LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11327 03.03.2016 Datum des Originals: 03.03.2016/Ausgegeben: 09.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4432 vom 2. Februar 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/11021 Warum verlangt das Land von Kommunen eine Kostenerstattung für die vorübergehende Unterbringung von kommunal zugewiesenen Flüchtlingen in einer Landeseinrichtung ? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4432 mit Schreiben vom 3. März 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Innenministerium NRW kündigte, laut einer Meldung der Westfälischen Nachrichten vom 30. Januar 2016, aktuell gegenüber der Stadt Lüdinghausen an, dass demnächst die Kosten für die vorübergehende Unterbringung von kommunal zugewiesenen Flüchtlingen in einer Landeseinrichtung geltend machen werden. 46,70 Euro pro Tag und Person will das Land für die Unterbringung in der Notunterkunft kassieren. Die Stadt Lüdinghausen bat das Innenministerium um die Nutzung der freien Kapazitäten einer Landeseinrichtung für „kommunale“ Flüchtlinge, da die Kommune selbst keine Unterbringungskapazitäten zur Verfügung hatte. Nachdem dieser Bitte der Stadt Lüdinghausen zunächst nicht entsprochen wurden, erklärte sich das Innenministerium kurz vor Weihnachten dazu bereit. Zuvor hatten die Kommunen im Kreis Coesfeld das Ministerium abermals um Unterstützung darum gebeten, die Nutzung der freien Kapazitäten der Landeseinrichtung zuzulassen . Der Innenminister erklärte wenige Tage vor Weihnachten, dass es dem Land gelungen sei, einen Puffer an Kapazitäten in Landeseinrichtungen zu erhalten. Gleichzeitig habe das Innenministerium den Kommunen gestattet, Flüchtlinge vorübergehend in den Landeseinrichtungen unterzubringen - zur Entlastung, falls es freie Kapazitäten gibt. Die Stadt Lüdinghausen nutzt diese Möglichkeit, bis weitere Unterkünfte zur Verfügung stünden. So waren am 30. Januar 2016 24 „städtische“ Flüchtlinge in der Notunterkunft des Landes untergebracht. Die bereits angekündigten neuen Asylsuchenden werden dort ebenfalls untergebracht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11327 2 Nun erreichte die Stadt die Vorankündigung der Zahlungsaufforderung für die Unterbringung der Flüchtlinge durch das Land. Der Bürgermeister der Stadt Lüdinghausen kritisiert das Land für die Inrechnungstellung von vom Land zugunsten der Kommunen untergebrachten Asylbewerber und insbesondere für die Höhe der Kosten, die das Land geltend machen wolle: Das Land zahlt den Kommunen Pauschale nach dem FlüAG in diesem Jahr pro Flüchtling und Jahr in Höhe von 10 000 Euro. Würde man die eingeforderte Summe von 46,70 Euro mit 365 Tagen multiplizieren, ergebe das einen Betrag von 17.045 Euro, den das Land verlangt. Die Überprüfung der Kalkulation kündigte gestern auch die Bezirksregierung in Münster an, die von einer „ersten Grobschätzung des Kostenbeitrags“ sprach. 1. Aus welchem Grund verlangt das Land eine Kostenerstattung für die Unterbringung von kommunal zugewiesenen Flüchtlingen in Landesunterkünften von 46,70 pro Flüchtling pro Tag von den Kommunen? Das Land ist nach § 44 Abs. 1 AsylG verpflichtet, für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten. Es trägt die mit der Aufgabenwahrnehmung verbundenen Kosten. Die Gemeinden sind nach § 1 Abs. 1 FlüAG verpflichtet, die ihnen nach § 3 FlüAG zugewiesenen ausländischen Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Sie tragen die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verbundenen Kosten . Für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge erhalten sie eine pauschalierte Landeszuweisung nach Maßgabe von § 4 FlüAG. Wenn das Land zur Unterstützung einer Kommune in einer schwierigen Situation sich bereit erklärt, der Kommune bereits zugewiesene Flüchtlinge zeitweise in einer Landeseinrichtung zu beherbergen, werden Leistungen durch das Land im rechtlichen Verantwortungsbereich der Kommune erbracht. Aus haushaltsrechtlichen Gründen und um die Kommune nicht im Vergleich mit anderen Kommunen zu bevorzugen , ist es geboten, die anteiligen Kosten der Kommune in Rechnung zu stellen. 2. In welchen Fällen verlangt das Land aktuell für die Unterbringung von Flüchtlingen in Landesunterkünften von Kommunen eine finanzielle Erstattung? Nach derzeitigen Erkenntnissen sind aktuell 11 Kommunen im Bezirk Münster betroffen. 3. Worin unterscheidet sich der geschilderte Sachverhalt von den Fällen von sog. Überlastungsanzeigen von Kommunen, denen ebenfalls für einen Zeitraum keine Asylbewerber zugewiesen wurden und eine anderweitige Unterbringung gewährleistet wurde, jedoch keine Erstattung von Kosten geltend gemacht wurde? Der Sachverhalt betrifft Flüchtlinge, die der jeweiligen Kommune bereits nach § 3 FlüAG durch die Bezirksregierung Arnsberg zugewiesen worden sind (s. Antwort auf Frage 1). Diese Flüchtlinge fließen mithin nach § 3 Abs. 3 FlüAG in die Berechnung der Bestandszahl ein. 4. Wie konkret setzt sich der eingeforderte Betrag von 46,70 Euro zusammen? Der Betrag ergibt sich aus dem Durchschnittswert der Kosten, die im Regierungsbezirk Münster für Betreuung und Verpflegung von Flüchtlingen in Landeseinrichtungen in den Monaten September 2015 bis Januar 2016 als Tagessatz angefallen sind. Die Bezirksregierung Münster hat es als vertretbar angesehen, die Wachdienstleistungen je Platz nicht in Rechnung zu stellen , so dass eine Absenkung des Betrages von 46,70 auf 35 EUR erfolgen konnte. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11327 3 5. Wie rechtfertigt die Landesregierung einen Ansatz von 46,70 Euro für die Unterbringung in einer Landesunterkunft, während das Land selbst nur 27,40 Euro im Rahmen der Flüchtlingspauschale pro Tag und pro Flüchtling an die Kommune zahlt? Die Unterbringung von Flüchtlingen in Unterkünften der Landeserstaufnahme ist mit der Unterbringung durch die Kommunen in den meisten Fällen nicht vergleichbar. So werden kommunale Flüchtlinge nicht selten dezentral, also in Wohnungen untergebracht. Ausweislich der Asylbewerberleistungsstatistik zum 31.12.2014 waren von den rund 86.000 Leistungsempfängern ca. 35% in Wohnungen untergebracht. Bei einer dezentralen Unterbringung fallen weder Kosten für Betreuungsdienstleitungen noch für Wachdienstleistungen an. Im Übrigen wurde im Rahmen der Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden festgestellt , dass valide Aussagen zu den tatsächlichen in den Kommunen anfallenden Unterbringungskosten derzeit nicht seriös möglich sind. Deutlich wurde, dass es eine erhebliche Spreizung bzgl. der im ländlichen Raum und in den Städten anfallenden Kosten gibt. Aufgrund dieser Tatsache werden das Land und die kommunalen Spitzenverbände gemeinsam die tatsächlich anfallenden Kosten für die Flüchtlingsunterbringung vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 erheben. Die Erhebungskriterien werden mit einem angemessenen Vorlauf mit Unterstützung von Praktikern und Statistikern erarbeitet. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11327