LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11410 08.03.2016 Datum des Originals: 25.02.2016/Ausgegeben: 11.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4363 vom 28. Januar 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/10947 Sind dem Innenminister Steuererhöhungen lieber als alternative Finanzierungsmodelle von Kommunen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4363 mit Schreiben vom 25. Februar 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Stadt Ennepetal ging am 25. Januar 2016 ein Schreiben des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen ein. Darin informierte der Innenminister die Stadt, dass der vor Ort vereinbarte sog. Standortsicherungsvertrag gegen kommunales Haushaltsrecht verstoße. Falls die Stadt Ennepetal den Vertrag schließe, würde die Kommunalaufsicht einschreiten, so der Innenminister. Anstatt die Möglichkeiten des Standortsicherungsvertrages zu nutzen, um den kommunalen Haushalt zu sichern, bleibt der Stadt jetzt nur noch die Erhöhung der Kommunalsteuern, um den Haushalt genehmigungsfähig zu halten. Um den Minderertrag auszugleichen müsste eine Anhebung der Gewerbesteuer um 50 Prozentpunkte auf dann 495 Punkte erfolgen. Spenden anstelle einer Anhebung der Gewerbesteuer: Mit diesem Konzept wolle die Stadt Ennepetal ihre Abhängigkeit von der Gewerbesteuer reduzieren. Gleichsam wollte die Kommune damit ihren Standort wettbewerbsfähiger gestalten. Anstatt den Gewerbesteuersatz zu heben, plante die Stadt, bei den Unternehmen Spenden einzusammeln. Die sollten wiederum in eine gemeinnützige Standortsicherungsgesellschaft fließen. Insgesamt sollten so jedes Jahr mindestens 3,5 Millionen Euro zusammenkommen, die wiederum in freiwillige städtische Leistungen, etwa in Schulen oder Kindergärten, eingebracht werden könnten. Dabei sollten die Spender keinen Einfluss auf die Mittelverwendung nehmen können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11410 2 Wäre die Spendenhöhe nicht erreicht worden, hätte die 30.000-Einwohner-Stadt den Gewerbesteuerhebesatz rückwirkend erhöht. Die Unternehmensseite in Ennepetal gab sich optimistisch: „3,5 Millionen Euro wären die Untergrenze. In der in NRW benachbarten Gemeinde Ense war 2013 das Experiment „Spenden statt Steuererhöhung“ gescheitert. Die Spendenbereitschaft bröckelte, nachdem einige Unternehmen sich dem Spendenaufruf nicht angeschlossen hatten. Die Stadt ist derweil weiterhin der Auffassung, dass die Standortsicherungsgesellschaft sinnvoll und rechtlich unbedenklich sei. Denn auch die Kommunalaufsichtsbehörde hatte keine Einwände gegen das Alternativfinanzierungsmodell erhoben und die Finanzbehörde die Gemeinnützigkeit der Standortsicherungsgesellschaft zugesagt. Das Innenministerium hält den Vertrag zwischen der Stadt und den Unternehmen dem Vernehmen nach für rechtswidrig. Vorbemerkung der Landesregierung Die Stadt Ennepetal wurde mit Schreiben des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 7. Januar 2016 davon in Kenntnis gesetzt, dass erhebliche rechtliche Bedenken in Bezug auf den (geplanten) Kooperationsvertrag zwischen der Ennepetaler Standortsicherungs gGmbH und der Stadt Ennepetal bestehen. Die Stadt wurde gebeten, das Schreiben dem Rat zugänglich zu machen und anschließend eine erneute Beratung und Beschlussfassung herbeizuführen. Erst wenn ein diesbezüglicher Bericht der Stadt vorliegt, um dessen Übersendung bis zum 31. März 2016 gebeten wurde, wird über die Erforderlichkeit eines etwaigen weiteren Vorgehens zu entscheiden sein. Bewertungen zum Einzelfall wird die Landesregierung vor Abschluss dieses Verfahrens nicht abgeben. Wenn Steuererhöhungen allerdings dadurch vermieden werden, dass stattdessen die Gesamtheit der Steuerzahler für die Entlastung der Wirtschaft in einer Gemeinde aufkommen muss, ist das nicht hinnehmbar. 1. Für wie sinnvoll erachtet die Landesregierung Initiativen von Kommunen, eine Abhängigkeit von der Gewerbesteuer zu verringern und Gewerbesteuererhöhungen zu vermeiden? Die Gemeinden entscheiden im Rahmen der ihnen durch die Gesetze gezogenen Grenzen in eigener Verantwortung über die Gewerbesteuerhebesätze vor Ort. 2. Aus welchem Grund lehnt das Innenministerium eine solche alternative Finanzierungsform von Kommunen ab? Die Landesregierung begrüßt es, wenn Unternehmen zusätzliche Mittel für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stellen. Die steuerliche Begünstigung von Spenden bietet hierzu einen entsprechenden Anreiz. Werden derartige Zuwendungen aber mit der Bedingung verbunden, dass auf Gewerbesteuerzahlungen bzw. -erhöhungen verzichtet wird, geht das zu Lasten aller Steuerzahler und anderer Gebietskörperschaften. Im vorliegenden Fall befasst sich das Ministerium für Inneres und Kommunales als oberste Kommunalaufsichtsbehörde nicht mit „alternative Finanzierungsformen von Kommunen“, sondern mit der rechtlichen Ausgestaltung eines kommunalen Vertrages. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11410 3 3. Wie bewertet es die Landesregierung, dass das Modell der Stadt Ense aus dem Jahr 2013 nicht kommunalaufsichtsrechtlich beanstandet wurde? Für die kommunalaufsichtliche Bewertung eines, auch nach den Ausführungen des Fragestellers, „gescheiterten“ Modells gibt es keinen Anlass. 4. Aus welchen Gründen schreitet das Innenministerium in diesem Fall ein, obwohl die Kommunalaufsichtsbehörde die Pläne der Stadt Ennepetal zuließ? Bei dem in der Vorbemerkung genannten Schreiben handelt es sich nicht um ein Einschreiten im Sinne einer Eingriffsverfügung, sondern es handelt sich um rechtliche Hinweise, verbunden mit den in der Vorbemerkung genannten Bitten. Für kommunalaufsichtliche Maßnahmen gegenüber einer kreisangehörigen Gemeinde wäre der Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde zuständig. Vor einem kommunalaufsichtlichen Einschreiten wäre die Kommune in jedem Fall zunächst anzuhören. 5. Wie ist der Vorgang in Ennepetal vor dem Hintergrund der kommunalen Finanzhoheit zu bewerten? Die kommunale Finanzhoheit ist im Rahmen der Gesetze gewährleistet und wird im vorliegenden Fall nicht tangiert. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11410