LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11152 17.02.2016 Datum des Originals: 17.02.2016/Ausgegeben: 22.02.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4255 vom 6. Januar 2016 der Abgeordneten Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/10696 Was tut die Landesregierung für die Phosphorgewinnung aus Gülle und damit gegen die übermäßige Gülleausbringung insbesondere im Kreis Düren? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4255 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Kreis Düren gehört europaweit zu den am stärksten mit Nitrat belasteten Regionen. Im NRW Landesdurchschnitt weisen „nur“ 13,9% aller Grundwassermessstationen eine Überschreitung des Grenzwertes der Trinkwasserverordnung von 50 mg/l auf. Auch im Kreis Düren wird ein Großteil des Trinkwassers aus dem Grundwasser gewonnen. Doch infolge der viel zu hohen Nitratbelastung sind viele Grundwasserbereiche nicht mehr für die Trinkwassergewinnung geeignet und müssen vorab umfangreich aufbereitet werden. Nitrat wird im Körper in das giftige Nitrit umgewandelt. Das beeinflusst den Sauerstofftransport im Blut und kann besonders bei Säuglingen gefährlich sein. Aus Nitrit können außerdem krebserregende Nitrosamine entstehen. Deshalb gibt es einen Grenzwert für Nitrat in der Trinkwasser-Verordnung. Hauptquelle für die Nitratbelastung des Grundwassers ist die intensive Düngung landwirtschaftlicher Flächen. Gülle und andere Tierexkremente, aber auch Mineraldünger werden in viel größerer Menge auf die Flächen aufgebracht als Pflanzen diesen Dünger verbrauchen können. Das im Dünger enthaltene Nitrat gelangt so ins Grundwasser. Auch im Kreis Düren lässt sich in Bördegebieten jedes Jahr beobachten, wie riesige Mengen Tierkot – LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11152 2 zum Teil aus dem benachbarten Ausland – mit Tanklastzügen u.ä. auf den Ackerflächen ausgebracht werden. In den Kommunen Linnich und im Osten Jülichs seien bei Proben bis zu 65 mg/L festgestellt worden, in Niederzier und dem Osten Dürens waren es sogar 90 Milligramm Nitrat – fast das Doppelte der erlaubten Menge. Am schlechtesten schneidet das Grundwasser in Merzenich, Vettweiß und Nörvenich ab: Dort wurden teilweise Nitratwerte von 100 mg/L festgestellt. Die Einfuhr von Gülle aus den Nachbarländern wird gut bezahlt. Das Gülleproblem verschwände natürlich, wenn Ackerbau und Viehzucht in Deutschland wieder zusammenrückten. Doch das ist politisch tabu. Stattdessen wird die Gülle selbst bewegt. Der Lieferant muss dafür bezahlen, dass er sie loswird. Wie viel, das wird inzwischen an speziellen Börsen ausgehandelt. Dann wird die Gülle in Lastern quer durchs Land gefahren, aus den Zentren der Tierhaltung heraus, hinein in die Ackerbauregionen, zum Beispiel in den Kreis Düren, insbesondere in die ländlichen Gebiete wie Nörvenich, Pingsheim und Vettweis, aber auch in die Nachbarkreise. und häufig wird aufgrund der winkenden Taler mehr Gülle ausgebracht als notwendig. Der Versuch von NRW, die Einfuhr zu begrenzen, scheiterte bereits 2011 vor Gericht. Inzwischen kooperieren NRW und Niedersachsen mit den Niederländern und haben laut Presse Einblick in deren Buchführung. Mit mehr Kontrolle habe man die Hoffnung, das Nitratproblem auch in Deutschland in den Griff zu bekommen. Bedauerlicherweise gibt es wohl neue Verordnungen aber immer noch keine Kontrolle. Dafür fehlt schlicht das Personal. Und so droht Deutschland letztlich ein Verletzungsverfahren durch die EU, weil es nicht genug für die Wasserqualität tut. Was also kann man tun um aus Gülle nicht Gift sondern Gold zu machen? So ist beispielsweise Phosphor unersetzlich für die Menschheit. Immer gieriger wird die Ressource verbraucht, die Vorräte schwinden. 2007 überstieg erstmals die weltweite Nachfrage das Angebot. Innerhalb weniger Monate verachtfachte sich der Preis für Phosphor. Prompt erhob China einen Ausfuhrzoll von 120 Prozent. Im Jahre 2012, auch das ist eine Premiere, stufte die Bundesregierung Phosphor als Mangelrohstoff ein. Noch scheint der Rohstoff zu reichen – aber er ist ungerechter auf der Erde verteilt als Erdöl. Davon profitiert vor allem einer: Mohammed VI, König von Marokko. Das Berberreich soll über 80 Prozent der globalen Reserve verfügen. Die Phosphatindustrie ist in der Hand der Regierung, sie erwirtschaftet die Hälfte der staatlichen Einnahmen. Die übrigen Weltbestände lagern mehrheitlich in China, Syrien und Algerien, auch in Russland und Brasilien finden sich Phosphorvorräte. Die USA rechnen damit, dass ihre Reserven in wenigen Jahrzehnten erschöpft sein werden. Europa, ohne nennenswerte eigene Vorkommen, ist darauf angewiesen, Phosphat zu importieren. 330 000 Tonnen streuen deutsche Bauern jedes Jahr auf ihre Felder. Wissenschaftler aus Deutschland und der Schweiz gelten international als Pioniere des Phosphorrecyclings. Einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge stammen von rund 50 solcher Verfahren mehr als die Hälfte aus Deutschland. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11152 3 Vorbemerkung der Landesregierung Gülle ist grundsätzlich ein wertvoller, organischer Wirtschaftsdünger, der als Mehrnährstoffdünger sowohl Stickstoff als auch Kalium und Phosphor, überwiegend in einer für Pflanzen verfügbaren Form, enthält. Zusätzlich trägt Gülle maßgeblich zur Versorgung des Bodens mit organischer Substanz und somit zur Humusreproduktion bei. Gleichzeitig führen übermäßiger Anfall und Aufbringung von Gülle in den betroffenen Gebieten zu erheblichen Gewässerschutzproblemen und zu einer Gefährdung der Trinkwasserversorgung. Die bundesweit geltende Düngeverordnung regelt die Anforderungen an die Anwendung von Düngemitteln. Die Aufbringmenge wird durch den zu ermittelnden Düngebedarf festgelegt. Für eine jährlich auf Betriebsebene zu erstellende Nährstoffbilanz für Stickstoff und Phosphor gelten maximal zulässige Bilanzsalden. Die Stickstoffmenge aus Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft wie Gülle ist darüber hinaus auf maximal 170kg Stickstoff pro Hektar und Jahr begrenzt. In der Regel begrenzt der maximal zulässige Bilanzsaldo bei Phosphor von 20 kg pro Hektar und Jahr die Aufbringung von Gülle schon, bevor die Grenze von 170kg N erreicht wird. Düngeverordnung und Düngegesetz werden zurzeit novelliert. Nordrhein-Westfalen hat sich für deutlich schärfere Anforderungen aus Sicht des Gewässerschutzes und bessere, effizientere Kontrollmöglichkeiten eingesetzt (siehe auch Antwort zu Frage 1). Bereits seit mehr als fünf Jahren, also lange bevor der Bund diese Aspekte aufgegriffen hat, fordert Nordrhein-Westfalen insbesondere die Möglichkeit, dass die Länder in Gebieten, in denen die Zielerreichung der Wasserrahmenrichtlinie aufgrund von Stickstoffeinträgen aus der Landwirtschaft gefährdet ist, schärfere Anforderungen stellen können und eine Verbesserung des Abgleichs mit Daten aus anderen Bereichen zum Zweck der Kontrolle des Düngerechts. Die Kontrolle der Düngeverordnung ist in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert worden, für 2016 wird deutlich mehr Personal bei der zuständigen Behörde eingesetzt und ein neues Kontrollkonzept umgesetzt. Der Kreis Düren weist zwar an vielen Messstellen zu hohe Nitratwerte auf, die Ergebnisse des 2014 veröffentlichten Nährstofberichts zeigen jedoch ( auch unter Berücksichtigung von Gülletransporten aus anderen Ländern (NL, B) oder Kreisen) deutlich negative Bilanzsalden für Stickstoff und Phosphor aus Wirtschaftsdüngern auf. Der größte Teil des Düngebedarfs wird demnach hier nach wie vor durch den Einsatz von Mineraldünger abgedeckt. Der Schwerpunkt bei Aufbereitungsverfahren zur Phosphorrückgewinnung liegt im Bereich der Klärschlammverwertung. In Gülle liegt der Phosphor in einer sehr gut pflanzenverfügbaren Form vor. Nach dem Bericht der Bund-Länder AG Abfall „Ressourcenschonung durch Phosphor-Rückgewinnung“ vom Juli 2015 kann eine Aufbereitung in Regionen mit einer Überversorgung an Wirtschaftsdünger (Phosphor) dennoch sinnvoll sein. Verfahren zur Rückgewinnung aus Gülle stehen ebenso zur Verfügung wie die Gülleseparation. Zudem verbessert sich in der behandelten Gülle das Nährstoffverhältnis, da sie unbehandelt ein für die Pflanzenernährung ungünstiges Stickstoff-Phosphorverhältnis mit zu hohem Phosphoranteil aufweist. Eine auf den Stickstoffbedarf ausgerichtete Düngung kann daher zu einer Anreicherung von Phosphor im Boden führen. 1. Die Bundesregierung erlaubt den einzelnen Bundesländern, verschärfte Maßnahmen gegen Überdüngung ergreifen zu können. Welche Initiativen zur Kontrolle des Imports von Gülle aus den Niederlanden und ihre Ausbringung im LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11152 4 Kreis Düren hat die Landesregierung bereits ergriffen und wie werden diese Initiativen überwacht? Entgegen der Behauptung in der Frage gelten bisher die rechtlichen Anforderungen zur Düngung (Düngeverordnung) bundesweit einheitlich. NRW hat in allen Bund-/Länder- Gesprächen darauf gedrungen, dass die Länder eigene Möglichkeiten erhalten. Erst im Rahmen der laufenden Novellierung der Düngeverordnung soll den Ländern die Möglichkeit eingeräumt werden, für Gebiete, in denen die Umweltqualitätsziele im Grundwasser nicht erreicht werden, strengere Anforderungen zu stellen. Unabhängig von den rechtlichen Möglichkeiten der Düngeverordnung hat die Landesregierung folgende Maßnahmen zur besseren Kontrolle der Verbringung von Gülle, sowohl innerhalb des Landes als auch grenzüberschreitend, ergriffen: Wirtschaftsdüngernachweisverordnung (Inkrafttreten 2012), die jeden Abgeber von Wirtschaftsdünger verpflichtet, die jährlich in Verkehr gebrachte Menge, Nährstoffgehalte und Abnehmer der zuständigen Behörde zu melden, Aufbau einer Wirtschaftsdünger-Datenbank zur Erfassung aller gemeldeten Transporte, Erstellung eines Nährstoffberichts, der die Nährstoffsituation auf Kreisebene unter Einbeziehung der Wirtschaftsdüngertransporte darstellt und bewertet, Vereinbarung mit den Niederlanden, dass die dort erfassten Transportdaten nach Nordrhein-Westfalen für die Kontrollbehörde verfügbar sind, Zusammenarbeit mit niederländischen Kontrollbehörden bei konkreten Kontrollen. Die Zusammenarbeit mit den Niederlanden wird kontinuierlich weiterentwickelt. Die von Nordrhein-Westfalen in 2011 gestellte Anforderung, dass nur drucksterilisierte Gülle importiert werden darf, führte zu einem drastischen Rückgang der Importe. Diese Möglichkeit besteht jedoch aufgrund einer Entscheidung der EU-Kommission inzwischen nicht mehr. 2. Wurde gemeinsam mit den Niederlanden inzwischen ein Kontrollorgan (Aufsichtsbehörde) des Gülleimports/-exports, der Güllelagerung und der Gülleausbringung eingerichtet? Die Zusammenarbeit mit den niederländischen Behörden findet sowohl auf ministerieller als auch auf Ebene der zuständigen Behörden statt: Die Einzelheiten sind in einem gemeinsam zwischen den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und den Niederlanden verabschiedeten „Memorandum of understanding“ festgelegt, das in 2015 fortgeschrieben wurde. 3. Welche Aufklärungsinitiativen und finanziellen Anreize setzt die Landesregierung für die Landwirte, weniger Gülle auszubringen? Die Landesregierung unterstützt eine effiziente und umweltgerechte Düngung mit folgenden Initiativen: Kooperationen in Wasserschutzgebieten zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft (Beratung, Förderung von Maßnahmen), Beratung, Versuche und Demonstrationsbetriebe zur Zielerreichung der Wasserrahmenrichtlinie in gefährdeten Grundwasserkörpern, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11152 5 Fördermaßnahmen im Rahmen des Programms Ländlicher Raum (Agrarumweltmaßnahmen, z.B. Zwischenfruchtförderung, investive Förderung emissionsarmer Ausbringtechnik, Förderung des Öko-Landbaus, Förderung der Tierhaltung auf Stroh) 4. Inwiefern fördert die Landesregierung in Kooperation mit anderen Bundesländern und der EU die Phosphorgewinnung aus Gülle, um unter anderem zukünftig eine Überdüngung in intensiv mit Nitrat belasteten Regionen wie im Kreis Düren zu vermeiden? Bitte auflisten nach Forschungsinstituten und Förderzuwendungen. 1. Das Forschungszentrum Jülich im Kreis Düren beteiligt sich an einem EU-Projekt „Manure Eco Mine“ zur Gülleaufarbeitung. 2. Im Rahmen des USL-Programms (MKULNV) wurde ein neues Verfahren zur Gülleaufarbeitung von der Uni Bonn beantragt. 5. Inwieweit fördert die Landesregierung die Forschung an Restgülleverwertungsanlagen beispielsweise in Form von Verbrennung? Bitte auflisten nach Einrichtungen und Förderzuwendungen. Die Aufbereitung von Gülle sollte die Nutzung der darin enthaltenen Nährstoffe und der organischen Substanz im Rahmen einer auch überregionalen Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Die Landesregierung sieht in der Verbrennung von Gülle keine nachhaltige und energetisch sinnvolle Option einer solchen Kreislaufwirtschaft. Aufbereitungsverfahren mit dem Ziel einer besseren und umweltverträglicheren Nährstoffverwertung und –verteilung sind dagegen sinnvoll, bekannt und teilweise bis zur Praxisreife entwickelt. Erste Verfahren etablieren sich derzeit im Markt. Zur Unterstützung der weiteren Entwicklung von Aufbereitungsverfahren bietet die Landesregierung Förderzugänge etwa im Rahmen des Leitmarktwettbewerbes „EnergieUmweltwirtschaft.NRW“. Der „Cluster EnergieForschung“ unterstützt interessierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei der Projektinitiierung. Darüber hinaus stehen für die Realisierung von Investitionsprojekten zur Gülleaufbereitung grundsätzlich auch Landesbürgschaften zur Verfügung. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11152