LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11262 25.02.2016 Datum des Originals: 25.02.2016/Ausgegeben: 01.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4307 vom 15. Januar 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/10804 Ausreisegewahrsam für mehr Effizienz bei Abschiebungen auch in NRW Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4307 mit Schreiben vom 25. Februar 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung wurde gleichzeitig der sog. Ausreisegewahrsam in § 62b Aufenthaltsgesetz geschaffen. Dieses Instrument soll der Sicherstellung der Durchführbarkeit von konkret geplanten Abschiebungsmaßnahmen dienen und Vollzugsprobleme bei der Ausweisung und Abschiebung von Ausländern beseitigen. Die Vorschrift sieht zur Abwicklung von Abschiebungen vor, dass , wenn eine Abschiebung anberaumt ist, der Betroffene aber im Verdacht steht, dass er sich dem entziehen will, er in Zukunft für maximal vier Tage in Gewahrsam genommen werden kann - möglichst direkt im Transitbereich eines Flughafens. Der Ausreisegewahrsam von wenigen Tagen kommt nur dann in Betracht, wenn der Ausländer zum einen die freiwillige Ausreisefrist schuldhaft und erheblich hat verstreichen lassen und darüber hinaus ein Verhalten gezeigt hat, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung erschweren oder vereiteln wird. Dies ist auch von Artikel 15 der sog. Rückführungsrichtlinie 20087115/EG gedeckt. Der Ausreisegewahrsam muss zudem durch einen unabhängigen Richter angeordnet werden, der ebenso wie die beantragenden Behörden natürlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat. Das Gesetz sieht vor, dass der Ausreisegewahrsam im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft vollzogen wird, von wo aus die Ausreise des Ausländers möglich ist. Mit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11262 2 dieser Bestimmung geht eine Erleichterung für den Ausländer einher: Er hat es selbst in der Hand, den Gewahrsam doch noch vorzeitig zu beenden, wenn er sich zur freiwilligen Ausreise entschließt. Dies soll auch dadurch unterstrichen werden, dass die Ingewahrsamnahme möglichst am Flughafen selbst erfolgt, da der Ausländer dort direkt einen Flieger in seinen Herkunftsstaat wählen kann. Die Entscheidung, ob und ggf. wo eine Einrichtung zur Vollziehung des Ausreisege-wahrsams geschaffen wird ist nach der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung Aufgabe der Länder. Nachdem der Freistaat Sachsen angekündigt hat, eine Einrichtung zur Vollziehung des Ausreisegewahrsams am Flughafen Dresden zu errichten, erhält der Stadtstaat Hamburg als erstes Bundesland eine Abschiebeeinrichtung am Flughafen. Damit soll die Zahl der Rückführungen erhöht werden, wie der Hamburgische Bürgermeister Olaf Scholz ausführt. Das sei eine sehr pragmatische, sehr schlanke Einrichtung, die es möglich macht, für die wenigen Tage vor der Abschiebung jemanden festzuhalten. Die Einrichtung am Hamburger Flughafen soll Platz für eine niedrige zweistellige Zahl von Menschen bieten. In Hamburg gibt es derzeit 2.263 (Stand 30.11.2015) Ausreisepflichtige, in Sachsen 3.964, während es in Nordrhein-Westfalen mehr als 20 Prozent aller bundesweit Ausreisepflichtige gibt. Derzeit befinden sich 12.000 ausreisepflichtige Menschen ohne Duldung allein in Nordrhein-Westfalen. Im bisherigen Jahr wurden aber nur etwa 4.000 Menschen aus Nordrhein-Westfalen zurückgeführt. Hinzu kamen freiwillige Ausreisen. 1. An welchen Flughäfen ist für Nordrhein-Westfalen die Schaffung einer Einrichtung zur Vollziehung des Ausreisegewahrsams geplant? Mit der Unterbringungseinrichtung Büren, die im Einzugsbereich des Flughafens Paderborn- Lippstadt liegt, verfügt Nordrhein-Westfalen über eine Abschiebungshafteinrichtung, in der auch Ausreisegewahrsam vollzogen werden kann. Andernorts müssten erst die baulichen und personellen Voraussetzungen für eine Ingewahrsamsnahme geschaffen werden. Die derzeitigen Unterbringungsmöglichkeiten im Bereich des Flughafens Düsseldorf genügen diesen Anforderungen nicht. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit des Ausreisegewahrsams in Nordrhein-Westfalen, um mehr Effizienz bei Abschiebungen zu erreichen? § 62b AufenthaltG (Ausreisegewahrsam) dient der Sicherstellung der Durchführbarkeit von Abschiebungsmaßnahmen, insbesondere bei Abschiebungen, die einen erheblichen organisatorischen Aufwand erfordern. Beispiele sind Abschiebungen in Zielstaaten mit seltenen Flugverbindungen oder engen zeitlichen Korridoren für Abschiebungsmaßnahmen wegen eingeschränkter Gültigkeitsdauer von Reisedokumenten. Der Ausreisegewahrsam kann auch im Interesse Dritter angeordnet werden, um etwa im Rahmen einer Sammelchartermaßnahme zusätzliche belastende Verzögerungen zu vermeiden. Gemeinsam ist den Fallgruppen, dass eine exakte Verfügbarkeit der ausreisepflichtigen Personen innerhalb des vorgesehenen viertägigen Anordnungszeitraumes erforderlich ist. Neben der im Einzelfall sinnvollen Anwendung von Ausreisegewahrsam sind jedoch auch andere, weitergehende organisatorische Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung erforderlich. So wird das Land die Ausländerbehörden der Kommunen bei Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen zukünftig noch effektiver unterstützen. Hierzu werden eine Zentrale LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11262 3 Rückkehrkoordination (ZRK NRW) bei den die zuständigen kommunalen Ausländerbehörden unterstützenden Zentralen Ausländerbehörden (ZAB) eingerichtet und diese Behörden insgesamt verstärkt. Die ZRK NRW wird bisherige Unterstützungsleistungen bei Abschiebungen wie Flug- und Transportmanagement bündeln und den Kommunen als zentraler Ansprechpartner für verschiedene Rückkehrfragen, auch für Fragen der freiwilligen Rückkehr, zur Verfügung stehen. Daneben wird MIK gegenüber dem verantwortlichen Bund weiterhin auf die Beseitigung von Abschiebungshindernissen problematische Zielstaaten betreffend, insbesondere im Bereich der Passersatzpapierbeschaffung, hinwirken und sich an der neuen Organisationseinheit für die Passersatzpapierbeschaffung aktiv beteiligen. 3. Mit welchen Maßnahmen - statt des Ausreisegewahrsams - will die Landesregierung die Entziehung Ausreisepflichtiger verhindern? Die Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen nutzen die ihnen gesetzlich hierzu eingeräumten Möglichkeiten. Sofern im Einzelfall mildere Sicherungsmaßnahmen zur Haftvermeidung ausscheiden, wie beispielsweise die Zahlung einer Sicherheitsleistung, besteht die Möglichkeit der Beantragung einer Vorbereitungs- oder Sicherungshaft in der UfA bei den Amtsgerichten. Auf die Antwort zu Frage 2 wird ergänzend verwiesen. 4. Neben des Vollzugs der Ausreisepflicht ist auffällig, dass der prozentuale Anteil der geduldeten Ausreisepflichtigen im Ländervergleich stark variiert. Während in Bayern, Sachsen und Hessen rund 60 Prozent der Ausreisepflichtigen eine Duldung erhalten, sind in Nordrhein-Westfalen fast 80 Prozent der Ausreisepflichtigen geduldet. Was sind in Nordrhein-Westfalen die Gründe für die im Bundesländervergleich erhöhten Duldungszahlen von Ausreisepflichtigen? Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Absatz 1 AufenthaltG). Ein Ermessen besteht insofern nicht. In neun Bundesländern liegt der Anteil der Geduldeten bei über 80% der Ausreisepflichtigen. In insgesamt 15 Bundesländern machen die Geduldeten mehr als 60% der Ausreisepflichtigen aus. Unter Berücksichtigung derjenigen, die im AZR als Ausreisepflichtige ohne Duldung geführt werden, bestehen somit keine besonderen Auffälligkeiten bezogen auf Nordrhein-Westfalen. 5 § 61 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz bestimmt, dass die Länder zudem Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar Ausreisepflichtige schaffen können, in denen durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden soll. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit einer Ausreiseeinrichtung für Nordrhein-Westfalen? Mit dem Gemeinsamen Beschluss des Bundes und der Länder vom 18. Juni 2015 haben der Bund und die Länder einen Aktionsplan vereinbart, um die Asylverfahren zu beschleunigen sowie die Gesamtaufenthaltsdauer von Asylbewerbern zu verkürzen, die aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote stammen. Dieser Beschluss ist in NRW in hierfür bestimmten Einrichtungen erfolgreich umgesetzt worden. Insoweit wird auf die Antworten auf die Kleinen Anfragen 3767 LT-Drs. 16/9473 und 3867 LT-Drs. 16/9729 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11262 4 Die Aktionsplanumsetzung wurde in Nordrhein-Westfalen zunächst zum 04. Januar 2016 nach Abstimmung mit dem BAMF sowohl qualitativ als auch quantitativ erweitert: Zum einen werden nun sämtliche Asylsuchenden aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans (neben Albanien wegen der Bearbeitungszuständigkeiten des BAMF in NRW auch Kosovo, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina), vorbehaltlich der sachlichen Eignung des Einzelfalls, dem Beschleunigungsverfahren zugeführt. Zum anderen wurden die vorhandenen Platzkapazitäten im Bereich der Landesaufnahme von 1.200 auf 1.700 Plätze ausgebaut. Eine weitere qualitative Erweiterung erfolgte aktuell zum 01.02.2016 um die sog. Gruppe der neu eingereisten Folgeantragsteller aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans sowie um Asylsuchende aus Georgien. Zusätzliche sinnvolle Ausweitungsmöglichkeiten werden ständig geprüft. Hinsichtlich einer Optimierung des Rückkehrmanagements in NRW im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11262