LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11302 02.03.2016 Datum des Originals: 02.03.2016/Ausgegeben: 07.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4344 vom 26. Januar 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/10900 Unterdurchschnittliche Steigerung der Rückführungszahlen in NRW Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4344 mit Schreiben vom 2. März 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Abschiebungen parallel zu den Zahlen der abgelehnten Asylgesuche bundesweit nahezu verdoppelt. Insgesamt sind 20.888 Ausländer zurückgeführt worden, nachdem es im Vorjahr mit 10.884 nur halb so viele zurückführte Ausreisepflichtige waren. Weit mehr Menschen sind allerdings freiwillig ausgereist. Mit Hilfe von Förderprogrammen sind 37.220 Menschen, hauptsächlich aus den Demokratien des Westbalkans, freiwillig in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Insgesamt haben Somit 58.108 Asylbewerber Deutschland freiwillig oder per Abschiebung verlassen. Ein Vergleich der Rückführungszahlen der Bundesländer zeigt erheblich unterschiedliche Entwicklungen. Während Bayern seine Abschiebezahlen im Vergleich zum Vorjahr vervierfachen, Hessen verdreifachen und Baden-Württemberg mehr als verdoppeln konnte, veränderte Nordrhein-Westfalen seine Rückführungszahlen dagegen nur um magere 50 Prozent, obwohl hier bundesweit die größten Zuzüge im Flüchtlingsstrom waren. Im Jahr 2014 wurden 2.929 Ausreisepflichtige zurückgeführt, im Jahr 2015 insgesamt 4.395. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11302 2 1. Wie erklärt sich die Landesregierung den geringen Anstieg der Rückführungszahlen 2014/2015 in Nordrhein-Westfalen im Vergleich der Bundesländer, vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel Bayern seine Abschiebezahlen vervierfacht, Hessen verdreifacht und Baden-Württemberg im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt hat? Nach der bundespolizeilichen Abschiebungsstatistik weist Nordrhein-Westfalen rückblickend seit dem Jahr 2010 konstant die höchsten absoluten Abschiebungszahlen im Ländervergleich auf. Die Abschiebungszahlen in Nordrhein-Westfalen sind in diesem Zeitraum kontinuierlich gestiegen. Lediglich im Jahr 2011 gab es einen leichten Rückgang. Während aus Nordrhein-Westfalen im Jahr 2014 2.929 Personen abgeschoben wurden, lag diese Zahl in Bayern im Jahr 2014 bei 1.007 Abschiebungen. Die Zahl der Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen lag nach der bundespolizeilichen Statistik damit im Jahr 2014 rd. drei Mal höher als in Bayern. In Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl im Jahr 2015 erneut an auf 4.395, in Bayern auf 4.195. Die Abschiebungszahlen in Bayern haben sich damit den Zahlen in Nordrhein-Westfalen angenähert. Die Zahlen in Baden-Württemberg wiederum stiegen von 1.080 im Jahr 2014 auf 2.431 im Jahr 2015 an. 2. Sieht die Landesregierung auch Gründe in der nordrhein-westfälischen Erlasslage für die unterdurchschnittliche Steigerung der Rückführungszahlen? Der Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive kommt vor allem mit Blick auf die Beanspruchung der vorhandenen Asylkapazitäten, aber auch der gesellschaftlichen Akzeptanz der Aufnahme von Flüchtlingen eine hohe Bedeutung zu. Es ist jedoch wichtig, dass bei der Durchsetzung der Ausreisepflichten nicht nur konsequent, sondern auch mit Menschlichkeit vorgegangen wird. Die Abschiebungszahlen sind von vielfältigen Faktoren abhängig, wie z.B. der Verteilung der Asylsuchenden auf die Bundesländer aus Herkunftsstaaten mit unterschiedlicher Kooperationsbereitschaft bei der Rückführung, Zahl der Folgeantragsteller und nicht zuletzt auch von der Zahl der freiwilligen Ausreisen. Vorgesehene Rückführungen scheitern oftmals an tatsächlichen Vollzugshindernissen, wie z.B. dem Fehlen von Reisedokumenten und der damit verbundenen oft schwierigen und langwierigen Beschaffung von Passersatzpapieren. Dies gilt vor allem bei Abschiebungen in nordafrikanische Staaten. Seit November 2015 befasst sich in Nordrhein-Westfalen die Arbeitsgruppe Rückkehrmanagement unter der Leitung des Staatsrates a.D. Herrn Schiek mit der entsprechenden Thematik. In dieser Arbeitsgruppe tauschen Vertreter kommunaler Ausländerbehörden, der Zentralen Ausländerbehörden, der kommunalen Spitzenverbände sowie des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW ihre Erfahrungen aus und erarbeiten Strategien zur Beseitigung von Vollzugshindernissen bei der Rückführung. Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe ist im ersten Quartal 2016 zu erwarten. Hinsichtlich einer Optimierung des Rückkehrmanagements in Nordrhein-Westfalen wird das Land die Kommunen bei Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen künftig noch effektiver unterstützen. Hierzu wird eine Zentrale Rückkehrkoordination (ZRK NRW) bei den Zentralen Ausländerbehörden (ZAB), die die zuständigen kommunalen Ausländerbehörden unterstützen, eingerichtet und diese Behörden insgesamt verstärkt. Die ZRK NRW wird bisherige Unterstützungsleistungen bei Abschiebungen wie Flug- und Transportmanagement bündeln und den Kommunen als zentraler Ansprechpartner für verschiedene Rückkehrfragen, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11302 3 auch für Fragen der freiwilligen Rückkehr, zur Verfügung stehen. Daneben wird das Land gegenüber dem verantwortlichen Bund weiterhin auf die Beseitigung von Abschiebungshindernissen problematische Zielstaaten betreffend, insbesondere im Bereich der Passersatzpapierbeschaffung, hinwirken. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. 3. Wie erklärt sich die Landesregierung die unterdurchschnittlichen Rückführungszahlen vor dem Hintergrund, dass in Nordrhein-Westfalen zudem vorwiegend negativ beschiedene Asylanträge aus Balkanstaaten vom BAMF bearbeitet wurden? Im bisherigen Verlauf der Umsetzung des zwischen Bund und Ländern vereinbarten Aktionsplans zur weiteren Beschleunigung der Asylverfahren sowie einer Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote in Nordrhein-Westfalen wurden seit dem 30.09.2015 insgesamt 2.200 Asylsuchende dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Aktenanlage und Antragsstellung zugeführt. Bei der Mehrzahl handelt es sich bislang um albanische Asylsuchende, auf die sich die Umsetzung zunächst konzentrierte. Davon wurden nach einer Vorprüfung durch das BAMF 1.920 Fälle als für ein beschleunigtes Verfahren sachlich geeignet eingestuft. In 1.792 Fällen haben die beteiligten Bundesamtsaußenstellen eine ablehnende Entscheidung zum Antrag fällen können (Stand 28.01.2016). Ein Schwerpunkt bei der Aktionsplanumsetzung in Nordrhein-Westfalen liegt auf der Förderung einer freiwilligen Rückkehr ins Heimatland. Entsprechende Beratungen in den beteiligten vier Landesaufnahmeeinrichtungen führen derzeit die Zentralen Ausländerbehörden Köln bzw. Bielefeld, unterstützt durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksregierungen, vor Ort durch. Im Rahmen der Beratungen werden den Menschen auch entsprechende Informationsmaterialien in Landessprache zur Verfügung gestellt. Insbesondere Familien mit Kindern wird die Möglichkeit gegeben, eine bevorstehende Abschiebung und die damit verbundenen Belastungen durch freiwillige Ausreise zu vermeiden. Dies alles mit erkennbar positiver Resonanz: Bislang sind bereits 1.304 Personen im Rahmen der Aktionsplanumsetzung aus den Landesaufnahmeeinrichtungen freiwillig ausgereist. Dem stehen aktuell 94 Abschiebungen gegenüber (Stand 28.01.2016). Tatsächlich machen auch darüber hinaus immer mehr Menschen ohne Bleibeperspektive von der freiwilligen Ausreisemöglichkeit Gebrauch. So wurden in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 über das REAG-/GARP-Programm für insgesamt 8.213 Personen Fördermittel für die freiwillige Ausreise bewilligt. Hinzu kommen weitere, nicht geförderte freiwillige Ausreisen. Nach jetzigem Auswertungsstand belaufen sich diese im Jahr 2015 auf über 2.700; eine abschließende Datenerhebung steht insoweit bevor. Die Gesamtzahl der freiwilligen Ausreisen aus NRW im Jahr 2015 lag damit nach derzeitigem Stand bei über 10.900. Die Aktionsplanumsetzung wurde in Nordrhein-Westfalen zunächst zum 04.01.2016 nach Abstimmung mit dem BAMF sowohl qualitativ als auch quantitativ erweitert: Zum einen werden nun sämtliche Asylsuchenden aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans (neben Albanien wegen der Bearbeitungszuständigkeiten des BAMF in NRW auch Kosovo, Serbien, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11302 4 Mazedonien und Bosnien-Herzegowina), vorbehaltlich der sachlichen Eignung des Einzelfalls, dem Beschleunigungsverfahren zugeführt. Zum anderen wurden die vorhandenen Platzkapazitäten im Bereich der Landesaufnahme von 1.200 auf 1.700 Plätze ausgebaut. Eine weitere qualitative Erweiterung erfolgte aktuell zum 01.02.2016 um die Gruppe der neu einreisenden Folgeantragsteller aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans sowie um Asylsuchende aus Georgien. Zusätzliche sinnvolle Ausweitungsmöglichkeiten werden ständig geprüft. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. 4. Wie sind aktuell die Zahlen vollziehbar ausreisepflichtiger Asylberber in Nordrhein- Westfalen zum Stand 31.12.2015 (Bitte unter Angabe des Herkunftslandes)? Mit Stand vom 31.12.2015 hielten sich laut Ausländerzentralregister (AZR) in NRW 54.290 Ausreisepflichtige auf, davon besaßen 43.050 Personen eine Duldung. Die Zahl der ausreisepflichtigen Asylbewerber wird ebenso wie die Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen statistisch nicht gesondert erfasst. 5. Durch eine Fortentwicklung der bereits bestehenden Clearingstelle der Länder soll eine neue Organisationseinheit für die Beschaffung von Heimreisedokumenten in Amtshilfe durch die Bundespolizei eingerichtet werden. Diese Organisationseinheit soll mit den Botschaften der Herkunftsländer in Kontakt stehen und die nötigen Papiere für Personen, die Deutschland wieder verlassen müssen, beschaffen. Durch die Anbindung beim Bund soll die Möglichkeit verbessert werden, auf ministerieller Ebene nachdrücklich gegenüber Herkunftsländern aufzutreten. Erforderlich dafür ist aber, dass auch die Länder ihren Anteil zur Unterstützung leisten. Dafür hat die Landesregierung zeitnah eine zentrale Stelle für die Zusammenarbeit mit der Bundesstelle zu benennen und eine ausreichende Anzahl an Mitarbeitern an die neue Organisationseinheit zu entsenden. Wie konkret will die Landesregierung ihren Beitrag zur Stärkung der Organisationseinheit leisten? Nordrhein-Westfalen begrüßt die Schaffung der Organisationseinheit Passersatzpapierbeschaffung bei der Bundespolizei. Das Land wird sich aktiv an der neuen Organisationseinheit Passersatzpapierbeschaffung beteiligen und zur gegebenen Zeit auch personell einbringen. Als Ansprechpartner ist bereits die Zentrale Ausländerbehörde Bielefeld benannt worden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11302