LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1125 15.10.2012 Datum des Originals: 12.10.2012/Ausgegeben: 18.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 463 vom 30. August 2012 des Abgeordneten Josef Hovenjürgen CDU Drucksache 16/920 Neuberechnung der Konsolidierungshilfe Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 463 mit Schreiben vom 12. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Debatte des Landtages, die dem Beschluss des Stärkungspaktgesetzes vorangegangen ist, ist darauf hingewiesen worden, dass verschiedene Kommunen Fehler in den Datengrundlagen , die für die Berechnung der Konsolidierungshilfe maßgebend sind (sog. Strukturelle Lücke), festgestellt haben. Von Seiten der Koalitionsfraktionen und der Landesregierung ist seinerzeit zugesagt worden, diesen Hinweisen nachzugehen. Mittlerweile haben sich die Hinweise verdichtet, dass die im Landtag erwähnten Fälle keine Ausnahmen sind. Neben den Fehlern bei den Städten „Remscheid, Dorsten und OerErkenschwick “ hat sich herausgestellt, dass allein die im Gutachten verwendete strukturelle Lücke des Kreises Recklinghausen, die bei den kreisangehörigen Städten eingeflossen ist, um 100 Mio. € zu niedrig ist. In den kreisangehörigen Städten des Kreises Recklinghausen summieren sich die Fehler in den Daten-grundlagen ebenfalls auf weit über 50 Mio. €, so dass die 10 Städte im Kreis Recklinghausen massive Nachteile durch die fehlerhaft berechnete Strukturelle Lücke erleiden. Da die monierten Fehler signifikante Auswirkungen auf die Validität der strukturellen Lücke haben, hat das MIK zugesagt, dass die Fehler in Zusammenarbeit mit den Stärkungspaktgemeinden im Detail aufgeklärt werden sollen, um so einen gesichertes Bild über den gesetzgeberischen Bedarf für eine Überarbeitung der Anlage zum Stärkungspaktgesetz zu erhalten . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1125 2 Inzwischen sind mehrere Monate vergangen, ohne dass es zu einer Neuberechnung der strukturellen Lücke gekommen ist. Die Gemeinden waren bei der Erarbeitung der Haushaltssanierungspläne gezwungen, die sich aus den Bescheiden für das Jahr 2011 ergebende Konsolidierungshilfe in die Haushaltssanierungspläne einzustellen, obwohl diese Berechnung fehlerhaft ist. In den nächsten Wochen wird über die Sanierungspläne und die für 2012 auszuzahlenden Konsolidierungshilfen entschieden. Wegen der fehlenden Neuberechnung ist zu erwarten, dass sich an der Konsolidierungshilfe auch für 2012 trotz der Fehler nichts ändert. Die Überprüfung der Datengrundlagen hat aber allein im Kreis Recklinghausen gezeigt, dass die Abweichungen so eklatant sind, dass alle Städte im Kreis Recklinghausen eine wesentlich höhere Konsolidierungshilfe erhalten müssten, als dies tatsächlich der Fall ist. Diese Städte müssen somit bis 2016 überhöhte Konsolidierungsanstrengungen erbringen. Dies schlägt sich neben den Sparmaßnahmen auch in deutlich höheren Steuersätzen nieder. Die Städte im Kreis Recklinghausen müssen die Grundsteuer B überwiegend auf den Spitzensatz von 825 % erhöhen, um die Sparauflagen zu erfüllen. Zwei Städte im Kreis Recklinghausen (Datteln und Waltrop) erreichen trotz dieser hohen Steuersätze das erste Konsolidierungsziel – Haushaltsausgleich bis 2016 einschl. Konsolidierungshilfe – nicht, sondern benötigen eine Verlängerung. Zwei Städte (Castrop-Rauxel und Oer-Erkenschwick) erreichen auch das zweite Ziel – Haushaltsausgleich bis 2021 ohne Konsolidierungshilfe – nicht. Bei einer korrekten Berechnung der Konsolidierungshilfe wäre die Zielvorgabe des Gesetzes jedoch möglicherweise erreichbar. Die Genehmigungsfähigkeit dieser Pläne hängt somit eng mit der Neuberechnung der Konsolidierungshilfe zusammen . Sofern sich die Neuberechnung der Konsolidierungshilfe weiter verzögert, stellt sich für die benachteiligten Kommunen zudem die Frage, ob sie Verfassungsklage erheben müssen. Diesen Schritt möchten die Städte möglichst vermeiden. Hierfür ist es aber notwendig, dass die Kommunen bis zum Ablauf der Klagefrist am 08.12.2012 eine verbindliche Sicherheit haben, wann und für welche Jahre es eine Neuberechnung der Konsolidierungshilfe gibt. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vor dem Hintergrund, dass sowohl Landtag als auch Landesregierung bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes wussten, dass die Datengrundlage eklatante Mängel aufweist und bei der Verabschiedung versprochen worden ist, die Datengrundlagen zu prüfen und zu aktualisieren? Es ist unzutreffend, dass der Landesregierung vor der Verabschiedung des Gesetzes bekannt gewesen sei, dass die Datengrundlage eklatante Mängel aufweist. Das Gesetz wurde am 8. Dezember 2011 vom Landtag verabschiedet. Mit Datum vom 21. November 2011 monierte die Stadt Minden, dass sie durch den Berechnungsmodus des Gutachtens der Professoren Dres. Junkernheinrich und Lenk zur Ermittlung der strukturellen Lücke benachteiligt werde, da eine zum 1. Januar 2007 erfolgte Personalausgliederung nicht berücksichtigt worden sei. Die Kritik bezog sich aber nicht auf die Validität der verwendeten Datengrundlage, sondern auf die Methodik des Gutachtens. Am 30. November 2011 teilte die Stadt OerErkenschwick mit, dass sie die gutachterlichen Ergebnisse für nicht nachvollziehbar halte. Eine vergleichbare Kritik erhob die Stadt Dorsten mit Schreiben vom 7. Dezember 2011. Nachdem die Stadt Remscheid mit Schreiben vom 30. November 2011 Informationen zu den gutachterlichen Grundlagen zur Berechnung der strukturellen Lücke erbeten hatte, hat sie mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 mitgeteilt, dass in den Jahren 2007 und 2008 geleistete Sozialleistungen nicht berücksichtigt worden seien. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1125 3 In den Schreiben der Städte Oer-Erkenschwick und Dorsten wurden Ergebnisse der gutachterlichen Berechnungen in Zweifel gezogen. Es war zu diesem Zeitpunkt für die Landesregierung aber nicht erkennbar, ob die Kritikpunkte der Kommunen überhaupt zutreffend sind und ob es sich, wie schon zuvor bei der Kritik der Stadt Minden, auch in diesen Fällen um eine auf die Systematik des Gutachtens zurückzuführende Kritik an den Rechenergebnissen handelt. Bei der Stadt Remscheid stellte sich heraus, dass der vorgetragene Mangel darauf beruhte, dass die Stadt Remscheid ihren statistischen Meldepflichten in den Jahren 2007 und 2008 nicht nachgekommen war. Die Landesregierung hatte also zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes keine Kenntnis von den Mängeln der Datengrundlage, die es gerechtfertigt hätten, das gesamte Gesetzesvorhaben aufzuschieben. Der Ausschuss für Kommunalpolitik wurde in seiner Sitzung vom 16. Dezember 2011 im Detail über den damaligen Kenntnisstand informiert. Aus Sicht der Landesregierung gibt es keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dem Stärkungspaktgesetz Rechnungsergebnisse zugrunde zu legen, die auf Daten der amtlichen Statistik beruhen. Ganz im Gegenteil ist der Landesgesetzgeber gehalten, auf amtliche Statistiken zurückzugreifen, soweit ihm nicht geeignetere Datengrundlagen zur Verfügung stehen. 2. Um die von den Kommunen erwogene Verfassungsklage zu vermeiden, sind ent- sprechende Schritte der Landesregierung erforderlich. Werden die Neuberechnung der Konsolidierungshilfe und der Beginn des Gesetzgebungsverfahrens noch vor Ablauf der gesetzlichen Frist für die Verfassungsklage am 08.12.2012 erfolgen? Nach Auskunft des Landesbetriebes Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) sind insgesamt die statistischen Meldungen von 80 Gebietskörperschaften betroffen (Stärkungspaktgemeinden und Gemeindeverbände). 18 Kommunen haben von der Durchführung eines Korrekturverfahrens abgesehen, so dass für 62 Kommunen ein Korrekturverfahren durchgeführt wird. Insbesondere durch die im betroffenen Zeitraum 2004 bis 2008 erfolgte Umstellung auf die Doppik erweist sich die Einarbeitung der Korrekturen in die Jahresrechnungsstatistik als sehr komplex. Daher befinden sich bei IT.NRW zurzeit (Stand: 25. September 2012) noch 26 Gebietskörperschaften der ersten und 19 Gebietskörperschaften der zweiten Stufe in Bearbeitung. Die Landesregierung hatte den Ausschuss für Kommunalpolitik mit Bericht vom 16. Februar 2012 über das beabsichtigte Verfahren zur systematischen Aufklärung des Sachverhalts informiert und zum Zeitkorridor Folgendes mitgeteilt: "Nach Durchführung des Überprüfungsverfahrens wird in einem Gesetzgebungsverfahren über die Änderung der Anlage des Stärkungspaktgesetzes zu entscheiden sein. Ziel ist es, die Konsolidierungshilfe möglichst schnell, spätestens aber ab dem Jahr 2013 auf einer korrigierten Datenbasis auszuzahlen." Sobald die aktualisierten Daten vorliegen, wird die Landesregierung dem Landtag eine entsprechend überarbeitete Änderung der Anlage zum Stärkungspaktgesetz zuleiten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1125 4 3. Können die Kommunen damit rechnen, dass das Gesetz rückwirkend geändert wird und auch die für 2011 ausgestellten Bescheide aufgrund der Neuberechnung angepasst werden? 4. Werden die in Kürze zu erwartenden Bescheide über die zum 01.10.2012 auszu- zahlende Konsolidierungshilfe unter den Vorbehalt einer Änderung aufgrund der Neuberechnung gestellt? Für eine entsprechende Nebenbestimmung fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Das Gesetz gewährt die Konsolidierungshilfe bei Vorliegen seiner Voraussetzungen uneingeschränkt und in einer ohne weiteres bestimmbaren feststehenden Höhe. Daher fehlt einem Widerrufs- oder Änderungsvorbehalt die Grundlage. Die Exekutive darf eine solche Nebenbestimmung nicht auf die Möglichkeit einer bevorstehenden Gesetzesänderung stützen. Der Beschluss des Landesgesetzgebers hierzu bleibt abzuwarten. 5. Welche Perspektive kann die Landesregierung den Kommunen geben, deren Haushaltssanierungspläne z. Z. nicht genehmigungsfähig sind, aber nach einer Neuberechnung genehmigungsfähig wären? Bis zu einer Änderung des Gesetzes gilt das Gesetz in der vom Gesetzgeber beschlossenen Fassung. Es ist keineswegs gewiss, dass die vom Fragesteller beschriebene Fallkonstellation eintreten wird. Bisher wurden bereits 18 Haushaltssanierungspläne der ersten und zwei Haushaltssanierungspläne der zweiten Stufe genehmigt (Stand: 26. September 2012). Nach Einschätzung der Bezirksregierungen wird der ganz überwiegende Teil der vorgelegten Haushaltssanierungspläne genehmigungsfähig sein.