LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1127 15.10.2012 Datum des Originals: 12.10.2012/Ausgegeben: 18.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 454 vom 12. September 2012 der Abgeordneten Astrid Birkhahn und Ursula Doppmeier CDU Drucksache 16/911 Landesregierung bereitet gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter in so genannten Vorreiterschulen vor Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 454 mit Schreiben vom 12. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die rot-grüne Landesregierung möchte, dass ab dem Schuljahr 2013/2014 ca. 100 so genannter Vorreiterschulen in Nordrhein-Westfalen den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern aufnehmen. Damit will die Landesregierung den grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Unterricht in allgemeinen Schulen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf garantieren. Nach Plänen der Landesregierung sollen mindestens zwei Schulen pro Region mehr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufnehmen. Innerhalb von zehn Jahren sollen landesweit mindestens 85 Prozent der Förderschüler an allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden. Die Landesregierung stellt mit dem Umbau der nordrhein-westfälischen Schullandschaft zugunsten der Eingliederung behinderter Kinder vor allem die Lehrerinnen und Lehrer vor große Herausforderungen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung hat weder im Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ noch in anderen Zusammenhängen erklärt, dass sie beabsichtigt, eine bestimmte Zahl von allgemeinen Schulen zu so genannten Vorreiterschulen zu entwickeln. Allerdings hat sie sich der Auffassung verschiedener Verbände angeschlossen, die im Gesprächskreis Inklusion betont ha- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1127 2 ben, dass der Ausbau von Angeboten des Gemeinsamen Lernens von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in allen Regionen des Landes sukzessive erfolgen sollte, so dass Schulen, die sich hier bereits auf den Weg gemacht haben und Schulen, die nun hinzukommen, eine „Vorreiterrolle“ zukommt. Die nachfolgende Beantwortung der Kleinen Anfrage erfolgt daher unter der Annahme, dass die Fragestellerinnen Informationen dazu wünschen, wie nach Vorstellung der Landesregierung das Angebot des Gemeinsamen Lernens schrittweise ausgebaut werden soll. Da sich derzeit der Referentenentwurf zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz in der Verbändebeteiligung befindet und somit noch kein Gesetzentwurf der Landesregierung vorliegt, beziehen sich die Antworten auf die geltende Rechtslage, die jedoch zum Schuljahr 2013/2014 verändert werden soll. Die Entscheidung darüber trifft der nordrhein-westfälische Landtag als Gesetzgeber . 1. Nach welchen Kriterien entscheidet die Landesregierung, welche Schule zur Vor- reiterschule ausgebaut wird oder nicht? Dies ist keine Entscheidung der Landesregierung. Nach § 20 Absätze 7 und 8 SchulG kann die Schulaufsicht mit Zustimmung des Schulträgers Gemeinsamen Unterricht und Integrative Lerngruppen einrichten, wenn an den Schulen die personellen und sächlichen Voraussetzungen vorliegen. Nach der Zustimmung des Landtages zum Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Landtagsdrucksache 15/680), mit der er sich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Schulen bekennt , hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung am 15. Dezember 2010 eine Verwaltungsvorschrift zu § 37 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (AO-SF) erlassen. Mit ihr wird die Schulaufsicht aufgefordert, wo immer dies möglich ist, dem Wunsch von Eltern auf Gemeinsamen Unterricht zu entsprechen. Die schrittweise, dem Wunsch der Eltern folgende Ausweitung der Angebote bleibt also dem Zusammenwirken von Schulaufsicht und Schulträger vorbehalten. 2. Welche zusätzlichen personellen und sachlichen Ausstattungen erhalten Vorrei- terschulen? Voraussetzung für die Einrichtung des Gemeinsamen Unterrichts und von Integrativen Lerngruppen ist, dass die personellen und sächlichen Voraussetzungen vorliegen. In die Zuständigkeit des Landes fällt somit die Bereitstellung personeller Ressourcen in Form der erforderlichen Lehrerstellen. Deren Zahl richtet sich nach der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 Schulgesetz. Darüber hinaus wird das Gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf durch so genannte „Mehrbedarfe “ unterstützt, die zum Beispiel durch den Erlass „Integrative Lerngruppen an allgemeinen Schulen der Sekundarstufe I“ (BASS 13-41 Nr.3) definiert sind. Um diesen Vorgaben gerecht zu werden und darüber hinaus das Gemeinsame Lernen zu unterstützen, hat der Landtag im Rahmen des Landeshaushaltes seit Beginn des Schuljahrs 2010/2011 die Stellen für diese „Unterrichtsmehrbedarfe“ von 532 Stellen auf 1.215 Stellen im laufenden Schuljahr mehr als verdoppelt. 3. Wie werden die bereits vorhandenen Lehrkräfte auf das gemeinsame Lernen be- hinderter und nicht behinderter Kinder vorbereitet? 4. Stellt die Landesregierung den Pädagoginnen und Pädagogen darüber hinaus Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1127 3 5. Welche Fortbildungsmaßnahmen sieht die Landesregierung für die Lehrerinnen und Lehrer vor? Seit Ende 2011 werden rund 160 Moderatorinnen und Moderatoren der für die Fortbildung zuständigen 53 Kompetenzteams durch ein Wissenschaftler-Team der Universitäten Köln und Oldenburg qualifiziert. Sie sollen so zunehmend in die Lage versetzt werden, Schulen insbesondere beim Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit Lern- und Entwicklungsstörungen zu unterstützen. Mit Beginn dieses Schuljahres hat die Qualifizierung einer zweiten Gruppe von Moderatorinnen und Moderatoren begonnen, so dass schließlich mehr als 300 Fachkräfte in den Kompetenzteams zur Verfügung stehen. Zum Fortbildungserlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung wird in Kürze das Mitbestimmungsverfahren mit den Hauptpersonalräten eingeleitet. Weitere Fortbildungsangebote zur Unterstützung des Inklusionsprozesses sind in Vorbereitung. Da die Schulen jedoch auch über eigene Fortbildungsbudgets verfügen, können sie hier auch eigene Schwerpunkte setzen. Unabhängig davon haben im vergangenen Jahr rund 37.000 Lehrkräfte an 2.500 Fortbildungsangeboten zur „individuellen Förderung“ teilgenommen, die für das Unterrichten in heterogenen Lerngruppen und damit auch als Grundlagen für ein erfolgreiches Gemeinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogische Förderbedarfe wirksam sind. Grundsätzlich kommt es beim sukzessiven Ausbau des Gemeinsamen Lernens aber auch darauf an, dass Schulen, die sich der Aufgabe neu stellen, von Schulen profitieren, die hier schon langjährige Erfahrungen haben. Um die regionale Vernetzung zu ermöglichen, haben Schulen, die sich hier neu auf den Weg machen, seit dem Schuljahr 2010/2011 einen zusätzlichen Fortbildungstag erhalten. Außerdem wurden 53 Stellen für so genannte Inklusionskoordinatorinnen und -koordinatoren in den Schulämtern geschaffen, die unter anderem bei dieser Vernetzung Unterstützung leisten, aber auch die notwendige Abstimmung zwischen Schulaufsicht und Schulträger und die Begleitung von Eltern erleichtern sollen. In diesem Zusammenhang hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung die Regionalen Bildungsnetzwerke in Absprache mit den Kommunalen Spitzenverbänden im Jahr 2012 mit jeweils 15.000 Euro an Sachmitteln, die unter anderem für Informationsveranstaltungen genutzt werden können, unterstützt. Wünschenswert wäre es, wenn in jedem Schulamtsbezirk mindestens zwei solcher erfahrener Schulen im Primarbereich und zwei solcher erfahrenen Schulen der Sekundarstufe I hier neuen Schulen zur Seite stehen könnten. Im Übrigen wird auf die Darlegungen im Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ verwiesen, der auch umfangreiche Aussagen zum Bereich Schule enthält.