gesamtgesellschaftlichen Interesse eine hohe Qualität zu wahren. Den Bedürfnissen und Strukturen der Anwaltschaft bzw. der Notariate wird dabei ebenso Rechnung getragen wie den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine geordnete Rechtspflege. 14. Wie will die Landesregierung die Bürokratiekosten der Freien Berufe bis zum Ende der Legislaturperiode senken? Die Politik der Landesregierung ist darauf ausgelegt, die Bürokratiekosten für die mittelständische Wirtschaft in ihrer Gesamtheit zu senken bzw. deren weitere Erhöhung zu verhindern. Hiervon sollen die Freien Berufe als ein Kernbereich des Mittelstands ebenfalls profitieren. Diesem Ansatz entsprechend wurden die Freien Berufe frühzeitig in die Entwicklung des Mittelstandsförderungsgesetzes eingebunden, mit dem die Clearingstelle Mittelstand geschaffen wurde, die eine Mittelstandsverträglichkeitsprüfung bei neuen mittelstandsrelevanten Gesetzesvorhaben vornimmt. Darüber hinaus wurde ein Mittelstandsbeirat eingesetzt, in dem der Verband der Freien Berufe den von ihm repräsentierten Wirtschaftsbereich vertritt. An dieser Stelle ist selbstverständlich der Hinweis darauf erforderlich, dass ein Großteil der Regulierungen für die Freien Berufe nicht auf der Landesebene, sondern auf Bundesebene entsteht und beispielsweise sensible Fragen wie die des Gesundheitswesens aufgreift. Hier steht die wirtschaftliche Forderung der Bürokratiekostenentlastung in Konkurrenz mit der Regelungsnotwendigkeit der Gesundheitssicherung der Bevölkerung, so dass es keine „einfache Lösung“ geben kann, die einseitig auf die Kostenentlastung der freiberuflichen Wirtschaft abzielt . So sind regulatorische Vorgaben im Bereich der Heilberufe und des GKV-finanzierten Gesundheitswesens hauptsächlich durch Bundesregelungen bedingt. Die gesetzlichen oder durch die Selbstverwaltung aufgestellten Standards dienen zum einen dem Schutz der Patientinnen und Patienten, tragen zum anderen aber auch dazu bei, die hohe Qualität der medizinischen Versorgung weiter aufrecht zu erhalten; sie können daher nicht abgesenkt werden. 15. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um die flächendeckende Versorgung mit freiberuflichen Dienstleistungen gerade auch im ländlichen Bereich für die Kunden , Mandanten und Patienten vor dem Hintergrund des demographischen Wandels sicherzustellen? Für alle Ressorts der Landesregierung gilt grundsätzlich, dass sie für eine umfassende Versorgung der ländlichen Bevölkerung eintreten. Das soll im Folgenden am Beispiel der medizinischen Versorgung demonstriert werden: Die Landesregierung setzt mit einem Förderprogramm zur Stärkung der hausärztlichen Medizin und Versorgung in Nordrhein-Westfalen (Förderrichtlinie für Hausärztinnen und Hausärzte des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter vom 24. November 2011, veröffentlicht im Ministerialblatt 2011, S. 535 - 548) finanzielle Anreize, um die Niederlassung für Hausärztinnen und Hausärzte in ländlichen Regionen attraktiver zu machen und punktuellen Engpässen in der ambulanten hausärztlichen Versorgung entgegen zu wirken. Zwar besteht den Statistiken und Bedarfsplanungszahlen der Kassenärztlichen Vereinigungen zufolge derzeit noch kein rechnerischer Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten, jedoch sind diese nicht immer bedarfsgerecht verteilt. Auch erscheint es realistisch, dass in den kommenden zehn Jahren rund ein Drittel der Hausärztinnen und Hausärzte ihre Praxis aus Altersgründen aufgeben wird. Die finanziellen Niederlassungsanreize sollen somit helfen, dass sich gezielt LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 15 Ärztinnen und Ärzte in Gebieten niederlassen, in denen in Zukunft die Versorgung durch das Ausscheiden von Hausärztinnen und Hausärzten gefährdet sein kann. Hierzu werden aus Landesmitteln bis zu 50.000 Euro als nicht rückzahlbarer Zuschuss gewährt. Die ambulante fachärztliche Versorgung in Nordrhein-Westfalen ist rechnerisch nach Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigungen nahezu flächendeckend von einer Überversorgung im Sinne der Bedarfsplanung nach Sozialgesetzbuch V gekennzeichnet. Die Versorgungsgrade nahezu aller Planungsbezirke und Facharztgruppen liegen derzeit bei mindestens 110 Prozent . Wenn es heute vor Ort, z.B. in ländlichen Regionen, zu Versorgungsproblemen etwa in Form von Wartezeiten im fachärztlichen Bereich kommt, ist dies in erster Linie ein Problem der Verteilung der Vertragsarztsitze innerhalb des Planungsbereiches (Landkreis, größere Stadt). Auch der Trend eingeschränkter Sprechstundenangebote für GKV-Versicherte verbunden mit einem sich ausweitenden Volumen von IGeL-Leistungen und einer Bevorzugung von Privatversicherten dürfte längere Wartezeiten in der originären vertragsärztlichen Versorgung bewirken. Deshalb ergreift die Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt keine gesonderten Maßnahmen, um die fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum zusätzlich zu fördern. Die Landesregierung hat sich seit langem politisch intensiv dafür eingesetzt, dass auf der Honorarebene die Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein-Westfalen die gleiche Honorierung bekommen wie in anderen Bundesländern ("Konvergenz"), um den Standortnachteil für Nordrhein- Westfalen aufzuheben und Anreize für die Niederlassung und die Praxisübernahme in Nordrhein -Westfalen zu setzen. Dass jetzt mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eine Angleichung zum 1. Januar 2017 vorgeschrieben worden ist, ist auch den politischen Vorstößen der Landesregierung zu verdanken. Dass die Angleichung erst so spät kommt und mit Hürden versehen ist, wird bedauert, war aber letztlich nicht zu verhindern. Darüber hinaus setzt sich die Landesregierung bei den Vertragspartnerinnen (Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen) dafür ein, dass diese ihrer Verpflichtung, Regelungen zu angemessenen Wartezeiten in der ambulanten Versorgung zu treffen, nachkommen und damit eine bedarfsgerechte und zeitnahe Versorgung der Patientinnen und Patienten sichern. Nach Auskunft beider Kassenärztlichen Vereinigungen werden diese fristgerecht die vorgeschriebenen Terminservicestellen einrichten. Grundsätzlich geht die Landesregierung davon aus, dass die fortschreitende Digitalisierung gerade auch im ländlichen Bereich neue Versorgungs- und Betreuungsmöglichkeiten schafft (z.B. Stichwort Telemedizin). 16. Wie will die Landesregierung dem drohenden Fachkräftemangel in den Freien Berufen (insbesondere in den Bereichen Ärzteschaft, Apotheken und Ingenieurwesen ) begegnen? Die Freien Berufe sind, wie der Mittelstand insgesamt, von dem drohenden Fachkräftemangel betroffen, der sich – regional unterschiedlich – in vielen, aber noch nicht allen Wirtschaftsbereichen zeigt. So gibt es im Bereich der nordrhein-westfälischen Architektenschaft noch keinen Fachkräftemangel. Mit über 31.000 tätigen Architektinnen und Architekten und Stadtplanerinnen und Stadtplanern in Nordrhein-Westfalen liegt die berufliche Besetzung bereits heute deutlich über den Markterfordernissen. Deutschland insgesamt rangiert mit einer Architektendichte von 1,3 Berufsträgern pro 1.000 Bewohner europaweit (nach Italien) im vorderen Bereich . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 16 Bedingt durch eine hohe und weiter steigende Zahl von Studierenden im Bereich der Architektur , der Innenarchitektur, der Landschaftsarchitektur sowie der Stadtplanung ist ein Fachkräftemangel im Bereich der Architekturberufe auch zukünftig nicht zu erwarten. So ist allein im Zeitraum vom Wintersemester 2007/2008 bis zum Wintersemester 2014/2015 die Zahl der Studierenden an nordrhein-westfälischen Architektur- und Stadtplanerfakultäten um rund 28 Prozent gestiegen. Die Zahl der Studierenden im 1. Fachsemester hat im selben Zeitraum um über 81 Prozent zugenommen. Ergänzt wird diese Entwicklung durch den ebenfalls steigenden Zuzug von Architektinnen und Architekten und Stadtplanerinnen und Stadtplanern aus anderen Bundesländern sowie dem europäischen und dem nichteuropäischen Ausland nach Nordrhein-Westfalen. Für die im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen und Ingenieure kann ebenfalls nicht von einem flächendeckenden oder generellen Fachkräftemangel in Nordrhein-Westfalen gesprochen werden. Einschlägigen Studien zufolge ist davon auszugehen, dass im Bereich der im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen und Ingenieure noch bis 2025 eine Bedarfsdeckung im Wesentlichen aus den Absolventenzahlen möglich sein wird. Erst dann kann es zu größeren Engpässen kommen. Hinsichtlich der bereits heute im Einzelnen feststellbaren Knappheiten in Ingenieurberufen zeigen sich insbesondere in den ländlichen Regionen Nordrhein-Westfalens erste Engpässe. Dagegen profitieren insbesondere die Rheinschiene sowie einzelne Ballungszentren mit Magnetwirkung von den Nachwuchskräften ländlicher Räume sowie von den Absolventen der Ingenieurstudiengänge im Bereich des Bauwesens (z.B. Münster, Bielefeld). Unklar ist dabei aber, welche Faktoren sich hierbei wechselseitig stärker bedingen, ob sich die Dienstleister im Planungsbereich aufgrund der verfügbaren Arbeitskräfte eher in städtischen Regionen ansiedeln oder ob die Arbeitskräfte sich aufgrund dort bereits vorhandener Dienstleistungserbringer im Planungsbereich konzentrieren. Die einzelnen Ressorts treiben in ihrem Verantwortungsbereich Maßnahmen voran, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken sollen. Beispielhaft werden die folgenden genannt: Mit inzwischen 3.000 Partnern aus Schulen, Hochschulen und Wirtschaft wird seitens der Landesregierung die Gemeinschaftsinitiative Zukunft durch Innovation (zdi) vorangetrieben, die junge Menschen insbesondere auch auf die Möglichkeiten und Perspektiven des Ingenieurberufs aufmerksam macht. Mit der laufenden Reform des Gesetzes zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen in Nordrhein-Westfalen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz NRW – BQFG NRW) werden die Anforderungen der Berufsanerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen) übernommen, um den Zuzug und die berufliche Integration von Fachkräften aus dem Ausland zu erleichtern. Die Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie hat bei den einzelnen Freien Berufen unterschiedliche Konsequenzen, die z.T. zu abweichenden gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern führen. So hat sie den Anstoß dazu gegeben, dass die meisten Länder gegenwärtig ihre Ingenieurgesetze novellieren, um den Titelschutz der Berufsbezeichnung Ingenieur / Ingenieurin u.a. an die Erfordernisse der Berufsanerkennungsrichtlinie anzupassen. Die Landesregierung hat deshalb insbesondere im Interesse der hier ansässigen Ingenieurinnen und Ingenieure einen Länderarbeitskreis der Wirtschaftsministerkonferenz initiiert, der bis 2017 einen Vorschlag für dann in allen Bundesländern gleichlautende gesetzliche Regeln entwickeln soll, um eine unterschiedliche Spruchpraxis und einen Ansiedlungswettbewerb zu verhindern . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 17 Der Hochschulpakt II enthielt ein Sonderprogramm zum Ausbau der Medizinstudienplätze. Mit Hilfe dieses Programms wurden von 2011 bis 2015 in jedem Jahr rund zehn Prozent mehr Studienanfängerplätze im Fach Humanmedizin geschaffen. Dieses Sonderprogramm soll auch in der dritten Programmphase des Hochschulpakts von 2016 bis 2020 weitergeführt werden . Der stärkere Wettbewerb um Fachkräfte hat sektorale und regionale Unterschiede. Der von der Landesregierung aufgelegte Fachkräfteaufruf hat diesem Sachverhalt entsprechend eine regionale Ausrichtung. Gefördert werden Maßnahmen zur stärkeren Nutzung des Erwerbspotenzials , zur stärkeren Berücksichtigung des technischen Wandels (mit den Schwerpunkten Digitalisierung, Vernetzung und Industrie 4.0) und zur Modernisierung der beruflichen Ausund Weiterbildungsinfrastruktur. Die Landesregierung hat einen Dialog mit den Kassenärztlichen Vereinigungen zum Thema "Fachärztemangel" begonnen, um gemeinsam zu erörtern, ob es mittel- und langfristig in einzelnen Facharztgruppen ggf. zu Versorgungsengpässen kommen könnte und welche Maßnahmen zukünftig notwendig sein werden, um die fachärztliche Versorgung in Nordrhein- Westfalen dauerhaft sicherzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung in erster Linie gesetzliche Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen ist. Das Hausarztaktionsprogramm ist durch weitere Initiativen – z.B. die Anwerbung von medizinischem Personal aus dem Ausland (z.B. Österreich und Griechenland) – zu einem Programm zur "Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Nordrhein-Westfalen" weiterentwickelt worden. Ziel der Landesregierung ist es, mit weiteren Maßnahmen wie z.B. der Förderung arztentlastender Verfahren bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten (insbesondere bei Hausbesuchen) oder der Stärkung der hausärztlichen Medizin im Studium, das Programm noch weiter auszubauen. Der von den Gesundheits- und Wissenschaftsministerinnen und -ministern von Bund und Ländern zu entwickelnde „Masterplan Medizinstudium 2020“ hat eine zielgerichtete Auswahl der Studierenden, eine Förderung der Praxisnähe und eine Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium im Blick. Der politische Dialog zum Masterplan 2020 begann am 8. Mai 2015. Auf Abteilungsleitungsebene wird derzeit ein Vorschlag für den Masterplan erarbeitet. Er soll Mitte dieses Jahres der Ministerebene zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Darüber hinaus steht die Landesregierung in einem Austausch mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu den Thematiken rund um die Situation des fehlenden allgemeinmedizinischen Nachwuchses. Die Landesregierung hat vielfältige Aktivitäten und Initiativen ergriffen, um dem Fachkräftemangel in den Pflege- und Gesundheitsfachberufen zu begegnen. Dabei wurde jedoch nicht gezielt die Stärkung der Freien Berufe in den Fokus genommen, da diese einen geringen Anteil der Berufstätigen in diesem Bereich ausmachen. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass eine allgemeine Verbesserung des Fachkräftemangels auch zu einer Steigerung der Anzahl der freiberuflich Tätigen führt. Hervorzuheben sind insbesondere die Verstärkung von Modellstudiengängen in den Pflegeund Gesundheitsfachberufen, wodurch Nordrhein-Westfalen bundesweit Vorreiter in der Weiterentwicklung der Pflege- und Gesundheitsfachberufe ist, und die Unterstützung der bundes- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 18 weiten Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege. Durch die Einführung der Altenpflegeumlage konnten die Ausbildungszahlen in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Altenpflege in den letzten Jahren um rund 70 Prozent gesteigert werden. Im Berufsfeld der Hebammen und Entbindungshelfer fand zudem im Jahr 2015 ein Runder Tisch Geburtshilfe statt, der auch anlässlich der schwierigen Rahmenbedingungen für freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungshelfer veranstaltet worden ist. Der Abschlussbericht, in dem Handlungsempfehlungen zur Verbesserung dieser Rahmenbedingungen formuliert sind, wurde am 30. November 2015 veröffentlicht. 17. Wie will die Landesregierung die Attraktivität von Ausbildungsberufen bei Freiberuflern (z.B. PTA) steigern? Nordrhein-Westfalen setzt seit 2012 (auf Basis der im Ausbildungskonsens NRW 2011 verabschiedeten drei Beschlüsse) als erstes Flächenland ein landesweit einheitliches und effizient gestaltetes Übergangssystem um. „Kein Abschluss ohne Anschluss“ nimmt dabei die Schülerinnen und Schüler aller Schulformen in den Blick und unterstützt sie frühzeitig (ab Klasse 8) bei der Berufs- und Studienorientierung, der Berufswahl und beim Eintritt in Ausbildung oder Studium. Im Rahmen einer systematischen Studien- und Berufsorientierung ermöglicht die Maßnahme den Schülerinnen und Schülern , durch das Entdecken ihrer Potenziale und Fähigkeiten und regelmäßige, in einem umfangreichen Beratungsprozess eingebettete Praxisphasen eine kompetente und begründete Berufswahl. Ergänzt durch die Gestaltung klarer Angebotsstrukturen nach Abschluss der allgemeinbildenden Schulen und Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung verhilft das Landesvorhaben den Jugendlichen zu einem zielgerichteten Start in die Ausbildung oder das Studium. Über die umfänglichen Praxisphasen haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Einblicke in den betrieblichen Arbeitsalltag zu erhalten und so z.B. eine duale Ausbildung als möglichen Anschluss nach Abschluss der allgemein bildenden Schule zu sehen. Freiberufler können sich an der Bereitstellung von Plätzen für die Praxisphasen beteiligen und so Jugendliche für eine Ausbildung im Bereich der Freien Berufe gewinnen. Unterstützend dazu hat die Landesregierung zusammen mit ihren Partnern im Ausbildungskonsens NRW, zu denen auch der Verband der Freien Berufe gehört, die Durchführung einer gemeinsamen Kampagne zur dualen Ausbildung vereinbart. Ziel ist es, eine Verbesserung des Ansehens der dualen Ausbildung in der Bevölkerung zu erreichen, damit diese als gleichwertige Perspektive neben dem Studium anerkannt wird. Als eine zentrale Säule der Kampagne wird eine „Microsite“ entwickelt, auf der vielfältige Informationen zum Thema duale Ausbildung und damit auch zu den Ausbildungsberufen und - angeboten der Freien Berufe inklusive der Verlinkungen zu relevanten und weiterführenden Informationsquellen zu finden sein werden. Die Gestaltung der Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten und Notarfach-angestellten ist eine Aufgabe der Rechtsanwalts- bzw. Notarkammern, die diese im Rahmen der Selbstverwaltung übernehmen. Es ist nicht erkennbar, dass der dafür insbesondere durch das Berufsbildungsgesetz gesteckte Rahmen die Attraktivität der Ausbildungsberufe beeinträchtigen würde. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 19 Die Ausbildungsgesetze im Gesundheits- und Pflegebereich sind hauptsächlich bundesrechtlich geregelt. Hier sieht Nordrhein-Westfalen in vielen Bereichen Novellierungsbedarf. Beispielsweise bedürfen die Bestimmungen zur PTA-Ausbildung in fachlicher und struktureller Hinsicht einer Überarbeitung. Dazu steht Nordrhein-Westfalen im Dialog mit den Apothekerkammern und dem zuständigen Bundesministerium. 18. Wie steht die Landesregierung zur Entscheidung des Bundessozialgerichts zur rentenversicherungsrechtlichen Einstufung von angestellten Freiberuflern? 19. Was unternimmt die Landesregierung, um zukünftig angestellten Freiberuflern wieder eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Versorgungssystems (gesetzliche Rentenversicherung oder Versorgungswerk) zu lassen? Antwort zu Fragen 18 und 19: Die Auslegung sozialrechtlicher Vorschriften obliegt in letzter Instanz dem Bundessozialgericht . Im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit wird die Landesregierung dessen Entscheidungen nicht kommentieren. Sollte die Auslegung der Gerichte im Einzelfall nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen , werden die betreffenden gesetzlichen Regelungen entsprechend nachjustiert. Insoweit wird z.B. auf die Neuregelung der Rentenversicherungspflicht für Syndikus-anwältinnen und -anwälte verwiesen. Der Gesetzgeber hat das Verhältnis zwischen berufsständischen Versorgungswerken und der gesetzlichen Rentenversicherung umfassend geregelt. Soweit Nachsteuerungsbedarf besteht, kann und wird der Gesetzgeber entsprechend reagieren. 20. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Diskriminierung von über 45-jährigen Kammermitgliedern, die aufgrund des Überschreitens der bestehenden Altersgrenze (z.B. im Falle eines Ortwechsels) nicht mehr Pflichtmitglied in einem Versorgungswerk werden können, zu beseitigen? Gemäß der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG des EU-Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 umfasst der europäische Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Dienstleistungen zu gewährleisten ist. Dazu gehört es, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit von Dienstleistungserbringern in den Mitgliedstaaten und des freien Dienstleistungsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten zu beseitigen und den Dienstleistungsempfängerinnen/-empfängern und -erbringerinnen/-erbringern Rechtssicherheit zu garantieren. Die Niederlassungsfreiheit beruht insbesondere auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der jede Diskriminierung verbietet. Die berufsständische Versorgung in Deutschland ist stark durch landesrechtliche oder satzungsrechtliche Legitimationen zur Selbstverwaltung durch die betroffenen Berufsstände geprägt und bietet ihren Mitgliedern eine umfassende Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung . Für Freie Berufe, für die eine Standeskammer besteht, ist die Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk der Kammer Pflicht, aber es bleibt der Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Rahmen der ihm gesetzlich verliehenen Autonomie überlassen, ob das Höchsteintrittsalter bei Standortwechsel eines Mitglieds beibehalten oder ebenfalls gestrichen wird. Entsprechend hat LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 20 die Landesregierung mit dem Versorgungswerke-Änderungsgesetz vom 20. Dezember 2007 die europarechtlichen Vorgaben bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bezüglich der Versorgungswerke der Freien Berufe als einem eigenständigen gleichwertigen System der Altersversorgung umgesetzt: So wurde diese Bestimmung für ein gesetzlich festgelegtes Höchsteintrittsalter (im Allgemeinen 40 oder 45 Jahre) aufgehoben. III. Landespolitische Strategie 21. Die nordrhein-westfälische Landesverfassung betont nicht ohne Grund in Artikel 28, dass „die freien Berufe … zu fördern“ sind. Welche Förderprogramme stehen seitens des Landes Freiberuflern zur Verfügung ? 22. Wie hoch ist das Fördervolumen dieser Programme (bitte getrennt nach Programmen auflisten)? Antwort zu den Fragen 21 und 22: Die Art. 24 bis 29 a der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens geben ein auf Abwägung und Interessenausgleich angelegtes Landesstrukturkonzept vor. Weil die verschiedenen Strukturbelange miteinander kollidieren können, bedarf es der Abwägungen der in den Vorschriften enthaltenen Staatsaufträge. Nach Art. 28 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens sind die Klein- und Mittelbetriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Gewerbe und die Freien Berufe zu fördern. Wobei zu berücksichtigen ist, dass der Normbereich des Art. 28 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens weitgehend durch Bundesgesetzgebung besetzt ist. Für die Landes- und Kommunalverwaltung kann die Norm jedoch als Auslegungs- sowie als Ermessensrichtlinie für die Strukturplanung , Subventionsvergabe und für die Erteilung öffentlicher Aufträge gelten. Dementsprechend stehen Freiberuflern im Rahmen der jeweiligen Voraussetzungen alle allgemeinen Förderprogramme der Landesregierung für kleine und mittlere Unternehmen zur Verfügung; ein spezielles Förderprogramm für die Freien Berufe mit einem dafür vorgesehenen Mittelvolumen gibt es daher nicht. Ein auch für die Freien Berufe offenes allgemeines Förderprogramm ist das Beratungsprogramm Wirtschaft, mit dem zwischen 1998 bis 2014 in Industrie, Handel, Handwerk und Freien Berufen 31.935 Beratungen gefördert wurden. Davon entfielen 4.362 auf die Freien Berufe (13,7 Prozent). Bei Beratungsprogrammen können (bestimmte) Freiberufler doppelt profitieren: Sie können die Förderung selbst als Antragstellende für ihr Unternehmen in Anspruch nehmen und darüber hinaus gewerbliche Kunden gewinnen, die die Berater erst wegen der Förderung in Anspruch nehmen. Dies gilt z.B. für Steuerberaterinnen und -berater und Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer. Neben den Beratungsprogrammen gibt es Förderprogramme in den Bereichen Gründung, Festigung und Wachstum, Auslandmärkte, Technologie, regionale Wirtschaftsförderung und Energie. Ergänzt werden diese Programme durch Angebote des Bundes und der Europäischen Union. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 21 Weiterhin können die Freiberufler Förderprogramme der Landesregierung nutzen, die an Fragen der Fachkräfteversorgung ansetzen. So steht beispielsweise das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds mitfinanzierte Förderprogramm „Beratung von Unternehmen zur Fachkräftesicherung , Potentialberatung“ auch Freiberuflern zur Verfügung, sofern sie die Fördervoraussetzungen erfüllen. Mit dem Förderinstrument „Verbundausbildung“ werden kleine und mittelständische Unternehmen in Nordrhein-Westfalen unterstützt, die Ausbildungsplätze anbieten wollen, obwohl sie nicht alle Ausbildungsinhalte vermitteln können. Deshalb benötigen sie einen Verbundpartner, der die übrigen Ausbildungsinhalte vermittelt. Dies können ein oder mehrere andere Unternehmen sein, aber auch Bildungsträger. Solche Verbundausbildungsplätze werden einmalig mit 4.500 EUR mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Auch Unternehmen der Freien Berufe steht dieses Förderinstrument offen. Für das Jahr 2015 sind für Potentialberatungen 3,5 Mio. Euro aus Mitteln des ESF, für die Verbundausbildung sind in der laufenden ESF-Förderphase 2,9 Mio. Euro jährlich vorgesehen. Hinzukommen weitere Förderprogramme der NRW.BANK, des Landes und Bundes, die sich an Angehörige der Freien Berufe richten: Dazu gehören beispielsweise die Gründungs- und Mittelstands/Wachstumskredite, Bürgschaften, Filmförderung, Energieberatung, Programme zu den Themen Energiesparen und Innovation uvm. Neben den vorstehenden generellen Ansätzen der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen gibt es Konzepte zur Unterstützung einzelner Branchen oder zur Erreichung von Fortschritten in einzelnen Themenfeldern, von denen dann auch die dort ansässigen Freien Berufe profitieren. So sind aus der Perspektive der Branchen für die Förderung von Einzelprojekten aus dem Bereich Kreativwirtschaft im Haushaltsplan 2016 737.900 Euro im Einzelplan 14 veranschlagt. Der Förderung von Freiberuflern aus der Kreativwirtschaft dient auch der NRW.Kreativkredit der NRW.BANK. Mit einem Kreditvolumen von 5.000 bis 25.000 Euro für die Projekt- und Auftragsfinanzierung und einem unbürokratischen Verfahren werden hier gezielt die Anbieter der Branche angesprochen. Die Landesregierung setzt mit einem Förderprogramm zur „Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Nordrhein-Westfalen“ (Förderrichtlinie für Hausärztinnen und Hausärzte des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter vom 24. November 2011, veröffentlicht im Ministerialblatt 2011, S. 535 - 548) finanzielle Anreize, um die Niederlassung für Hausärztinnen und Hausärzte in ländlichen Regionen attraktiver zu machen (siehe auch die Antwort zu Frage 15). Das Förderprogramm zur „Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Nordrhein -Westfalen“ hat ein Fördervolumen von 2,5 Mio. Euro. Aus der Perspektive der Themenfelder der Förderung ist z.B. der Fachkräfteaufruf von Bedeutung . Er steht auch für Vorhaben der Freien Berufe offen. Im Fachkräfteaufruf gibt es kein festgelegtes Budget. 23. Welchen Anteil hatte die Förderung der Freien Berufe im Vergleich zu Industrie, Handel und Handwerk in den Jahren 1991 bis 2014 in Nordrhein-Westfalen? Hierzu liegen keine alle Fördermaßnahmen abdeckenden Daten vor. Von den mittels des Beratungsprogramms Wirtschaft geförderten Beratungen entfielen 13,7 Prozent auf die Freien Berufe. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 22 24. Plant die Landesregierung die Schaffung weiterer Förderprogramme für die freien Berufe bis zum Ende der Legislaturperiode? 25. Wenn ja: Welche konkreten Programme sind in Planung und wie hoch soll das jeweilige Fördervolumen sein? Antwort zu den Fragen 24 und 25: Spezielle Fördermaßnahmen für die Freien Berufe sind nicht vorgesehen. Die Freien Berufe können sich an ggf. neuen Förderprogrammen für kleine und mittlere Unternehmen beteiligen. 26. Welche weiteren Förderinstrumente nutzt das Land, um seinem verfassungsmäßigen Auftrag aus Art. 28 LVerf nachzukommen? Art. 28 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen enthält den Auftrag zur Förderung von kleinen und mittleren Betrieben in Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Gewerbe und den Freien Berufen. Die genossenschaftliche Selbsthilfe ist zu unterstützen. Dieser breite Auftrag zur Mittelstandsförderung ist für die Landes- und Kommunalverwaltung als Auslegungs- und Ermessensrichtlinie für die Strukturplanung, Subventionsvergabe und für die Erteilung öffentlicher Aufträge zu beachten. Das Land setzt diesen Auftrag durch einen vielfältigen Maßnahmenkatalog um. Zu nennen sind hier insbesondere das am 29. Dezember 2012 in Kraft getretene Mittelstandsförderungsgesetz und dessen konsequente Umsetzung durch die Landesregierung. Im Mai 2013 hat die Clearingstelle Mittelstand, die bei der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern Nordrhein -Westfalen angesiedelt ist, ihre Arbeit aufgenommen. Siehe dazu die Antwort zu Frage 14. Ergänzend tritt die Landesregierung mit den Unternehmen in allen Regionen des Landes in den Dialog. Zu diesem Zweck hat der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen für die Landesregierung alle Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern in Nordrhein-Westfalen besucht. Bei Betriebsbesichtigungen und in Gesprächsrunden konnten die Unternehmerinnen und Unternehmer ihre spezifischen Problemlagen ansprechen und mit dem Minister Lösungsansätze diskutieren. 27. Wie unterstützt die Landesregierung die Existenzgründung von Freiberuflern? Bei Gründungen ist eine gute Beratung von Anfang an wichtig. Nach einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung waren von den Unternehmen, die eine Gründungsberatung in Anspruch genommen haben, nach etwa dreieinhalb Jahren noch 81,7 Prozent am Markt. Von denen, die dies nicht getan haben, waren es nur noch 64,3 Prozent. Gründerinnen und Gründer aller Branchen können sich in den landesweit 77 STARTERCENTER NRW über alle Gründungsangelegenheiten beraten lassen, die vor Ort gemeinsam von den Kommunen, den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern angeboten werden. Daneben bietet die Landesregierung noch eine Reihe von besonderen Unterstützungsmaßnahmen , beispielsweise für Start-ups und wissensbasierte Gründungen sowie Finanzierungshilfen , an. Zu letzterem zählen das Beratungsprogramm Wirtschaft und die Finanzierungsprogramme der NRW.BANK. Der digitale Förderlotse der NRW.BANK weist allein für Gründungen durch Freie Berufe zehn in Betracht kommende Förderprodukte aus (https://www.nrwbank.de/de/foerderprodukte/produktsuche/index.html). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 23 Die Landesregierung setzt mit einem Förderprogramm zur „Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Nordrhein-Westfalen“ (Förderrichtlinie für Hausärztinnen und Hausärzte des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter vom 24. November 2011, veröffentlicht im Ministerialblatt 2011, S. 535 - 548) finanzielle Anreize, um die Niederlassung für Hausärztinnen und Hausärzte in ländlichen Regionen attraktiver zu machen (siehe auch Antwort zu Frage 15). IV. Europa und das Prinzip der Selbstverwaltung der Freien Berufe 28. Welche Maßnahmen verfolgt die Landesregierung, um den Verbraucherschutz und die hohe Qualität der deutschen freiberuflichen Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt zu schützen? Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher verfolgt die Landesregierung unter anderem das Ziel, ein hohes Maß an Transparenz auf den Märkten zu schaffen oder zu gewährleisten . Transparenz und Klarheit – auch über die Qualität der angebotenen Leistungen – sind nicht nur grundlegende Voraussetzung für souveräne Konsumentenentscheidungen, sondern sie tragen auch zu einem fairen Wettbewerb der Anbieter untereinander bei. Ein wichtiges Instrument zur Erreichung dieser Zielsetzung ist die Förderung der Verbraucherzentrale NRW durch das Land. Damit wird ein umfassendes und unabhängiges Informationsund Beratungsangebot für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen finanziert . Derzeit bestehen in Nordrhein-Westfalen 60 örtliche Verbraucherberatungsstellen, die gemeinsam von Land und Kommunen finanziert werden. Dort erhalten die Verbraucherinnen und Verbraucher auch Informationen und Rat zu Verbraucherschutzthemen, die die Dienstleistungen und Tätigkeitsfelder der Freien Berufe betreffen wie zum Beispiel zu den IGeL-Leistungen im Gesundheitswesen, zu Fragen der Gebäudesanierung und -renovierung oder zu den Verbraucherrechten im Pflegefall. Eine unabhängige Interessensvertretung der Verbraucher ist heute insbesondere wegen z.B. der Unübersichtlichkeit der liberalisierten Märkte (Energie, Telekommunikation) sowie der Globalisierung und der Digitalisierung der Unternehmen wichtiger denn je. Die Landesregierung hat hier u.a. durch Einbindung in den Beirat der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. eine unmittelbare Anbindung an die verbraucherpolitische Diskussion. Insbesondere Fragen des Verbraucherschutzes im sich rasant entwickelnden Onlinehandel (E-Commerce) stehen hierbei zurzeit im Focus. Auch im Zusammenhang mit dem Engagement für die Freien Berufe setzt sich die Landesregierung mit verschiedenen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf Bundesebene und gegenüber der Europäischen Union für ein hohes Verbraucherschutzniveau ein. Dabei hat die Landesregierung den angemessenen Schutz der Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher selbstverständlich in allen Wirtschaftsbereichen im Blick. Bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft kommt den freiberuflichen Dienstleistungen eine wesentliche Rolle zu, da sie aufgrund ihrer Qualität und ihrer Wettbewerbskraft erhebliche Bedeutung für den Binnenmarkt haben. Die hohe Qualität der deutschen freiberuflichen Dienstleistungen darf jedoch nicht durch zu weitgehende Vorgaben und Regulierungen der Europäischen Union beeinträchtigt werden. Dieses Ziel verfolgt die Landesregierung mit den Kammern und Verbänden sowohl auf Bundesrats- als auch auf europäischer Ebene. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 24 Mit der Transparenzinitiative (Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Bewertung der nationalen Reglementierungen des Berufszugangs, Dokument KOM (2013) 676) hat die Europäische Kommission sehr deutlich gemacht, dass sie die deutschen Berufszugangsregelungen als Binnenmarkthemmnisse ansieht. Hierauf hat die Landesregierung unmittelbar reagiert und federführend dazu beigetragen, dass der Bundesrat gegenüber der Europäischen Kommission die Sicherung der bestehenden, bewährten Strukturen in Deutschland einfordert. Diesbezüglich hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 29. November 2013 eine Stellungnahme beschlossen, in der unter anderem die Bedeutung der Freien Berufe hervorgehoben wird. Es wird darauf hingewiesen , dass die berufsständische Selbstverwaltung bei den Freien Berufen nicht nur dem Verbraucherschutz nach außen dient, sondern im Innenverhältnis mit den Mitgliedern auch hoheitliche Aufgaben wie die Berufsaufsicht und die Berufsgerichtsbarkeit sowie versorgungsund haftungsrechtliche Dienste übernimmt. Weitere Liberalisierungsschritte könnten zu einem Systemwechsel mit weitreichenden Konsequenzen führen, die mit unübersehbaren Handlungsbedarfen in einer Vielzahl von Politikfeldern verbunden wären. Darüber hinaus hat das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen unter Leitung des Staatssekretärs einen Arbeitskreis „Frühwarnsystem Europa“ geschaffen, in dem neben weiteren Organisationen der Wirtschaft auch die Freien Berufe vertreten sind. Der Arbeitskreis hat die Aufgabe, sensible Entwicklungen auf EU-Ebene frühzeitig zu erkennen und Reaktionen darauf vorzubereiten und umzusetzen . Neben Initiativen vor der deutschen und europäischen Öffentlichkeit handelt es sich auch um Maßnahmen im voröffentlichen Raum. 29. Wie bewertet die Landesregierung das bestehende System der beruflichen Selbstverwaltung aus Kammern und Verbänden vor dem Hintergrund einer guten Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen freiberuflichen Dienstleistungen ? Im Koalitionsvertrag der die Regierung tragenden Parteien wird die Bedeutung der Selbstverwaltung der Wirtschaft wie folgt dargelegt: „Die Selbstverwaltung der Wirtschaft ist ein wichtiges Element des wirtschaftlichen Lebens. Wir halten an der Selbstverwaltung und Eigenverantwortung der regionalen Wirtschaft fest und wollen die Kammern bei der Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben weiter unterstützen, ihre Bedeutung für das Funktionieren des Wirtschaftslebens herausstellen und dazu beitragen, ihre Akzeptanz zu festigen. Dies verstehen wir sowohl als Chance wie auch als Verpflichtung für die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft, die Strukturen der Kammern effizient, demokratisch, geschlechtergerecht und transparent zu gestalten . Wir wollen prüfen, wie und mit welchen rechtlichen Rahmenbedingungen wir diesen Prozess unterstützen und befördern können. Dazu werden wir den Dialog mit den Selbstverwaltungsorganen der Wirtschaft suchen.“ Diese vorrangig auf die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern bezogenen Aussagen bilden die Grundlage für die Bewertung der beruflichen Selbstverwaltung und lassen sich daher auch auf die berufsständischen Kammern der Freien Berufe übertragen. 30. Wie sehen geeignete Instrumente aus, um das deutsche System der beruflichen Selbstverwaltung zu sichern und dessen Akzeptanz bei anderen Staaten der Europäischen Union zu erhöhen? „Überzeugen durch Leistung“ dürfte das am meisten geeignete Instrument sein. Im Rahmen der Auswirkungen der Finanzmarkt- und Eurokrise ist die Leistungsfähigkeit des deutschen Systems der Selbstverwaltung insbesondere im Bereich der dualen Berufsausbildung deutlich LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 25 geworden. Ohne ehrenamtliches Engagement und Selbstverwaltung ist ein solches System nicht denkbar. Die Erfolge sind europaweit wahrgenommen worden und haben für eine Akzeptanz gesorgt, die mit politischen Instrumenten kaum zu erzielen gewesen wäre. 31. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um das System der beruflichen Selbstverwaltung dauerhaft zu erhalten? Siehe hierzu die Antwort zur Fragen 35 bis 37. 32. Wie steht die Landesregierung zur Fremdkapitalbeteiligung vor dem Hintergrund der Unabhängigkeit der Berufsausübung sowie dem Interessenkonflikt zwischen Gewinnerwartungen und Verbraucherschutz? Siehe hierzu die Antwort zur Frage 34. 33. Wie bewertet die Landesregierung die länderspezifischen Empfehlungen der Europäischen Kommission vom 13. Mai 2015, in denen die Regelungen der Freien Berufe zu Fremdkapital- und Rechtsformbeschränkungen sowie Honorar- und Kostenordnungen als ungerechtfertigt kritisiert werden? Siehe hierzu die Antwort zur Frage 39. 34. Welche Initiativen ergreift die Landesregierung, um das bestehende Fremdkapitalverbot zu erhalten? Antwort zu den Fragen 32 und 34. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die besondere Qualität der eigenverantwortlichen Dienstleistung durch die Freien Berufe ein konstituierendes Merkmal ist. Fremdkapitalbeteiligungen wären geeignet, einen Konflikt zwischen den Gewinnerwartungen der externen Kapitalgeber und dem eigenverantwortlich handelnden Freiberufler bzw. der Freiberuflerin herbeizuführen. Dieser könnte sich negativ auf die Qualität der Dienstleistung selbst, aber auch auf weitere Aspekte, wie z.B. den Datenschutz, auswirken. Die Landesregierung stellt sich deshalb gegen die Kritik am Verbot der Fremdkapitalbeteiligung . Gemeinsam mit dem betroffenen Verband der Freien Berufe achtet sie auf mögliche Initiativen z.B. seitens der EU-Kommission, die auf eine Lockerung oder Abschaffung des Fremdkapitalverbots hinaus laufen könnten. Ein wichtiges Instrument dazu ist der Arbeitskreis „Frühwarnsystem Europa“, an dem der Verband der Freien Berufe beteiligt ist (siehe Antwort auf Frage 28). 35. Wie steht die Landesregierung zur OECD-Auffassung, dass die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern der Freien Berufe als mögliches Markteintrittshemmnis hinterfragt und die Zugangsvoraussetzungen gelockert werden sollen? 36. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung zum Erhalt der Pflichtmitgliedschaft in Kammern? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 26 37. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Aufrechterhaltung des hohen Qualifikationsniveaus der Angehörigen der Freien Berufe im Interesse des Verbraucherschutzes weiterhin zu gewährleisten? Antwort zu den Fragen 31, 35, 36 und 37: Die Landesregierung bekennt sich zu den bestehenden selbstverwalteten Strukturen der Freien Berufe bzw. zum entsprechenden Kammerwesen in Nordrhein-Westfalen. Dies hat auch seinen Niederschlag im Koalitionsvertrag für den Zeitraum 2012 bis 2017 gefunden. Die Landesregierung bekennt sich zur Selbstverwaltung der Wirtschaft als einem wichtigen Element des wirtschaftlichen Lebens. Sie hält an der Selbstverwaltung und Eigenverantwortung der regionalen Wirtschaft fest und wird die Kammern bei der Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben weiter unterstützen, ihre Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftslebens herausstellen und dazu beitragen, ihre Akzeptanz zu festigen. Die kammerpflichtigen Freien Berufe erfüllen in besonderem Maße verantwortungsvolle Aufgaben . Deshalb besteht die Notwendigkeit, dass diese u.a. wegen der Qualitätssicherung und -kontrolle in die jeweiligen Kammerstrukturen eingebunden werden. Die Kammern der Freien Berufe stellen ihre Verwaltungs- und Finanzkraft in den Dienst öffentlicher Belange. Sie schützen , wie z.B. im Falle der Ingenieurkammer Bau Nordrhein-Westfalen, Berufsbezeichnungen und verleihen Zusatzqualifikationen. Sie sorgen dafür, dass die Mitglieder den z.B. durch Landesgesetz normierten Pflichten zur Berufshaftpflichtversicherung, zur Fort- und Weiterbildung etc. nachkommen. Dies gilt auch aus der Perspektive der Sicherstellung der Berufsausbildung der Freien Berufe, bei der die Kammern Bildungsaufgaben übernehmen und das hohe Niveau der Ausbildung sichern. Es erscheint nicht sinnvoll, diese Strukturen zu lockern und damit deren Effizienz zu verringern . Zudem müsste dann die unmittelbare Staatsverwaltung die umfänglichen Aufgaben der Selbstverwaltungskörperschaften übernehmen. Dies wäre mit zusätzlichem Bürokratie- und Kostenaufwand verbunden. Vor diesem Hintergrund nutzt die Landesregierung – wie z.B. bei der Transparenzinitiative der Europäischen Union – alle Möglichkeiten, im politischen wie im öffentlichen Raum negativen Entwicklungen für die Freien Berufe entgegenzuwirken. Siehe dazu auch die Antwort auf die Frage 28. Die Europäische Kommission behandelt die einzelnen Freien Berufe unterschiedlich. Während z.B. der Architekt / die Architektin bereits in die gegenseitige Evaluierung im Rahmen der Transparenzinitiative einbezogen wurde, ist noch nicht absehbar, inwieweit europarechtliche Vorgaben auf der Grundlage der Binnenmarktstrategie der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2015 die Freien Berufe der Rechtspflege erfassen bzw. welchen Inhalt sie ggf. haben werden. Insofern ist es bislang nicht ersichtlich, dass europarechtliche Vorgaben das hohe Qualitätsniveau in den Freien Berufen der Rechtspflege zu beeinträchtigen drohen. Für den Medizinbereich hat die Landesregierung Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Bundesärzteordnung, der Bundes-Apothekerordnung und des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde („Runderlass zur Durchführung der Bundesärzteordnung, der Bundes -Apothekerordnung und des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde“ vom 17. November 2014, veröffentlicht im Ministerialblatt 2011, S. 761 - 797) erlassen. Darin ist u.a. festgelegt , unter welchen fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen Approbationen und Berufserlaubnisse an Personen, die ihre Ausbildung in einem anderen Europäischen Staat oder LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 27 in einem Drittland abgeschlossen haben, erteilt werden können. Die dort festgelegten Anerkennungsregeln dienen zum einen dem Schutz der Patientinnen und Patienten, tragen zum anderen aber auch dazu bei, die hohe Qualität der medizinischen Versorgung weiter aufrecht zu erhalten. 38. Was unternimmt die Landesregierung, damit Kosten- und Honorarordnungen auch in Zukunft bestehen und somit die Qualität der Leistungen und damit der Verbraucherschutz weiterhin gewährleistet bleiben? Die Landesregierung tritt grundsätzlich für den Erhalt der bestehenden Kosten- und Honorarordnungen ein. Entsprechend hat sich Nordrhein-Westfalen anlässlich der letzten Novelle der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) für die Stärkung deren Verbindlichkeit engagiert, indem es die Rückführung der sog. Beratungsleistungen in den verbindlichen Teil der HOAI forderte. Diese Änderung wurde von Nordrhein-Westfalen im Bundesratsverfahren vertreten und von den anderen Bundesländern geteilt (vgl. Bundesrats-Drucksache 334/13, Beschluss des Bundesrates vom 7. Juni 2013). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vertrat hingegen die Position, dass die HOAI mit ihren strikten Vergütungssätzen in Europa nahezu ein Einzelfall sei und eine Rückführung der Leistungen der Anlage 1 in den verbindlichen Teil der HOAI eine Notifizierungspflicht gegenüber der EU-Kommission auslösen würde, die die HOAI in ihrer Gesamtheit gefährden könnte. 2015 hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Dieses rügt den angeblichen Sachverhalt, dass die HOAI durch ihre verbindlichen Preisregulierungen die Niederlassungsfreiheit sowie die Europäische Dienstleistungsrichtlinie verletze. Sie behindere sowohl die Niederlassung von Architektinnen und Architekten und Ingenieurinnen und Ingenieuren aus anderen Staaten in Deutschland als auch deren erstmalige Niederlassung im Inland. Der Ausgang dieses Verfahrens wird zunächst abgewartet. 39. Wie steht die Landesregierung zur Position der EU-Kommission, wonach Kostenund Honorarordnungen marktzugangs- und wachstumshemmend wirken? Antwort zu den Fragen 33 und 39: Die Landesregierung erkennt die Möglichkeit einer Marktzugangshemmung grundsätzlich an. Sie sieht jedoch die Gefahr, dass sich ein Preiswettbewerb zwischen Freiberuflern nachteilig auf deren Leistungserbringung auswirkt. Wünschenswert ist ein Qualitätswettbewerb in dem Sinne, dass sich die beste Leistung bei Kundinnen und Kunden durchsetzt. Das Argument einer Wachstumshemmung wird seitens der Landesregierung kritisch hinterfragt , weil dahinter die Annahme steht, dass ein Preis-(senkungs-)wettbewerb zu einer erhöhten Nachfrage nach freiberuflichen Leistungen führen würde. Es erscheint nicht als realistisch und es wäre auch nicht wünschenswert, dass ein durch Preissenkungen vermehrtes (und in der Qualität voraussichtlich vermindertes) Angebot z.B. an Anwalts-, Architekten- und Arztleistungen zu einer erhöhten Nachfrage nach diesen führt. Die Landesregierung misst der Gefahr eines drohenden Qualitätsverlusts große Bedeutung bei. Wenn Preissenkungen den Zugang zu den Dienstleistungen erleichtern und deshalb eine größere Nachfrage zur Folge haben, ist das für sich genommen nicht zu bemängeln, solange das Qualitätsniveau hoch bleibt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 28 V. TTIP/TISA und die Auswirkungen auf die Freien Berufe 40. Welche Auswirkungen hat nach Ansicht der Landesregierung das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (Ceta) zwischen Kanada und der EU auf die Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen? Das Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA kann für die Freien Berufe Verbesserungen in verschiedenen Bereichen bringen. Neben dem Abbau von Zöllen zielt das Abkommen auf einen verbesserten Marktzugang u.a. für Dienstleistungen sowie einen verbesserten Zugang zu Ausschreibungen auf der kanadischen Provinz- und Kommunalebene bei öffentlichen Aufträgen ab. Das Abkommen beinhaltet einen Rechtsrahmen zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen (Mutual Recognition Agreements – MRA) ebenso wie verbesserte Rahmenbedingungen für den temporären Aufenthalt natürlicher Personen. Die relevanten Rahmenbedingungen in Deutschland (Berufsrecht, Kammersystem etc.) werden von CETA voraussichtlich nicht in Frage gestellt. 41. Wie und mit welchen Inhalten hat sich die Landesregierung bei den Verhandlungen von Ceta eingebracht, um die Interessen der Freien Berufe zu stärken? Die Landesregierung hat ihre Interessen gegenüber der Bundesregierung und den für die Verhandlungen zuständigen Stellen eingebracht und vertreten. 42. Welche Erwartungen hat die Landesregierung an die transatlantische Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und der EU mit Blick auf die freien Berufe in Nordrhein-Westfalen (insbesondere mit Blick auf die freien Berufe der Kulturwirtschaft)? Die relevanten Rahmenbedingungen in Deutschland für Freie Berufe (Berufsrecht, Kammersystem etc.) werden von TTIP voraussichtlich nicht in Frage gestellt. Mit der Umsetzung von TTIP besteht die Möglichkeit, einen besseren Marktzugang in den USA zu erhalten, verbunden mit einem möglichen Abschluss eines Rechtsrahmens über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (Mutual Recognition Agreements – MRA). Generell ist es im Interesse der in der Kreativwirtschaft tätigen Akteure, bei den Verhandlungen zwischen EU und USA zu TTIP darauf hinzuwirken, dass die kulturelle und mediale Vielfalt in Deutschland nicht eingeschränkt wird. 43. Wie und mit welchen Inhalten bringt sich die Landesregierung bei den Verhandlungen von TTIP ein, um die Interessen der Freien Berufe zu stärken? Die Landesregierung steht dabei als Ansprechpartnerin für nordrhein-westfälische Interessengruppen zur Verfügung. Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen steht dazu in Kontakt mit den betroffenen Ressorts und mit der Bundesregierung und vertritt die Interessen gegenüber den für die Verhandlung zuständigen Stellen. Bestehende Standards zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Kultur und der Umwelt müssen abgesichert sein und demokratisch legitimierte Entscheidungen dürfen nicht infrage gestellt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 29 Im Medienbereich hat Nordrhein-Westfalen bereits im Jahr 2013 mit anderen Ländern die Entschließung 463/13 „Entschließung des Bundesrates zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie den USA andererseits“ verabschiedet, die die Chancen des Abkommens sowie die Bedeutung der Medienvielfalt und der kreativen Dienstleistungsunternehmen in NRW betonen. Es ist aus medienfachlicher Sicht zu begrüßen, dass die Bundesregierung sich der Haltung inhaltlich anschließt und in einem am 7. Oktober 2015 vorgelegten Positionspapier dafür eintritt, dass das TTIP-Abkommen keine Bestimmungen enthält, die geeignet sind, die kulturelle und mediale Vielfalt in Deutschland zu beeinträchtigen. Der Bund schlägt eine Weiterentwicklung der deutschen Position dahingehend vor, dass TTIP eine Bereichsausnahme für audiovisuelle Medien enthalten soll, daneben Bestimmungen zur Sicherung der Medienvielfalt und eine Garantie, dass über die in diesem Bereich bereits geltenden Bestimmungen des GATS nicht hinausgegangen wird. Die Haltung der Landesregierung orientiert sich weiterhin am Bundesratsbeschluss: Indem wir unser kulturelles Erbe und unsere Medienvielfalt schützen, stellen wir für die Freien Berufe der Kreativwirtschaft sicher, dass diese in Nordrhein-Westfalen neben den zunehmend internationalen Angeboten der Global Player bestehen können. 44. Welche Erwartungen hat die Landesregierung an das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TISA) mit Blick auf die Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen ? 45. Wie und mit welchen Inhalten bringt sich die Landesregierung bei den Verhandlungen von TISA ein, um die Interessen der Freien Berufe zu stärken? Antwort zu den Fragen 44 und 45: Das plurilaterale Abkommen im Dienstleistungsbereich bietet die Chance, dass der Zugang für die Angehörigen Freier Berufe zu Märkten in Drittstaaten und die Transparenz über dort bestehende Regelungen verbessert wird. Die relevanten Rahmenbedingungen in Deutschland (Berufsrecht, das Kammersystem, etc.) werden von TiSA voraussichtlich nicht in Frage gestellt. Siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 43. 46. Über welche Gremien ist die Landesregierung in die Verhandlungen eingebunden ? Die Landesregierung ist über den Bundesrat und Bund-Länder-Besprechungen auf Arbeitsebene über die Verhandlungen informiert. 47. Wie nimmt die Landesregierung auf Bundesebene Einfluss auf die Verhandlungen ? Zu den Beratungsergebnissen im Bundesrat wird auf die folgenden Dokumente verwiesen: L 463/13 - BR 463/13 (B): Entschließung des Bundesrates zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie den USA anderseits (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) vom 31. Mai 2013. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 30 L 464/13 - BR 464/13 (B): Entschließung des Bundesrates zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) vom 31. Mai 2014. L 295/14 - BR 295/14 (B): Entschließung des Bundesrates anlässlich des öffentlichen Konsultationsverfahrens der Europäischen Kommission über die Modalitäten eines Investitionsschutzabkommens mit Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren im Rahmen der Verhandlungen über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA vom 3. Juli 2014. 48. In welcher Weise nehmen die einzelnen Landesregierungen gemeinsam beim Bund Einfluss für die Interessen der Freien Berufe? Die Landesregierungen begleiten die Verhandlungsprozesse. Dabei stehen die einzelnen Landesregierungen grundsätzlich als Ansprechpartnerinnen für entsprechende Interessengruppen zur Verfügung. Die Landesregierungen befinden sich dazu länderübergreifend im Kontakt und im Austausch mit der Bundesregierung. Sie vertreten ihre Interessen gegenüber den für die Verhandlungen zuständigen Stellen. Zudem werden regelmäßig Besprechungen zwischen Vertretern der Landesregierungen und der Bundesregierung durchgeführt. VI. Digitalisierung 49. Welche Bedeutung hat nach Ansicht der Landesregierung die Verfügbarkeit schneller Internetverbindungen für die Erbringung freiberuflicher Dienstleistungen ? 50. Wie wird sich der Bandbreitenbedarf freiberuflich Tätiger in den kommenden Jahren nach Ansicht der Landesregierung entwickeln? Antwort zu den Fragen 49 und 50: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Digitalisierung in Zukunft erhebliche Bedeutung auch für die Freien Berufe hat, im Einzelfall deren Charakter sogar verändern wird. Sie führt das u.a. auf die Selbsteinschätzung der Freiberufler zurück, die die digitale Kommunikation als weitgehend unverzichtbar ansehen. In einer Befragung des Bundesverbands der Freien Berufe (BfB) sehen 70 Prozent der Befragten bereits heute die digitale Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten, Mandantinnen und Mandanten und der Kundschaft als unverzichtbar an. Für den Kontakt mit Verwaltungen und Behörden nutzen 62,8 Prozent das Internet.8 Die Freien Berufe gehören als wissensbasierte Berufe in besonderer Weise zu den Nutzern entsprechender Angebote im Internet, wie Online-Bibliotheken oder Wissensdatenbanken. Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach der Breitbandnachfrage seitens der Freien Berufe mit einer vorhersehbaren Selbstverständlichkeit nur auf die Antworten „optimal“ bzw. „maximal “ hinauslaufen. Bundesweit wünscht sich bereits heute jeder zweite Freiberufler eine schnellere Breitband-Internetverbindung. An der Spitze stehen die technisch-naturwissenschaftlichen Berufe, von denen 56,8 Prozent einen hohen Breitbandbedarf melden. Es folgen 8 Vgl. Bundesverband der Freien Berufe, a.a.O, S. 4. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 31 die rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe bzw. die Kulturberufe mit 49,8 bzw. 49,7 Prozent.9 Die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft wirkt sich massiv auf die Arbeitswelt aus. Sei es bei Prozessabläufen im Fertigungsbereich – Stichwort Industrie 4.0 – mit Auswirkungen bezüglich Rollen/Tätigkeitsbereichen von Beschäftigten oder bei der Flexibilisierung von Arbeit , z.B. im Dienstleistungsbereich durch raum-, zeit- und ortsunabhängige Organisationsformen : Digitale Technologien haben bei Berufen, einzelnen Tätigkeiten und deren Ablauf in den letzten Jahren massive Veränderungen hervorgerufen. Die Bedeutung schneller Internetverbindungen für die Erbringung freiberuflicher Dienstleistungen wird in den kommenden Jahren stark zunehmen. Folgende Beispiele verdeutlichen dies: Im Gesundheitswesen (Ärzteschaft, Zahnärzteschaft, Tierärzteschaft, Heilpraktiker/-innen, Dentistinnen/Dentisten, Physiotherapeutinnen/Physiotherapeuten, Krankengymnasten/-gymnastinnen , Hebammen/Entbindungspfleger, Heilmasseurinnen/-masseure, Diplom-Psychologinnen /Psychologen, selbstständige Gesundheits- und Krankenpfleger/-innen beziehungsweise Altenpfleger/-innen) werden beispielsweise digitale Patientenakten (insbesondere mit diagnostischen Bilddaten) und Abrechnungsabläufe die Arbeitsbedingungen ändern. Neue IT- Anwendungen in Form der Telemedizin verdeutlichen die wachsende Bedeutung der Digitalisierung über die digitale Kommunikation hinaus. Bei Rechts- und Patenanwältinnen/-anwälten, Notarinnen/Notaren, Wirtschaftsprüfern/-innen, Steuerberatern/-innen, beratenden Volks- und Betriebswirten/-innen, vereidigten Buchprüferinnen und -prüfern, Steuerbevollmächtigten, Lotsinnen und Lotsen oder hauptberuflichen Sachverständigen werden in folgenden Bereichen Veränderungen eintreten: Abrechnungswesen , Teilhabe an digitalen Prozessen mit digitalen Akten, Einsicht in öffentlich verfügbare Daten , Recherche und Verarbeitung von Open Data. Beispiele dafür sind die elektronische Steuererklärung oder die Übersendung von digitalen Plänen der Ingenieurbüros. Besonders interessant sind dabei die Potenziale der sog. „künstlichen Intelligenz“. Von dieser können z.B. Finanzanalysten profitieren. Diesen ermöglicht der Einsatz spezifischer Software, in Sekundenschnelle Rohdaten in ausführliche Analysen, Berichte sowie Präsentationen umwandeln zu lassen. Für Ingenieurinnen/Ingenieure, Vermessungsingenieurinnen/-ingenieure und Architektinnen /Architekten werden die Übermittlung von digitalen, hochauflösenden GIS-Daten und anderen komplexen Plänen sowie Modellen und die Verarbeitung von Big Data von großer Bedeutung sein. Auf Journalistinnen/Journalisten, Bildberichterstatter/-innen, Filmschaffende und Fotografinnen /Fotografen kommen die Übertragung von hochauflösenden Videos und Dokumenten sowie die Recherche und die Video-Berichterstattung in Echtzeit und Video-Interviews zu. Dabei haben Ingenieurinnen/Ingenieure, Architektinnen/Architekten, Kreative und Medienschaffende zudem die Möglichkeit, sich in ihrer Arbeit über digitale Portale global mit Auftraggebern zu vernetzen. Auf die Angehörigen der Freien Berufe kommen große Herausforderungen durch Digitalisierungs - und Automatisierungsprozesse, die sich direkt und verändernd auf das Arbeitsumfeld der Freien Berufe auswirken, zu. 9 Vgl. Bundesverband der Freien Berufe, ebenda. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 32 Die Digitalisierung ist der Treiber für den Bandbreitenbedarf. Dabei ist nach Berufsfeldern und Wertschöpfungsketten zu differenzieren. So benötigen einige Berufsfelder der Freien Berufe hochbitratige Bandbreiten mit hohen symmetrischen Übertragungsraten (z.B. Architektinnen /Architekten und Ingenieurinnen/Ingenieure). Anderen Berufsfeldern reichen vorwiegend asymmetrischen Raten. Selbst innerhalb einzelner Berufsfelder wird es erhebliche Bedarfsunterschiede geben. So wird der Hausarzt/die Hausärztin i.d.R mit asymmetrischen Bandbreiten auskommen, während Radiologinnen und Radiologen eine symmetrische Verbindung mit hohen Bandbreiten zum Versenden hochauflösenden Bildmaterials benötigen. 51. Wie viele Freiberufler (prozentual) verfügten Ende 2014 über einen schnellen Internetanschluss von mindestens 50Mbit/s in Nordrhein-Westfalen? Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor. 52. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um insbesondere freiberuflich Tätige schnellstmöglich an das schnelle Internet von mindestens 50 Mbit/s anzuschließen ? Die Landesregierung legt folgende vorrangige Eckpunkte des NGA-Netzausbaus fest: Das Schließen der Versorgungslücken in der Fläche. Die glasfaserbasierte Versorgung aller Gewerbegebiete. Kurzfristig wird eine flächendeckende Breitbandversorgung mit einem Downloadvolumen von mindestens 50 Mbit/s bis 2018 angestrebt. Dabei können auch – wo sinnvoll und notwendig – Übergangstechnologien zum Einsatz kommen. Strategisch besteht die Notwendigkeit, das Land Nordrhein-Westfalen auf mittlere Sicht flächendeckend mit einer glasfaserbasierten Telekommunikationsinfrastruktur zu versorgen , die Bandbreiten von mehr als 100 Mbit/s im Up- und Download ermöglicht. Vor diesem Hintergrund etabliert die Landesregierung (unter Ausweitung des bisherigen Breitbandconsulting .NRW mit einem personell und inhaltlich breiter aufgestellten Breitbandbüro) ein Informations- und Beratungsteam, das einer Vernetzung der Akteure Sorge trägt und zentrale Anlaufstelle für die am NGA-Ausbau Beteiligten ist. Das Breitbandbüro stellt umfängliches Know-how zu folgenden Funktionen bereit: Projektmanagement, (unterschiedliche) Ausbautechniken, Ausgestaltung von Geschäfts- und Betreibermodellen, Fragen der Verlegemethoden, Rechtsfragen, Förder- und Finanzierungsfragen sowie konkrete Ausbauplanungen vor Ort benötigter Datenbestände. Für alle Projekte aus Nordrhein-Westfalen, die im Rahmen des Bundesprogramms gefördert werden, erfolgt eine Ko-Finanzierung durch das Land: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 33 Für die Förderung der Breitbandversorgung von Gewerbegebieten und Unternehmen stehen im Rahmen des Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramms (RWP) / Infrastruktur sowohl EFRE-Mittel als auch Mittel der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) zur Verfügung, die jeweils vom Land kofinanziert werden. Die Förderung des Anschlusses des ländlichen Raums erfolgt aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (E- LER). Die Landesregierung wird die Ausgaben für kommunale NGA-Ausbaukonzepte durch einen Festbetrag von max. 150.000 Euro je Kreis und kreisfreier Stadt fördern. Insgesamt wird die Landesregierung Mittel von ca. einer halben Milliarde Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung stellen, die insbesondere der Breitbandversorgung der Wirtschaft und der Freien Berufe zugutekommen. 53. Zu welchen neuen Berufsfeldern und Berufsaufgaben wird die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft nach Ansicht der Landesregierung im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen führen? Kurzfristig gesehen wird die Digitalisierung dazu beitragen, dass Freiberufler und Kleinstunternehmen ihre Geschäftsprozesse effizienter gestalten können. Etwa durch eine verbesserte Außendarstellung im Netz, eine individuellere Kundenbetreuung, eine schnellere Kommunikation mit Partnern und Lieferanten, eine Optimierung und Beschleunigung von Unternehmensprozessen, die wiederum dem Wachstum und dem Ausbau des Geschäfts dienen. Die neuen Technologien führen dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer flexibler und unabhängiger vom Aufenthaltsort arbeiten können. Durch E-Mail, Messenger oder Home Office sind sie schnell erreichbar und untereinander vernetzt. Ebenfalls werden im Umfeld intelligenter technischer Systeme neue Aufgaben und Tätigkeitsfelder entstehen, die insbesondere in den Bereichen Software, Cloud Computing, Kommunikationsnetze etc. anzusiedeln sind. Es entwickeln sich neue Berufe wie Social Media Manager, Online Redakteure, Big-Data- Analysten, Gridmanager oder Crowd-Worker in neuen Business-Anwendungen. Vor allem Datenanalysten , Softwareentwickler und Experten für User Experience werden in verstärkter Form nachgefragt – überall dort, wo Roboter, intelligente Maschinen und Computer in direktem Kontakt zum Menschen stehen. Vermehrt werden intelligente Tools und Anwendungen wie z. B. Cloud Computing eingesetzt, die den Arbeitsprozess effizienter und effektiver organisieren. Auch der Zugang zu Ressourcen und Hilfsmitteln (Daten und Informationen, Arbeitspartner, Werkzeuge), die für die Gestaltung und Durchführung von Arbeitsprozessen relevant werden, wird an Bedeutung gewinnen. Grundsätzlich herrscht fachliche Einigkeit darüber, dass Routinetätigkeiten – sowohl manuelle als auch kognitive – im Zuge von Digitalisierung und Vernetzung unter Druck geraten werden. Dagegen scheinen Tätigkeiten, „die komplexe Wahrnehmung, Handhabung und Bearbeitung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 34 beinhalten, oder auf kreativer oder sozialer Intelligenz beruhen“10, weniger gefährdet zu sein. Deutschland ist im internationalen Vergleich eine der vielschichtigsten Ökonomien. Der allergrößte Teil der Beschäftigten geht bereits heute mit hoher Komplexität und mit Unwägbarkeiten um und bewältigt erfolgreich vielfältige Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld. Sehr viel größere Durchschlagskraft wird daher der Wandel innerhalb der Berufsfelder und -aufgaben haben als die Entstehung neuer oder das Verschwinden bestehender. Mit Blick auf den aktuellen Stand der Wissenschaft lassen sich für die Freien Berufe eher positive Aussichten erwarten. Es sind Tätigkeiten, die Kreativität, Empathie und Flexibilität erfordern , die auch im Zuge von Digitalisierung und Vernetzung als schwer substituierbar gelten. Gerade diese Kompetenzen sind in den freiberuflichen Dienstleistungen besonders ausgeprägt . Darüber hinaus weist eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB)11 darauf hin, dass die Nachfrage nach IT-Berufen deutlich zunehmen wird. Auch hier sind Freie Berufe wie Informatiker und EDV-Berater vertreten. 54. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um den hierdurch veränderten Fachkräftebedarf im Bereich freiberuflicher Dienstleistungen zu decken und die Selbstverwaltungsorgane der freien Berufe bei der Fachkräftesicherung zu unterstützen ? Das Projekt CPS.HUB NRW bietet Informationsveranstaltungen zur Thema digitale Transformation an. In enger Kooperation mit Industrie- und Handelskammern, IT-Netzwerken und Wirtschaftsförderungen erreicht das Projekt auch die Freien Berufe, die im Bereich der IT und der Kreativwirtschaft verortet sind. Diese erhalten Einladungen zu Veranstaltungen in den Themengebieten Cloud Computing, IT Security, Kommunikationsnetze etc. Innerhalb des Projektes CPS.HUB NRW werden ebenfalls Themen wie Roboter, selbstfahrende Autos, künstliche Intelligenz, Big Data und dessen mögliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt betrachtet. Hier könnte die Weiterentwicklung der Computertechnik und Automation dazu führen, dass Ärzte/Ärztinnen oder auch Analystinnen/Analysten zukünftig weniger Zeit für Routinetätigkeiten aufbringen müssen und mehr Ressourcen für Spezialthemen oder Neuentwicklungen zur Verfügung stehen. Daneben hat die Landesregierung mit der Fachkräfteinitiative NRW eine umfangreiche Unterstützungsmaßnahme zur Fachkräftesicherung und zur Erschließung von bislang ungenutzten Erwerbspotenzialen platziert. Auch die geplante nordrhein-westfälische Allianz Wirtschaft und Arbeit 4.0 sowie das im Aufbau befindliche Kompetenzzentrum Industrie 4.0 West des Bundes wird Informations- und Unterstützungsleistungen im Rahmen eines Partnernetzes anbieten. 10 IAB 2015: Verheißung oder Bedrohung. Die Arbeitsmarktwirkungen einer vierten industriellen Revolution. IAB-Discussion Paper 18/2015, Nürnberg 11 Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg.): IT-Berufe und IT-Kompetenzen in der Industrie 4.0., Bonn 2015 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11081 35 55. Freiberufliche Dienstleistungen schaffen ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Freiberufler, Patient, Mandant und Klient. Diesem ist bei zunehmender Digitalisierung der Arbeitsabläufe und dem notwendigen Einsatz externer Dienstleister (z.B. Aufbau und Wartung von IT- und Kommunikationsstrukturen, Nutzung von Cloud Computing) durch Freiberufler Rechnung zu tragen. Welche rechtlichen Anpassungen sind hier nach Ansicht der Landesregierung für freiberufliche Dienstleistungen in Land, Bund und Europa herbeizuführen? Nach Ansicht der Landesregierung sind bei der Weiterführung des Gesetzgebungsprozesses zur EU-Datenschutzgrundverordnung das besondere Vertrauensverhältnis und die Berufsgeheimnisträgerschaft der Freien Berufe besonders zu berücksichtigen. Gleichwohl muss aber die Verarbeitung personenbezogener Daten auch künftig möglich sein. Hinzu kommt die Abmilderung von Risiken der digitalen Arbeitswelt. Dazu gehört die Gefahr der Abwertung menschlicher Arbeit. Intelligente Software macht menschliche Arbeit in einigen Bereichen überflüssig oder wertet sie finanziell ab. Gute Arbeit wird weniger gut bezahlt. Die Zahl der Aufträge, die Freiberufler bearbeiten müssen, um ein Auskommen zu haben, wird zunehmen. Zunehmen könnten daher auch weiter stressbedingte Erkrankungen, verursacht durch eine ständige digitale Erreichbarkeit. Diese wirkt sich auf die Arbeitsbelastung aus. Das verdeutlicht auch die aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zum Thema Stress am Arbeitsplatz.12 Demnach leidet mittlerweile jeder dritte Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin in Deutschland unter berufsbedingtem Stress. Deshalb spielt der Datenschutz in der digitalisierten Arbeitswelt eine große Rolle. In Zeiten der Digitalisierung ist die Weiterbildung in IT-Sicherheitsthemen und die Sensibilisierung im Umgang von persönlichen Daten ein zentrales Thema. Ob zur Wahrung einer ausreichenden IT-Sicherheit die gegenwärtig existierenden Gesetze und Regelungen bei konsequenter Anwendung und Durchsetzung bereits ausreichen oder ob gegebenenfalls auch rechtliche Anpassungen notwendig werden, kann mit Blick auf die sich ständig ändernden IT-technischen Rahmenbedingungen und -risiken nicht abschließend vorhergesagt werden. In jedem Fall ist es erforderlich, umfassend über die bestehenden Regelungen, insbesondere auch bei grenzüberschreitendem Datenverkehr (z.B. Anwendung des dt. Datenschutzrechts bei EU-Hosting-Anbietern), zu informieren. Die Rechte gegenüber den Anbietern von externen Dienstleistungen müssen konsequent bewahrt und durchgesetzt werden. So können die Freiberufler auch ihren schon jetzt bestehenden Pflichten zur Geheimniswahrung und zum Datenschutz gegenüber ihrer Kundschaft nachkommen. 12 Siehe Chevalier, Anja; Gert Kaluza: Stress am Arbeitsplatz. Indirekte Unternehmenssteuerung, selbstgefährdendes Verhalten und die Folgen für die Gesundheit, in: Gesundheitsmonitor Newsletter 01/2015. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11081