LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11284 29.02.2016 Datum des Originals: 26.02.2016/Ausgegeben: 03.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4360 vom 29. Januar 2016 des Abgeordneten Matthias Kerkhoff CDU Drucksache 16/10944 Freizeitlärmerlass NRW Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4360 mit Schreiben vom 26. Februar 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Volks- und Traditionsfeste erfreuen sich landesweit einer großen Beliebtheit. Sie bringen Menschen zusammen, genießen eine hohe Akzeptanz und bilden die Vielfalt der Traditionen in unserem Land ab. Schon heute ist die Durchführung einer Brauchtumsveranstaltung stark reglementiert. Die geplante Novellierung des Freizeitlärmerlasses scheint die Durchführung einer solchen Veranstaltung weiter zu erschweren. Insbesondere neue Grenzwerte für Lärmimmissionen bilden für die Organisatoren einer Brauchtumsveranstaltung eine nicht abschätzbare Einschränkung. Wie beispielsweise der Sauerländer Schützenbund in einem Schreiben formuliert, ist es heute kaum möglich, für Veranstaltungen mit hunderten von Menschen in einem Festzelt oder in einer Halle einen bestimmten Immissionsrichtwert festzulegen. Eine Änderung des Freizeitlärmerlasses würde die Situation der Vereine weiter erschweren und die Durchführung von weiteren freien Volksfesten oder Traditionsveranstaltungen gefährden. Vorbemerkung der Landesregierung Der bestehende nordrhein-westfälische Freizeitlärmerlass vom 16.09.2009 enthält Hinweise zur Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen durch Freizeitanla- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11284 2 gen. Der Erlass wird von den zuständigen Behörden bei der Auslegung der Frage, ob Geräusche von Freizeitanlagen als erhebliche Belästigungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes anzusehen sind, herangezogen. Unter die Freizeitanlagen fallen auch Grundstücke , auf denen öffentliche Veranstaltungen (Konzerte, Märkte, Traditionsveranstaltungen, Schützenfeste etc.) stattfinden. Ziel des Freizeitlärmerlasses ist es, einen Ausgleich zwischen den Interessen an Freizeitgestaltung und dem Bedürfnis nach Ruhe zu finden. Vor diesem Hintergrund ermöglicht der Erlass u.a. eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte für zehn sogenannte „seltene Ereignisse“. Weitere Veranstaltungen können in NRW auf der Basis des Landes-Immissionsschutzgesetzes NRW genehmigt werden. Grundlage des Freizeitlärmerlasses bildet die Freizeitlärmrichtlinie der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI). Um dem zunehmenden öffentlichen Interesse an Veranstaltungen in Innenstadtlagen Rechnung zu tragen, hat die LAI die Freizeitlärmrichtlinie 2015 novelliert. Dies geschah auf Wunsch einzelner Bundesländer, die nicht über ergänzende Regelungen entsprechend dem Landes-Immissionsschutzgesetz NRW verfügen. In den letzten beiden Jahren ist an das Umweltministerium wiederholt der Wunsch nordrheinwestfälischer Kommunen herangetragen worden, die Regelungen zum Freizeitlärm zu liberalisieren mit dem Ziel mehr Veranstaltungen möglich zu machen. Das MKULNV hat daraufhin 2015 mit Vertretern aus Nordrhein-Westfalen (LANUV, kommunale Spitzenverbände, Kommunen) sowie anderen Bundesländern (Berlin, Hessen) ein Fachgespräch geführt und die verschiedenen Positionen zu Regelungen beim Freizeitlärm erörtert. Des Weiteren wurden die Ergebnisse der Fachveranstaltung „Ruhe weg: Lärm in der Freizeit - Was akzeptiert die Gesellschaft?“ im Rahmen des Masterplans „Umwelt und Gesundheit NRW“ aus dem Jahr 2014 ausgewertet. In Anlehnung an die LAI-Freizeitlärmrichtlinie und unter Berücksichtigung der Gesprächsergebnisse wurde der Freizeitlärmerlass überarbeitet und die kommunalen Spitzenverbände zu dem ersten Erlassentwurf angehört. Ziel der Überarbeitung ist neben einer höheren Flexibilität unter Wahrung eines notwendigen Anwohnerschutzes mehr Optionen für kommunale Veranstaltungskonzepte zu ermöglichen. Eckpunkte der Überarbeitung sind: Die Zahl der zulässigen seltenen Ereignisse wird von zehn auf achtzehn erhöht. Bei diesen seltenen Ereignissen kann zukünftig zudem die Nachtzeit, in der strengere Immissionsrichtwerte gelten, um zwei Stunden hinausgeschoben werden. Für neue Formate (Angebote und Veranstaltungen), die in einer Kommune erstmalig stattfinden, wird den Kommunen empfohlen, die neu überarbeitete LAI-Freizeitlärmrichtlinie zu berücksichtigen. An den Immissionsrichtwerten als zentrale Beurteilungsmaßstäbe wird sich nichts ändern . Darüber hinaus ist es sinnvoll, dass die Kommunen, die über eine Ausweitung von Veranstaltungen nachdenken, dies in einem entsprechendem Konzept darstellen, so dass auf dieser Grundlage, in der Art und Anzahl der geplanten Veranstaltungen aufgeführt ist, der Öffentlichkeit die Möglichkeit der Beteiligung eingeräumt wird. Damit verbleibt den Kommunen ein weiter Spielraum um – auf die jeweilige örtliche Situation bezogen – für einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Belange zu sorgen . Nach wie vor wird die Möglichkeit bestehen bleiben, über das Landes-Immissionsschutzgesetz NRW weitere Veranstaltungen zuzulassen. Im Ergebnis werden also die Möglichkeiten für die Kommunen deutlich erweitert, gleichzeitig bleiben aber damit die Anforderungen für die in der Vergangenheit bereits durchgeführten Veranstaltungen unverändert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11284 3 Diese Vorschläge sollen nun mit den kommunalen Spitzenverbänden und den betroffenen Institutionen erörtert und anschließend innerhalb der Landesregierung abgestimmt werden. 1. Welche Veränderungen werden sich durch die geplante Novellierung des Freizeitlärmerlasses für die Durchführung einer Brauchtumsveranstaltung ergeben? Mit den o.g. Änderungen ist sichergestellt, dass die bisherige Praxis für volkstümliche Veranstaltungen und insbesondere Schützenfeste nicht nur bestehen bleibt, sondern in der Handhabung erweitert werden kann. 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über das Beschwerdeverhalten im Umfeld von Brauchtumsveranstaltungen vor? 3. In wie vielen Fällen mussten Brauchtumsveranstaltungen abgesagt, abgebrochen beziehungsweise in ihrer Durchführung wesentlich verändert werden? Der Landesregierung liegen hierüber keine Daten vor. 4. Wie bewertet die Landesregierung mögliche Konflikte zwischen den Interessen von Traditionsvereinen wie z.B. Schützenvereinen bei der Organisation einer Brauchtumsveranstaltung und dem Lärmschutzbedürfnis der jeweiligen Anwohner ? Der Freizeitlärmerlass in Verbindung mit dem ergänzenden „Leitfaden zur umweltgerechten Durchführung von Volksfesten und ähnlichen Traditionsveranstaltungen“ (siehe Antwort zu Frage 5) mit der Zielsetzung, gegenläufige Interessen sachgerecht zu befrieden, hat sich in seiner Anwendung bewährt. 5. Inwiefern unterstützt die Landesregierung die Organisatoren von Brauchtumsveranstaltungen bei der Umsetzung des Freizeitlärmerlasses? Das MKULNV hat in Ergänzung zu dem Freizeitlärmerlass im Jahr 2009 den „Leitfaden zur umweltgerechten Durchführung von Volksfesten und ähnlichen Traditionsveranstaltungen“ veröffentlicht. Dieser Leitfaden zeigt für NRW auf, inwieweit nach dem Landes-Immissionsschutzgesetz in Abweichung von der Zahl der seltenen Ereignisse zusätzliche Ausnahmen möglich sind. Er gibt den zuständigen Genehmigungsbehörden Hinweise, welche Kriterien bei der Interessensabwägung zwischen dem allgemeinen Interesse an der Durchführung und dem Besuch von Volksfesten oder ähnlichen Traditionsveranstaltungen auf der einen Seite und dem Ruhebedürfnis der Anwohnerinnen und Anwohner auf der anderen Seite herangezogen werden können. Zudem stellt er die rechtlichen Grundlagen für Genehmigungsentscheidungen und technische Lärmminderungsmaßnahmen dar, die in der Praxis eingesetzt und als Nebenbestimmungen in den Bescheid aufgenommen werden können. Der Leitfaden hat sich in der Praxis bewährt. 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