LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11263 25.02.2016 Datum des Originals: 25.02.2016/Ausgegeben: 01.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4353 vom 28. Januar 2016 des Abgeordneten Daniel Schwerd FRAKTIONSLOS Drucksache 16/10927 Sensible Anzeigenaufnahme von Sexualdelikten – Ist die Landesregierung ausreichend vorbereitet? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4353 mit Schreiben vom 25. Februar 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Opfer sexualisierter Gewalt benötigen in der ersten Zeit nach der Tat besonderen Schutz und besondere Fürsorge. In dieser Situation müssen sie sich als beschämend empfundenen Befragungen von Polizei und Justiz, sowie intensiven körperlichen Untersuchungen unterziehen. In dieser Situation ist besondere Rücksicht und große Sensibilität notwendig. 1. Wie lange dauert eine durchschnittliche Anzeigenaufnahme sowie die zugehörigen Untersuchungen nach einer Tat des Verstoßes gegen die sexuelle Selbstbestimmung bzw. bei einem Sexualdelikt im Land NRW im Schnitt? Dauer und Umfang von Anzeigenaufnahme sowie anschließende Untersuchung von Spuren sind abhängig von den im Einzelfall gebotenen Maßnahmen zur Erhebung des objektiven und subjektiven Tatbefundes. Statistische Erhebungen hierzu erfolgen nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11263 2 2. Wie viele Beamtinnen und Beamte sind im Umgang mit Opfern von Sexualdelikten geschult? Ermittlungen zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung werden in allen Kreispolizeibehörden zentral in Fachkommissariaten durch beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei des Landes NRW (LAFP) besonders fortgebildete Beamtinnen und Beamte geführt. Durch das LAFP werden spezifische Fortbildungsmaßnahmen bedarfsgerecht angeboten. Daten zur Gesamtzahl aller fortgebildeten Beamtinnen und Beamte liegen an zentraler Stelle nicht vor. 3. Wie schnell kann im Schnitt bei einem Fall eine entsprechend geschulte Beamtin bzw. ein entsprechend geschulter Beamte herbeigezogen werden? Diesbezügliche Daten werden nicht erhoben. 4. Welche genauen Hilfsangebote, welchen besonderen Schutz erhalten Opfer sexualisierter Gewalt bei der Polizei und der Justiz im Lande NRW angeboten? Die Landesregierung unterstützt Opfer sexualisierter Gewalt umfassend und auf vielfältige Weise. Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen berücksichtigt bereits beim Erstkontakt mit Opfern deren besondere Situation. Sie klärt schon im Rahmen der Anzeigenaufnahme den Bedarf an Opferhilfe und informiert Opfer über Hilfsangebote bzw. vermittelt Opfern auf Wunsch Kontakte zu Hilfeeinrichtungen (wie z.B. Weisser Ring e.V., Traumaambulanzen, Ambulanzen für Gewaltopfer, Frauenberatungsstellen). Bei Opfern sexualisierter Gewalt werden zudem die in allen 47 Kreispolizeibehörden benannten und speziell geschulten Opferschutzbeauftragten frühzeitig einbezogen. Sie unterstützen auf regionaler Ebene bestehende Netzwerke und gewährleisten so eine individuelle Vermittlung an örtliche Hilfeeinrichtungen. Bei den Staatsanwaltschaften des Landes sind Sonderstaatsanwältinnen und Sonderstaatsanwälte eingesetzt, die sich ausschließlich oder im Schwerpunkt ihrer Arbeit mit Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung befassen und daher den Belangen der Opfer solcher Straftaten bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ein besonderes Augenmerk widmen können. Bei den Amts- und Landgerichten Düsseldorf und Köln sowie bei den Landgerichten Bielefeld, Essen, Duisburg, Wuppertal, Kleve und Detmold sind Zeugenbetreuungsstellen eingerichtet. Dort finden auch Opfer sexualisierter Gewalt, die als Zeuginnen und Zeugen geladen sind, kompetente Ansprechpartner und Unterstützung. In vielen Gerichten besteht für die Opfer zudem die Möglichkeit, in speziellen Zeugenzimmern oder anderen geeigneten Räumlichkeiten mit einer Betreuungsperson ihres Vertrauens oder mit ihren anwaltlichen Vertreterinnen oder Vertretern auf den Termin zu warten. Ergänzende Hilfestellung leisten solchen Opfern an vielen Standorten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ambulanten Sozialen Dienstes oder andere Beschäftigte des Gerichts. Einzelheiten zur Zeugenbetreuung an den nordrhein-westfälischen Gerichten hat die Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage 4182 (LT-Drs. 16/10938) dargestellt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11263 3 Das Justizministerium des Landes NRW stellt darüber hinaus das Merkblatt „Über die Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren“ zur Verfügung, das allen Kriminalitätsopfern schon im Rahmen der polizeilichen Anzeigenaufnahme ausgehändigt wird. 5. Welche Erweiterung und Verbesserungen der speziellen Betreuung bei Polizei und Gerichten von Opfern sexualisierter Gewalt sieht die Landesregierung vor? Geben Sie ggf. zusätzliche Stellenzahlen und Angebote an. Die Landesregierung misst dem Opferschutz besondere Bedeutung zu und setzt sich für eine stetige Verbesserung des Opferschutzes ein. So werden im Strafverfahren nach dem 3. Opferrechtsreformgesetz auch Opfer sexualisierter Gewalt nach § 406g Absatz 3 StPO, der am 1. Januar 2017 in Kraft treten wird, unter den Voraussetzungen für die Bestellung eines Nebenklagebeistandes (§ 397a StPO) einen Rechtsanspruch auf kostenlose Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung haben. Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besonders intensive Form der Begleitung für besonders schutzbedürftige Verletzte von Straftaten vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst ihre qualifizierte Betreuung, Informationsvermittlung und Unterstützung im Strafverfahren mit dem Ziel, ihre individuelle Belastung zu reduzieren, eine Sekundärviktimisierung weitestgehend zu vermeiden und die Aussagetüchtigkeit als Zeuginnen und Zeugen zu fördern. Psychosoziale Prozessbegleitung kann sich auch an besonders schutzbedürftige Angehörige von Verletzten richten. Das Justizministerium ist derzeit mit der Umsetzung der Regelungen zur psychosozialen Prozessbegleitung für das Land Nordrhein-Westfalen befasst. Dabei bindet es möglichst alle Personen und Organisationen ein, die sich seit Jahren im Bereich der Opferhilfe und des Opferschutzes engagieren. Es steht daher in engem Kontakt zu den nordrhein-westfälischen Opferhilfeeinrichtungen - aber auch zu bundesweit tätigen Verbänden - und unterstützt alle interessierten Verbände, Hochschulen und auch Einzelpersonen bei der Umsetzung von geeigneten Weiterbildungsangeboten und der Entwicklung von Konzepten zur Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11263