LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1139 15.10.2012 Datum des Originals: 15.10.2012/Ausgegeben: 18.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 412 vom 4. September 2012 der Abgeordneten Dr. Joachim Stamp, Dietmar Brockes und Kai Abruszat FDP Drucksache 16/831 Behinderung der Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben durch das Tariftreueund Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 412 mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach dem Tariftreue- und Vergabegesetz NRW (TVG-NRW) dürfen Kommunen nur Aufträge an Unternehmen vergeben, die mittels schriftlicher Verpflichtungserklärung tariflich vereinbarte Mindestlöhne bei ihren Arbeitnehmern und soziale Standards nach den ILOKernarbeitsnormen für die Mitarbeiter ihrer Zulieferer garantieren. Eine Bagatellklausel bzgl. des Auftragswertes ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Bereits in ihrer Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf des TVG-NRW am 18. Oktober 2011 baten die kommunalen Spitzenverbände um eine Bagatellklausel von 50.000 € für die zwingende Anwendung der Vorschriften des TVG-NRW, um unnötige Bürokratie zu vermeiden. Die Verwaltung der Bundesstadt Bonn stellt mit Schreiben vom 9. August 2012 fest, dass es ihr unmöglich ist, z. B. Ersatzteile für die Fahrzeugreparatur oder eine Kläranlage nach den Vorschriften des TVG-NRW zu beschaffen, weil sie keine Lieferanten findet, die bereit sind, für ein Auftragsvolumen von 500 € bis 10.000 € die gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen: „Ergeben sich bei Anwendung des Gesetzes insgesamt in der kommunalen Beschaffungspraxis bereits nicht unbeträchtliche praktische Probleme, so LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1139 2 führt der Verzicht auf eine Bagatellklausel in weiten Bereichen (…) zu nicht mehr lösbaren Problemen.“ Vorbemerkung der Landesregierung Das Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen (TVgG - NRW) sieht für die Vergabe öffentlicher Aufträge verschiedene Schwellenwerte vor. Verpflichtungserklärungen betreffend Tariftreue bzw. Zahlung des vergabespezifischen Mindestlohns sind ab 20.000 Euro abzugeben. Vorgaben der Frauen- und Familienförderung sind ab einem Auftragswert von 50.000 Euro bei Dienstleistungs- und Lieferaufträgen (bzw. ab 150.000 Euro bei Bauvorhaben ) vorgesehen. Hinsichtlich der Beachtung der Kriterien zu Umweltschutz und Energieeffizienz sowie der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen sind im TVgG – NRW keine Schwellenwerte festgelegt worden. Allerdings sind regelmäßig bei öffentlichen Beschaffungen bis zu einem Auftragswert von 500 Euro keine Vergabeverfahren durchzuführen, so dass das TVgG - NRW bis zu diesem Wert generell nicht zur Anwendung kommt. Es besteht damit aufgrund der Bestimmungen in den anderen Rechtsquellen des Vergaberechts mittelbar eine Bagatellgrenze von 500 Euro für die Anwendung des TVgG – NRW. 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über ähnlich gelagerte Prob- leme anderer Kommunen vor? Der Landesregierung liegen bislang keine Erkenntnisse aus anderen Kommunen vor, dass Beschaffungen nicht getätigt werden konnten, weil die Bieter nicht zur Abgabe der Erklärung zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen bereit waren. 2. Soll nach Auffassung der Landesregierung eine Kommune, die für eine zur Erfül- lung einer Pflichtaufgabe unerlässlichen Beschaffung keine Anbieter findet, die bereit sind, die nach dem TVgG-NRW notwendige Verpflichtungserklärung zu leisten, die Aufgabe, zu der sie gesetzlich verpflichtet sind, nicht erfüllen oder gegen das TVgG-NRW verstoßen? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass eine Kommune aufgrund der Verpflichtungen durch die Anwendung des TVgG-NRW eine Aufgabe nicht erfüllen kann. 3. Plant die Landesregierung, dem Beispiel des Bundeslandes Berlin zu folgen und eine Bagatellregelung unter 10.000 € in das Tariftreue- Vergabegesetz aufzunehmen ? Es gibt keine entsprechenden Planungen. 4. Welche anderen Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um die Kom- munen aus ihrer Zwangslage zu befreien? Zwangslagen der Kommunen, die sich durch die Beachtung des Tariftreue- und Vergabegesetz ergeben, sind nicht ersichtlich. Das Gesetz enthält zahlreiche Erleichterungen für den Gesetzesvollzug, nicht zuletzt die Einrichtung einer Prüfbehörde, die den Kommunen einen Großteil des für die Wirksamkeit des Gesetzes unverzichtbaren administrativen Aufwands abnimmt.