LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11168 18.02.2016 Datum des Originals: 18.02.2016/Ausgegeben: 23.02.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4306 vom 15. Januar 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/10803 Sind Asylbewerber aus Algerien und Marokko eine Problemgruppe auch in Nordrhein- Westfalens Asylunterkünften? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4306 mit Schreiben vom 18. Februar 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Immer wieder wird über die Problemgruppe der nordafrikanischen Männern auch in Asylbewerberunterkünften berichtet und vor allem über Spannungen mit syrischen Flüchtlingen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Wilfried Kretschmann erklärte aktuell in der Süddeutschen Zeitung, dass er die Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten – vor allem Marokko und Algerien - in Teilen für eine "Problemgruppe" halte. Deshalb werde die badenwürttembergische Landesregierung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorschlagen, die Asylanträge aus diesen Ländern "prioritär" zu behandeln. In Flüchtlingsunterkünften würden syrische Frauen von nordafrikanischen Männern massiv bedrängt. Syrische und maghrebinische Asylbewerber sollen deshalb künftig getrennt untergebracht werden. Laut aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge steigt derweil die Zahl der Asylbewerber aus Algerien und Marokko stark an. Allein im Dezember kamen fast 2.300 Asylbewerber aus Algerien und 3.000 aus Marokko nach Deutsch-land, während im Gesamtjahr 2014 weniger als 4.000 Menschen aus diesen beiden Staaten Asyl in Deutschland begehrten. In Nordrhein-Westfalen gehörten Algerien mit 6.782 (2,92 Prozent) und Marokko mit 6.429 (2,77 Prozent) zu den zehn Hauptherkunftsländern an Zuweisungen durch die Easy- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11168 2 Verteilung, während bundesweit beide Länder nicht zu den 10 Hauptherkunftsländern gehören. Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums sind die Chancen auf ein Bleiberecht für beide Gruppen gleichzeitig aber sehr gering. 2015 erhielt nur einer von 59 Algeriern und nur einer von 27 Marokkanern Asyl. Laut Bundesinnenministerium sind unter den rund 8.000 ausreisepflichtigen Nordafrikanern in Deutschland zudem allein rund 2.300 Marokkaner - nicht zuletzt weil die Abschiebung sich wegen fehlender Ausweispapiere verzögert. Da derzeit immer mehr Algerier und Marokkaner nach Deutschland kämen, so das Bamf, werde die Zahl dieser Ausreisepflichtigen aller Voraussicht nach weiter stark wachsen, denn die allermeisten hätten keine Chance auf Asyl. Laut Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr gerade einmal 1,6 Prozent der algerischen Asylbewerber anerkannt und 3,7 Prozent der marokkanischen. Vorbemerkung der Landesregierung Zu den sogenannten Maghreb-Staaten gehören neben Algerien und Marokko auch die Staaten Libyen, Mauretanien und Tunesien. Da für die drei letztgenannten Staaten jedoch keine Bearbeitungszuständigkeiten bei den Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nordrhein-Westfalen bestehen, erfolgt keine Verteilung von Asylsuchenden dieser Herkunftsstaaten auf NRW. Die nachfolgende Beantwortung bezieht sich daher auf die in der Überschrift zur Kleinen Anfrage genannten Herkunftsstaaten Algerien und Marokko. Neben den Bearbeitungszuständigkeiten in NRW liegen diese für Algerien in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen und für Marokko in Niedersachsen und Sachsen. Entsprechend erfolgt die Verteilung außer auf NRW nur noch auf diese weiteren Bundesländer. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Situation um nordafrikanische Flüchtlinge in den Asylbewerberunterkünften des Landes, vor dem Hintergrund der Aussage des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, dass er Flüchtlinge aus Maghreb- Staaten in Teilen für eine Problemgruppe halte? Die Landesregierung beobachtet aufmerksam die Situation um nordafrikanische Flüchtlinge in den Asylbewerberunterkünften des Landes. Grundsätzlich sind Auffälligkeiten im Zusammenhang mit alleine reisenden jungen Männern nordafrikanischer Herkunft innerhalb der Unterbringungseinrichtungen und in deren Umfeld kein neues Phänomen und bereits länger bekannt. Diese erstrecken sich von einfachen Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Straftaten. Eine Verbesserung der Situation könnte bereits durch eine gleichmäßigere Verteilung in der Bundesrepublik herbeigeführt werden. Die Landesregierung setzt sich auf Bund-Länder- Ebene für eine Verteilung der Asylbewerber aus Algerien und Marokko auf alle Bundesländer ein, wie es bei anderen zugangsstarken Herkunftsländern bereits jetzt der Fall ist. Die Landesregierung hat sich mit dem BMI darauf verständigt, dass NRW für die Zuweisung von Marokkanern künftig gesperrt wird. Die Zuweisungen erfolgen vorerst in andere Bundesländer, die entsprechende Spezialzuständigkeiten vorhalten. Die Altfälle in NRW werden weiter (prioritär) in der NRW-Außenstelle abgearbeitet. Innerhalb des Landes wurden in den vergangenen Jahren bereits Maßnahmen ergriffen, um den Auffälligkeiten im Zusammenhang mit alleine reisenden jungen Männern in den Unterbringungseinrichtungen des Landes besser begegnen zu können. Dazu gehören LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11168 3 (beispielhaft): Erhöhung der Polizeipräsenz an Landeseinrichtungen, Verstärkung der Sicherheitsdienste in Landeseinrichtungen, Runde Tische mit Vertretern u.a. der Standortkommunen, Polizei und Einrichtungsbetreibern, des Weiteren Einbeziehung von Freizeitangeboten auch speziell für alleine reisende junge Männer in die fortgeschriebene Leistungsbeschreibung des Landes zur Vergabe des Betriebs der Einrichtungen. Um den Informationsaustausch zwischen der Bezirksregierung Arnsberg und der Polizei zu optimieren, zur Erstellung eines monatlichen polizeilichen Lageberichts und zur zielgerichteten polizeilichen Aufgabenwahrnehmung wurde bereits im Dezember 2014 die polizeiliche Verbindungsstelle bei der Bezirksregierung Arnsberg eingerichtet. Die polizeilichen Verbindungsstellen werden noch im ersten Quartal 2016 auf alle fünf Bezirksregierungen ausgeweitet. Weitere Maßnahmen werden aktuell vorbereitet. Das Datenaustauschverbesserungsgesetz sieht nunmehr die ED-Behandlung durch das Land gleich zu Beginn der Erstaufnahme und nicht erst durch das BAMF bei Asylantragstellung vor. Durch die Ausstellung des einheitlichen Flüchtlingsausweises werden Mehrfachregistrierungen und somit die Verwendung von Alias-Personalien verhindert. Hierdurch werden Straftaten erschwert und polizeiliche Ermittlungen erleichtert. 2. Wie entwickelten sich im vergangenen Jahr die Asylzahlen von Menschen aus Nordafrika? Die Zuweisungen von Asylsuchenden aus Algerien und Marokko nach NRW stiegen von 2014 zu 2015 lt. EASY (IT -Anwendung zur Erstverteilung der Asylbegehrenden auf die Bundesländer) im Verhältnis der Gesamtzugänge an: 2014 2015 Steigerung Algerien 1.703 6.790 +299 % Marokko 1.424 6.444 +353 % Gesamtzugänge aller Herkunftsstaaten 50.553 231.878 +359 % Anteil Algerien am Gesamtzugang 3,37 % 2,93 % - 0,44 pp Anteil Marokko am Gesamtzugang 2,82 % 2,78 % - 0,04 pp Im Januar 2016 ist bei den Zuweisungen von Asylbewerbern insbesondere aus Marokko nach NRW im Vergleich zu Januar 2015 eine deutliche Zunahme zu verzeichnen: Jan 2015 Jan 2016 Steigerung Algerien 244 698 +186% Marokko 161 1363 +747% Gesamtzugänge aller Herkunftsstaaten 6939 19359 +179% Anteil Algerien am Gesamtzugang 3,52 % 3,61 % + 0,09 pp Anteil Marokko am Gesamtzugang 2,32 % 7,04 % + 4,72 pp LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11168 4 3. Wie bewertet die Landesregierung die Vorschläge des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, Asylanträge von Menschen aus Marokko und Algerien prioritär durch das BAMF entscheiden zu lassen? Vor dem Hintergrund der besonders niedrigen Schutzquote bei Asylbewerbern aus Algerien und Marokko steht die Landesregierung diesem Vorhaben positiv gegenüber und unterstützt das BAMF hier bei seiner Aufgabenwahrnehmung. Entsprechende Vereinbarungen wurden bereits mit dem BAMF getroffen. Alle Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung laufen jedoch ins Leere, wenn bestehende Ausreisepflichten nicht konsequent umgesetzt werden können. Die Staaten Algerien und Marokko verhalten sich bislang bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber nicht kooperativ, was die Durchsetzbarkeit der durch Ablehnung des Asylantrages entstehenden Ausreisepflicht erheblich erschwert. Vor diesem Hintergrund ist der Bund gefordert, seine Bemühungen insbesondere die nordafrikanischen Staaten zu einer erhöhten Rücknahmebereitschaft zu bewegen, zu intensivieren. 4. Wie bewertet die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen die Notwendigkeit einer separaten Unterbringung von Syrern und Nordafrikanern in Asylunterkünften? Bislang liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Trennung gerade dieser beiden Personengruppen von Vorteil wäre. Verschiedene Möglichkeiten der Unterbringung für alleine reisende junge Männer aus Algerien und Marokko werden derzeit geprüft. 5. Wie bewertet die Landesregierung eine mögliche Einstufung von Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern? Zur Bestimmung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten liegt ein Referentenentwurf der Bundesregierung vor. Die Landesregierung wird den Entwurf und seine Begründung prüfen. In Anbetracht der erheblich gestiegenen Zahl der in Deutschland um Asyl nachsuchenden Menschen sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, Asylverfahren deutlich zu beschleunigen. Wer keinen Schutzbedarf geltend machen kann, muss das Land so zügig wie möglich verlassen. Alle Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung laufen jedoch ins Leere, wenn bestehende Ausreisepflichten nicht konsequent umgesetzt werden können. Hier ist der Bund gefordert, seine Bemühungen insbesondere die nordafrikanischen Staaten zu einer erhöhten Rücknahmebereitschaft zu bewegen, zu intensivieren. (siehe hierzu auch Antwort auf Frage 3). Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11168