LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11177 19.02.2016 Datum des Originals: 18.02.2016/Ausgegeben: 24.02.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4319 vom 20. Januar 2016 der Abgeordneten André Kuper, Henning Rehbaum und Oskar Burkert CDU Drucksache 16/10841 Ergebnisse der Razzia in Ahlen: “Versehentliche“ Zuweisung nordafrikanischer Asylbewerber und oberflächliche Erstregistrierung von Flüchtlingen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4319 mit Schreiben vom 18. Februar 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Polizei hat am Dienstag, 19.01.2016, bei einer Razzia in zwei Notunterkünften in Ahlen 150 nordafrikanische Bewohner überprüft. Das Ergebnis der Polizeiaktion ist: Mehr als die Hälfte der überprüften nordafrikanischen Asylbewerber hätte Mehrfachpapiere gehabt und offensichtlich doppeltes Taschengeld kassiert, teilten die Ermittler mit. Nach Polizeiangaben vom Abend wurden 61 Strafanzeigen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen gestellt, neben weitere Strafverfahren wegen Diebstahl und anderer Delikte. Die Polizei kritisierte in diesem Zusammenhang das Registrierungssystem. Die Bezirksregierung in Arnsberg hat eingeräumt, dass bei der Zentralen Registrierungsstelle am Flughafen Münster-Osnabrück sich Flüchtlinge ohne Papiere theoretisch mehrfach registrieren lassen könnten, da bei der Erstregistrierung keine Fingerabdrücke genommen werden.§ 16 Asylgesetz bestimmt jedoch, dass die Identität eines Ausländers, der um Asyl nachsucht, durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern ist, es sei denn, dass er noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet hat. Zuständig für diese Maßnahmen ist neben dem Bundesamt auch die Aufnahmeeinrichtung, bei der sich der Ausländer meldet. Gleichzeitig räumte die Bezirksregierung Arnsberg ein, dass es ein Fehler und Versehen gewesen sei, geballt allein reisende junge Männer aus Maghreb-Staaten in einer Stadt unterzubringen. Anfang Januar wurden der Stadt Ahlen 230 Flüchtlinge vorwiegend marokkanischer Herkunft zugewiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11177 2 1. Wie kann es zu dem angeblichen „Versehen“ kommen, dass einer Gemeinde vorwiegend allein reisende junge Männer aus nordafrikanischen Staaten zugewiesen werden? Die Hintergründe stellen sich wie folgt dar: Am 09. und 10.01.2016 sind in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) in Dortmund größtenteils Nordafrikaner angekommen. Dies ist der Quotenregelung bezüglich der Herkunftsländer in der EASY-Verteilung geschuldet. Nach dieser Quotenregelung wurden auf NRW im Jahr 2016 (bis 28.01.2016) insgesamt 44,6 % aller in der Bundesrepublik Deutschland ankommender Algerier und 83,7 % aller in der Bundesrepublik Deutschland ankommender Marokkaner verteilt. (Weitere Erläuterungen hierzu in Frage 2). Da in der EAE Dortmund am Wochenende nicht selbst registriert wird, wurden alle oberhalb der Aufnahmekapazität in Dortmund angekommenen Flüchtlinge in die Transitunterkunft (TU) Herford weitergeleitet. Deshalb wurden am Samstag den 09.01.2016 100 und am Sonntag 248 unregistrierte Flüchtlinge aus der EAE Dortmund in die TU Herford transferiert. Die ethnische Zusammenstellung der ankommenden Flüchtlinge in Dortmund ist nicht steuerbar. Die in der TU Herford aufgenommenen Flüchtlinge wurden dann, wie üblich, der Registrierstelle Herford zur Registrierung zugeführt. Nach erfolgter Registrierung sind die Personen in die als Destinationen bereitgestellten Unterkünfte transferiert worden. Die Bezirksregierung Arnsberg hat somit im Rahmen ihres operativen Tagesgeschäfts entschieden, den Zugang der EAE-Dortmund an diesem Wochenende in die TU Herford zu steuern, um am darauffolgenden Montag den 11.01.16 die Flüchtlinge in der Registrierstelle in Herford registrieren zu können. Hinweise auf eine besondere Zusammensetzung des Wochenendzugangs lagen nicht vor. 2. Mit welchen Konsequenzen aus der Zuweisungspraxis von Maghreb- Asylbewerbern will die Landesregierung künftig verhindern, dass Kommunen - ohne jegliche Vorbereitung oder Unterstützung - konzentriert Asylbewerber aus nordafrikanischen Staaten zugewiesen bekommen? Aufgrund des festgestellten verstärkten Zugangs von Flüchtlingen aus Nordafrika nach NRW müssen die Landeseinrichtungen die Belegung mit nordafrikanischen Flüchtlingen über das neu entwickelte IT-gestützte LIA-System (Liegenschaftsinterface-Asyl) tagesscharf mitteilen, sodass eine überproportionale Belegung vermieden werden kann. Über die Koordination durch die Bezirksregierung Arnsberg wird sichergestellt, dass diese Flüchtlingsgruppe gleichmäßig über das Land verteilt wird. Den weiterleitenden Stellen (Erstaufnahmeeinrichtungen, Registrierstellen) werden Kontingente für diese Personengruppen in den Unterkünften benannt. Auch die maximale Belegung mit nordafrikanischen Flüchtlingen wird hier vorgegeben. Darüber hinaus besteht akuter Änderungsbedarf bezüglich der konzentrierten EASY- Verteilung der nordafrikanischen Flüchtlinge nach NRW. Das MIK hat das Bundesministerium des Inneren und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Änderung der Zuständigkeit der Außenstellen des BAMF für die Herkunftsländer Algerien und Marokko aufgefordert. Die derzeitige Bearbeitungszuständigkeit des BAMF für Marokko liegt allein bei den Ländern Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, für Algerien bei den vier Bundesländern NRW, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11177 3 Die Asylverfahren für Personen insbesondere aus Marokko und Algerien sollen prioritär durchgeführt werden. Für Personen, die sich noch in den Landeseinrichtungen befinden, sollen die Asylverfahren noch während der Zeit ihres dortigen Aufenthaltes abgeschlossen werden. Entsprechende Vorbereitungen zur Umsetzung sind mit dem BAMF verabredet worden. 3. Wie bewertet die Landesregierung aktuell die Situation der Erstregistrierung von Asylbewerbern in Nordrhein-Westfalen? Sämtliche eingereiste Personen werden in den Landessystemen erstregistriert. In NRW erfolgt die Registrierung der Flüchtlinge derzeit nicht nur in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, sondern darüber hinaus in drei Registrierhallen in Münster, Herford und Niederaußem. 4. Aus welchen Gründen fand bei der Erstregistrierung - vorwiegend in den sog. Registrierungszentren - keinerlei erkennungsdienstliche Überprüfung der Asylbewerber statt? Die Pflicht zur ED-Behandlung richtet sich aufgrund der rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen an das BAMF. Aufgrund fehlender technischer Schnittstellen und rechtlicher Zugriffsbefugnisse war den Landesbediensteten in NRW - wie auch in anderen Bundesländern - die Datenspeicherung in einer Datenbank des BKA oder BAMF nicht möglich. Dies galt auch für die Ergebnisse einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Seit Anfang Dezember 2015 sind Bundesbeamte des BAMF in den Registrierzentren vertreten, die die erkennungsdienstliche Behandlung durchführen. An den Standorten Münster und Niederaußem ist derzeit eine Vollerfassung (d.h. inklusive ED-Behandlung) grundsätzlich gewährleistet. Auch in der Registrierhalle Herford war das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit acht Mitarbeitern vertreten - diese Mitarbeiter hat das Bundesamt jedoch zwischenzeitlich anderweitig eingesetzt. 5. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass künftig alle Asylbewerber in Nordrhein-Westfalen bereits bei der Erstregistrierung erkennungsdienstlich erfasst werden, so wie es nach Verabschiedung des Datenaustauschverbesserungsgesetzes möglich ist? Durch das Datenaustauschverbesserungsgesetz ist die rechtliche Möglichkeit geschaffen, bei Ausländern § 2 Absatz 1a und 2 Nummer 1 AZR-Gesetz auch die Fingerabdruckdaten und die dazugehörigen Referenznummern im gemeinsamen Kerndatensystem zu speichern. Zurzeit laufen die Vorbereitungen dafür, dass eine flächendeckende ED-Behandlung in NRW voraussichtlich ab März 2016 erfolgen kann. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11177