LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11323 03.03.2016 Datum des Originals: 03.03.2016/Ausgegeben: 08.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4431 vom 2. Februar 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/11020 Praxis der Easy-Zuweisung von Nordafrikanischen Flüchtlingen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 44331 mit Schreiben vom 3. März 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Zahl der registrierten Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten ist im Verlauf des zurückliegenden Jahres kontinuierlich gestiegen. Allein im Dezember kamen knapp 3.000 Marokkaner und weitere 2.300 Algerier nach Deutschland. In Nordrhein-Westfalen gehörten im Jahr 2015 Algerien mit 6.782 (2,92 Prozent) und Marokko mit 6.429 (2,77 Prozent) Personen bei den Zuweisungen durch die Easy-Verteilung bereits zu den zehn Hauptherkunftsländern. Auch in den ersten drei Januarwochen dieses Jahres wurden Nordrhein-Westfalen über das sog. EASY-System 1.500 Nordafrikaner – meist Alleinreisende junge Männer - zugewiesen. Dabei besteht für den Hauptanteil der Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten kaum Aussicht auf Anerkennung des Asylbegehrens. Nach den Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr gerade einmal 1,6 Prozent der algerischen und 3,7 Prozent der marokkanischen Asylbewerber anerkannt. Die Schutzquote für Asylbewerber aus Tunesien liegt sogar nur bei 0,2 Prozent. Diese Entwicklung sorgt im Anschluss auf meine Nachfrage im letzten Kommunalausschuss zur Verteilung im Bundesgebiet nun zu Forderungen des nordrhein-westfälischen Innenministers . Der Innenminister erklärte gegenüber Pressevertretern, dass er sich nun auf Bundesebene für eine gerechtere Verteilung einsetzen wolle. Derzeit würden rund 80 Prozent der marokkanischen und etwa 50 Prozent der algerischen Asylsuchenden in Deutschland dem Land Nordrhein-Westfalen zugewiesen - bei steigender Tendenz. Dies habe, so der Innenmi- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11323 2 nister, mit der Spezialisierungen der Mitarbeiter in den Außenstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu tun, etwa Dolmetschern. Mit alleinreisenden jungen Männern dieser Gruppen gebe es aber häufig Probleme, stellte Jäger fest. Deshalb sei eine Umverteilung nötig. Die Ersterfassung im sog. EASY-System ist für die Flüchtlinge der Startpunkt des Asylverfahrens . Die Erstverteilung Asylbegehrender auf einzelne Bundesländer erfolgt gemäß § 45 AsylG. Das System EASY verteilt Asylbewerber auf alle Bundesländer nach deren Einwohnerzahl und Steueraufkommen (Königsteiner Schlüssel). Zusätzlich zur Quote gilt, dass einige Herkunftsstaaten nur in bestimmten Bundesländern bearbeitet werden, damit für die Anhörung im Asylverfahren immer Länderexperten da sind. Dies führt unter anderem dazu, dass Asylanträge von Algeriern nur in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein- Westfalen bearbeitet werden, Asylanträge von Marokkanern nur in Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen und Sachsen und Asylanträge aus Tunesien nur in Baden-Württemberg und Sachsen . Syrer dagegen werden auf alle Bundesländer verteilt. Hintergrund der Verteilung ist jeweils eine Verständigung der Bundesländer, die sich an den Asylantragszahlen orientiert. Die Zuweisungspraxis wird jeweils geändert, wenn die Zahl der Flüchtlinge aus diesem Herkunftsland zu- oder abnimmt, auch um die Quote für die Bundesländer nach dem sog. Königsteiner Schlüssel einzuhalten. Kommen aus einem Herkunftsland mehr Flüchtlinge, werden ein oder zwei Außenstellen des Bundesamtes zusätzlich zuständig. Sobald ein Land zu den zehn Hauptherkunftsländern von Asylantragstellern gehört führt dies u.a. dazu, dass diese Asylanträge in allen Bundesländern bearbeitet werden, ansonsten findet eine Spezialisierung bestimmter Herkunftsländer in bestimmten Bundesländern statt. Vorbemerkung der Landesregierung Ergänzend zu der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage wird auf die schriftlichen Berichte des Ministeriums für Inneres und Kommunales zur „Situation der Asylbewerber aus nordafrikanischen Herkunftsstaaten in NRW“ (Vorlage 16/3696) sowie zum „Planungsstand bezüglich neuer Aufnahmeeinrichtungen Asylbewerber und aktuelle Situation in den Einrichtungen“ (Vorlage 16/3676) - jeweils für die Sitzung des Innenausschusses am 18.02.2016 - verwiesen. 1. Aus welchem Grund ist die Landesregierung der Ansicht, dass die EASY-Zuweisung ungerecht sei, obwohl die Easy-Zuweisungspraxis seit Jahren so erfolgt, dass mit höheren Asylbewerberzahlen aus einem Herkunftsland mehr Bundesländer inkl. BAMF-Außenstelle die Asylanträge aus diesen Ländern bearbeiten werden und andererseits den Ländern im Asylverfahren zugestanden wird, sich auf einen abweichenden Verteilschlüssel zu einigen? 5. Ist bereits mit anderen Bundesländern - aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen aus den Maghreb-Staaten - eine veränderte EASY-Zuweisungs-Praxis vereinbart worden? Ende 2015 ist es zu einem sprunghaften Anstieg der Asylsuchenden aus den Maghrebstaaten gekommen. Die Länder Marokko und Algerien haben sich in den Monaten Dezember 2015 und Januar 2016 zu Hauptherkunftsländern entwickelt. Aufgrund der EASY-Verteilungsmodalitäten war NRW von dieser Entwicklung weit überproportional betroffen und musste in der Spitze 85,7% der Asylsuchenden aus Marokko und bis zu 60% der Asylsuchenden aus Algerien aufnehmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11323 3 Auf die bei EASY eingetretene Schieflage hat die Landesregierung unverzüglich reagiert. Sie hat sich auf Bund-Länder-Ebene für eine Verteilung der Asylbewerber aus Marokko und Algerien auf alle oder weitere Bundesländer eingesetzt, wie es bei anderen zugangsstarken Herkunftsstaaten bereits jetzt der Fall ist. Das Bundesministerium des Innern hat der Landesregierung inzwischen mitgeteilt, dass NRW in EASY für die Zuweisung von Marokkanern und Algeriern künftig gesperrt werden soll. 2. Seit wann werden Nordrhein-Westfalen speziell Asylanträge aus Algerien oder Marokko zugewiesen? Die Frage konnte im Rahmen eines vertretbaren Verwaltungsaufwands nicht geklärt werden. 3. Aus welchen Gründen werden die Asylanträge von Algerien und Marokkanern durch das BAMF speziell in Nordrhein-Westfalen bearbeitet? Die Außenstellen des BAMF sind auf die Bearbeitung bestimmter Herkunftsländer spezialisiert , da hierfür besonderes Fachwissen und Dolmetscherkapazitäten vorgehalten werden müssen. Die fachliche Spezialisierung wirkt sich bei der EASY-Verteilung von Asylsuchenden auf die Länder aus. Die Gründe, die ausschlaggebend waren für die ursprüngliche Entscheidung, Asylanträge von Algeriern und Marokkanern durch das BAMF in Nordrhein-Westfalen zu bearbeiten, sind der Landesregierung nicht bekannt. 4. Aus welchem Grund ist die Landesregierung nicht bereits Ende vergangenen Jahres , als die Anzahl der Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten signifikant anstieg, aktiv geworden, um eine neue Zuweisungspraxis mit der Bearbeitung der Asylanträge von Bewerbern aus Marokko und Algerien in allen Bundesländern zu erreichen ? Das Phänomen der überproportionalen Zugänge von Personen aus Nordafrika nach Nordrhein -Westfalen zeichnete sich erst zum Jahresende 2015 ab. Bis zu diesem Zeitpunkt bewegten sich die Zugänge aus Nordafrika im Verhältnis der Gesamtzugänge. Auf die Entwicklung hat die Landesregierung unverzüglich reagiert (s. Antwort auf die Fragen 1 und 5). Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11323