LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11531 21.03.2016 Datum des Originals: 18.03.2016/Ausgegeben: 24.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4484 vom 18. Februar 2016 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/11188 Ehrenamt in der Betreuung Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 4484 mit Schreiben vom 18. März 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Anzahl der gesetzlich angeordneten Betreuungen steigt auch in Nordrhein-Westfalen rapide an. Allein der damit verbundene Anstieg der Kosten ist beachtlich. Lagen diese im Jahr 1992 noch bei 1,2 Mio. Euro waren es 2013 allein im Justizministerium 218,1 Mio. Euro – ohne Ausgaben für Sachverständigengutachten. Im Gegensatz zu diesen Zahlen fällt die Förderung der Betreuungsvereine in Nordrhein-Westfalen sehr gering aus: 2013 wurden gerade einmal 1,1 Mio. Euro an die Betreuungsvereine weitergeleitet, um ihrer nach § 1908f Abs. 1 BGB geregelten Arbeit nachzukommen. Soweit keine Notwendigkeit zur hauptamtlichen Betreuung in einem Fall mehr besteht, kann eine Betreuung an ehrenamtliche Betreuer abgegeben werden. 1. Wie stellt sich die aktuelle Entwicklung der Betreuerzahlen dar? Nach den verfügbaren statistischen Angaben bestanden zum 31. Dezember 2014 in Nordrhein -Westfalen 292.910 Betreuungen. Der Anteil der ehrenamtlich geführten Betreuungen wird nach einem Modell errechnet, das anhand der Daten für die Neubestellungen die Entwicklung der Gesamtzahl ermittelt und für 2014 von 146.982 ehrenamtlich geführten Betreuungen ausgeht (50,02 %). Für 2015 ist die Erhebung der Daten noch nicht abgeschlossen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11531 2 Nicht ausgewiesen wird in der Statistik, wie viele Betreuungen von einer Person geführt werden . Im ehrenamtlichen Bereich ist allerdings davon auszugehen, dass ganz überwiegend nur eine Betreuung (insb. bei Angehörigen) wahrgenommen wird, so dass der Personenkreis der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer in Nordrhein-Westfalen auf ca. 130.000 Personen geschätzt werden kann. 2. Welche Anreize bestehen für die Übernahme einer ehrenamtlichen Betreuung? Neben den generell für ein Ehrenamt bestehenden Anreizen, zu denen insbesondere auch die gesellschaftliche Würdigung des Engagements (z.B. auch mit der Ehrenamtskarte) zu zählen ist, gibt die ehrenamtlich geführte Betreuung die Gelegenheit, für einen anderen Menschen, sei es eine vertraute angehörige oder eine dritte Person, unmittelbar Verantwortung zu übernehmen und ihn in seiner Lebensführung maßgeblich zu unterstützen. Dabei ermöglicht es die ehrenamtliche Betreuung, sich der oder dem zu Betreuenden intensiver zuzuwenden und eine enge persönliche Beziehung zu entwickeln bzw. zu pflegen. Für die Übernahme einer außerfamiliären Betreuung können die von den Betreuungsvereinen angebotenen Beratungs-, Fortbildungs- und Begleitungstätigkeiten - die sog. Querschnittsaufgaben nach § 1908f BGB - ein Anreiz sein. Mit diesen Angeboten steht ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern ein Bündel von bewährten Unterstützungsleistungen zur Verfügung , die den Einstieg in das Ehrenamt und dessen Wahrnehmung erheblich erleichtern. Das Betreueramt wird zwar grundsätzlich unentgeltlich geführt. Für die entstehenden Aufwendungen steht den ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern aber Ersatz in Höhe der tatsächlich erforderlichen Ausgaben zu. Statt des Ersatzes einzeln abgerechneter Aufwendungen können sie eine pauschale Aufwandsentschädigung verlangen, deren Höhe 399,00 € jährlich beträgt (§§ 1908i, 1835a BGB i.V.m. § 22 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes - JVEG -). Zur Abwendung von Haftungsrisiken hat das Land zudem für die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer eine Versicherung abgeschlossen (s. Frage 5). 3. Welche Voraussetzungen müssen konkret vorliegen, damit ein ehrenamtlicher Betreuer eine Ehrenamtskarte erhält? Die folgenden Kriterien für die Vergabe der Ehrenamtskarte gelten landesweit und für alle ehrenamtlichen Bereiche: Die Ehrenamtlichen müssen ein Engagement von mindestens fünf Stunden in der Woche ausüben . Dieses Engagement kann auch bei unterschiedlichen Trägern oder verteilt auf einzelne zeitintensive Einsätze mit insgesamt 250 Stunden pro Jahr erfolgen. In diesem Fall bestätigt jede Organisation die Zahl der bei ihr geleisteten Stunden für den freiwilligen Einsatz. Ehrenamtliche , die eine pauschale Aufwandsentschädigung erhalten, sind von der Vergabe ausgeschlossen . Dies gilt jedoch nicht, wenn die Pauschale - wie im Fall der ehrenamtlichen Betreuung - nicht mehr als die entstandenen Kosten deckt (z.B. Fahrtkosten). Zum geleisteten Zeitaufwand zählt auch die Teilnahme an Schulungen und Supervisionen. Gemeinschaftsveranstaltungen , in denen der Geselligkeitsaspekt im Mittelpunkt steht, werden jedoch nicht als Engagement für das Gemeinwohl betrachtet. Ebenso gilt, dass Bereitschaftszeiten, etwa in der Freiwilligen Feuerwehr, nicht als anrechenbare Arbeitszeit gezählt werden. 4. Wie kann ein ehrenamtlicher Betreuer diese Voraussetzungen nachweisen? Die am Projekt „Ehrenamtskarte NRW“ teilnehmenden Kommunen (aktuell 206) stellen ein entsprechendes Antragsformular zur Verfügung, das die Ehrenamtlichen mit ihren Daten zur Person und zum ausgeübten Ehrenamt ergänzen müssen. Die Betreuungsstelle muss die zum LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11531 3 Ehrenamt genannten Angaben – insbesondere den Stundenaufwand – auf diesem Antrag per Unterschrift bestätigen. Dieser Antrag wird dann der Kommune oder der von ihr bestimmten Stelle (z.B. Freiwilligenagentur) eingereicht, die wiederum den Antrag bearbeitet und ggf. eine Ehrenamtskarte ausstellt. 5. Welche (Haftungs-)Risiken sieht die Landesregierung für ehrenamtliche Betreuer? Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer haften gegenüber der betreuten Person für Schäden aus einer schuldhaften (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Pflichtverletzung im Rahmen der Amtsführung (§ 1833 i.V.m. § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB). Auch das Unterlassen einer Handlung kann eine Schadensersatzpflicht auslösen. Eine Pflichtverletzung liegt vor bei Verstößen gegen eine vom Gesetz oder vom Betreuungsgericht auferlegte Verpflichtung. Sie kann sowohl den Bereich der Personensorge als auch der Vermögenssorge betreffen. In Nordrhein-Westfalen besteht seit 2007 eine Sammel-Haftpflichtversicherung des Landes für Vermögensschäden. Versichert sind vom Betreuungsgericht bestellte ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer, Vormünder, Pflegerinnen und Pfleger. Je Versicherungsfall beträgt die Versicherungssumme 250.000,- Euro und für alle Versicherungsfälle einer versicherten Person in einem Versicherungsjahr 500.000,- Euro für Vermögensschäden. Gegenüber anderen bestehenden Haftpflichtversicherungen von selbständigen oder unselbständigen Vereinigungen , in denen die Betreuerinnen und Betreuer mitversichert sind, ist die Versicherung subsidiär . Der Abschluss einer eigenen individuellen Haftpflichtversicherung wird damit entbehrlich . Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11531