LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11122 15.02.2016 Datum des Originals: 12.02.2016/Ausgegeben: 18.02.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4280 vom 13. Januar 2016 der Abgeordneten Ina Scharrenbach und Josef Hovenjürgen CDU Drucksache 16/10734 Was hat beim Datenabgleich des in Frankreich getöteten und in Recklinghausen gemeldeten Asylsuchenden nicht funktioniert? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4280 mit Schreiben vom 12. Februar 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits mit der Kleinen Anfrage Nummer 3748 „Erstaufnahme von Flüchtlingen: Warum wird in NRW die erkennungsdienstliche Behandlung von Flüchtlingen und anderen Einreisenden nicht an den Anfang der Kette gestellt?“ (Drs.-Nr. 16/9441) haben wir die Landesregierung auf die Probleme bei der Erst-Registrierung von Asylsuchenden in Nordrhein-Westfalen hingewiesen . Die unmittelbare Verknüpfung von Erst-Registrierung (Erfassen von Personendaten und Anfertigen eines Lichtbildes) in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes mit der erkennungsdienstlichen Behandlung ist für den gesamten Asylprozess von hoher Wichtigkeit: Es erfolgt ein Abgleich der Daten u.a. mit der EURODAC-Datei, um festzustellen, ob der Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union einen Asylantrag gestellt hat. Folgeantragsteller, auch aus sicheren Drittstaaten, könnten zügig identifiziert werden, Familienangehörige von vermeintlich unbegleiteten Minderjährigen schnell ausfindig gemacht werden , Mehrfachantragstellungen einzelner Personen dadurch unterbunden werden. Nur: In Nordrhein-Westfalen wird die erforderliche erkennungsdienstliche Behandlung von Asylsuchenden bisher nicht an den Anfang der Prozesskette gestellt. Die Brisanz des Themas der Registrierung und erkennungsdienstlichen Erfassung von Flüchtlingen , Asylbewerbern und illegal eingereisten Personen ist durch den Vorfall um den bewaffneten Asylbewerber aus Recklinghausen nun wieder deutlich geworden: Der mit einem Beil bewaffnete Mann, der in Paris eine Polizeistation angegriffen hat und erschossen wurde, war in Recklinghausen als Asylbewerber registriert und saß in Deutschland bereits in Haft. Wie LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11122 2 das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen mitteilte, nutzte der Mann in den vergangenen Jahren mindestens sieben unterschiedliche Identitäten für Asylantragstellungen. 1. Was hat bei den Datenabgleichen nicht funktioniert? In Verbindung mit der Vorbemerkung wird durch die Frage unterstellt, dass die Tatsache, dass der Attentäter von Paris unter Aliaspersonalien Asyl in verschiedenen EU-Staaten beantragen konnte, auf den (späten) Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung von Asylsuchenden zurückzuführen ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nachdem er am 10. Dezember 2013 durch die Bundespolizei erstmals am Aachener Hauptbahnhof aufgegriffen und aufgrund seines geäußerten Asylgesuchs an die Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund weitergeleitet worden war, erfolgte bereits am 07. Januar 2014 die Asylantragstellung und Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Düsseldorf. Nach erfolgtem Abgleich mit Eurodac (Fingerabdruck-Datenbank der EU) wandte sich das BAMF am 21. Februar 2014 mit einem Übernahmeersuchen nach der Dublin III - Verordnung an Rumänien. Das BAMF informierte die Ausländerbehörde am 13. Oktober 2014 über die gescheiterte Übergabe der Zuständigkeit an Rumänien und die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland. Die Landesregierung hat zu dem Fall des Pariser Attentäters unter TOP 7 der Sitzung des Innenausschusses des Landtags am 21. Januar 2016 ausführlich mündlich berichtet. 2. Zu welchem Zeitpunkt erfolgt in der gesamten Registrierungskette (von der Erst- Registrierung in der Zuständigkeit des Landes bis hin zur Asylantragstellung beim BAMF) ein Abgleich mit den polizeilich erfassten Daten im Hinblick auf begangene Straftaten und damit einem möglichen Verwirken des Asylrechts? Das BAMF prüft im Rahmen des Asylverfahrens insbesondere, ob Ausschlusstatbestände im Sinne von § 3 Absatz 2 Asylgesetz oder § 60 Absatz 8 Aufenthaltsgesetz vorliegen. Die Ausländerbehörde hat grundsätzlich die Möglichkeit, auch während des Asylverfahrens vor der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgestattung eine sogenannte Sicherheitsanfrage auf der Grundlage von § 73 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz zu veranlassen. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde. Die Anfrage kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen von Sicherheitsbedenken gegeben sind. Die für die Einleitung und Durchführung eines Straf- oder eines Bußgeldverfahrens zuständigen Stellen haben die zuständige Ausländerbehörde außerdem über die Einleitung des Strafverfahrens sowie die Erledigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bei der Staatsanwaltschaft , bei Gericht oder bei der für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständigen Verwaltungsbehörde zu unterrichten (§ 87 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11122 3 3. Stuft die Landesregierung die aufgetretenen Erkenntnislücken als Einzel- oder als systematischen Fehler ein? Durch erkennungsdienstliche Maßnahmen im Rahmen des Asylverfahrens sowie im Zuständigkeitsbereich der Polizei in Deutschland konnten die verschiedenen Anders-Personalien festgestellt und einer Person zugeordnet werden. Siehe im Übrigen Antwort auf Frage 1. 4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung für den landeseigenen Prozessablauf aus dem Fall des in Recklinghausen gemeldeten Asylsuchenden gewonnen? Siehe Antwort auf Frage 1. 5. Geht die Landesregierung jetzt endlich dazu über, Asylsuchende erst dann in die Kommunen zuzuweisen, wenn über deren Asylantrag inkl. einer ein-eindeutigen Identitätsfeststellung positiv entschieden ist? Die Dauer des Verbleibs in einer Landesaufnahmeeinrichtung und der Zeitpunkt der Zuweisung in die Kommunen richten sich nach den Vorgaben der §§ 47ff Asylgesetz. Nach positivem Asylbescheid ist eine Zuweisungsentscheidung nicht mehr möglich. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11122