LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11557 22.03.2016 Datum des Originals: 22.03.2016/Ausgegeben: 29.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4483 vom 18. Februar 2016 der Abgeordneten Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/11187 Sieht die Landesregierung nach einer neuen Umfrage zur Handschrift und Problemen bei den Schreibfertigkeiten endlich Handlungsbedarf? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 4483 mit Schreiben vom 22. März 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Eine bundesweite Befragung von Müttern durch das Schreibmotorik Institut in Kooperation mit dem Bundeselternrat hat unlängst ergeben, dass mehr als 96 Prozent der Mütter das Erlernen des Schreibens mit der Hand für wichtig bzw. sehr wichtig halten. Eine vorherige Umfrage unter Lehrkräften hatte bereits ergeben, dass sogar 98 Prozent der Lehrkräfte dies als wichtig bzw. sehr wichtig erachten. Gleichzeitig erklärten über 23 Prozent der Mütter, dass ihre Kinder von 6 bis 12 Jahren Probleme hätten, länger zu schreiben. Die Einschätzungen der Lehrkräfte liegen sogar höher. Bei der vorherigen Befragung von Lehrkräften hatte sich eine ansteigende kritische Bewertung der Lehrkräfte von der Primarstufe zu weiterführenden Schulen gezeigt. Viele Lehrkräfte sahen demnach auch einen Zusammenhang zwischen Handschrift und schulischen Leistungen, gleichzeitig konstatierten schulformunabhängig 87 Prozent eine Verschlechterung der Schreibmotorik. Sowohl die Elternaussagen als auch die Einschätzungen der Lehrkräfte zeigen unterschiedliche Problembegründungen auf. Es zeigt sich aber übereinstimmend, dass bei einer wesentlichen Zahl von Kindern offensichtlich eine problematische Situation gesehen wird, die nicht einfach ignoriert werden darf. Der Erwerb von Schreibfertigkeiten ist nicht zuletzt z.B. für Lernprozesse oder die Entwicklung motorischer Fertigkeiten nicht zu unterschätzen. Hierbei sollten die Entwicklung einer flüssigen Handschrift und digitale Fertigkeiten auch nicht als Gegensatz verstanden werden, da beides wichtig ist und einander keinesfalls ersetzen soll. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11557 2 Die FDP hatte gemeinsam mit der CDU den Antrag „Gut lesbare verbundene Handschrift der Kinder am Ende der Grundschulzeit sicherstellen“ in den Landtag eingebracht. Hierbei wurde gefordert zu prüfen, ob die Kinder den formulierten Anforderungen des Lehrplans im Fach Deutsch der Grundschule entsprechen können. Ein Bericht der Landesregierung hatte gezeigt, dass der Landesregierung kein belastbarer Kenntnisstand zum tatsächlichen Erreichen dieser Kompetenzerwartung am Ende der 4. Klasse vorliegt. Der Antrag hatte gefordert sicherzustellen , dass Kinder am Ende der 4. Klasse flüssig in einer gut lesbaren verbundenen Handschrift schreiben können. Außerdem sollte eine Datenerhebung zur Erreichung der diesbezüglichen Kompetenzerwartung an Grundschulen durchgeführt sowie dem Landtag infolge der Datenerhebung ein entsprechender Bericht vorgelegt werden, der die Ergebnisse darlegt, eine Bewertung und Einordnung vornimmt sowie gegebenenfalls mögliche Änderungsbedarfe seitens der Landesregierung definiert. Obwohl auch Experten im Sachverständigengespräch unzureichendes Wissen beklagt hatten und die SPD zunächst eine Zustimmung zu einer entsprechenden Erhebung signalisiert hatte, hat Rot-Grün den Antrag abgelehnt. Dies ist bedauerlich, da eine Erhebung natürlich ein Mittel zum Zweck für Verbesserungen darstellt. Es stellt sich daher die Frage, ob die Landesregierung nun nach der erneuten Umfrage Handlungsbedarf sieht. 1. Wie bewertet die Landesregierung inhaltlich die Ergebnisse der neuen Umfrage von Müttern zu Problemen bei der Schreibfertigkeit? Die Landesregierung sieht durch die neue Umfrage bei 995 Müttern von 4- bis 12-jährigen Kindern - davon 223 aus Nordrhein-Westfalen - keine neuen repräsentativen Erkenntnisse gewonnen und nimmt im Folgenden zu den hauptsächlichen Aspekten Stellung. a) Wichtigkeit des Erlernens des Schreibens mit der Hand Der Landesregierung ist der Erwerb einer flüssigen, gut lesbaren Handschrift sehr wichtig. Das Ergebnis der Umfrage, dass die ausgewählten Mütter das Schreiben mit der Hand als (sehr) wichtig beurteilen, bestätigt die Zielsetzung der Landesregierung, was die Wertigkeit und Förderung der individuellen Handschrift betrifft. Daher ist es richtig, die Kompetenzerwartung des Erwerbs einer flüssigen, gut lesbaren verbundenen Handschrift am Ende der Klasse 4 im Lehrplan Deutsch im Bereich Schreiben verankert zu haben. Diese Vorgabe wird in den Schulen durch schulinterne Arbeitspläne konkretisiert und in einem individualisierten Unterricht entsprechend umgesetzt. b) Kinder haben Probleme länger als 30 Minuten zu schreiben Schülerinnen und Schüler der Grundschule haben zum Erwerb einer verbundenen Handschrift in der Regel vier Jahre Zeit. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn im Laufe der Grundschulzeit, also während des vierjährigen Lernprozesses, von Müttern der Grad des Erreichens dieser Kompetenz unterschiedlich bewertet wird. Die Kompetenzerwartungen am Ende der Klasse 4 erreichen die Schülerinnen und Schüler - wie bei allen Kompetenzerwartungen , die im Lehrplan formuliert sind - auf unterschiedlichem individuellen Niveau. Vorgaben zur Dauer von Schreibvorgängen nimmt der Lehrplan nicht vor. Der Unterricht ist von einem angemessenen Wechsel der verschiedenen Unterrichtsphasen und Sozialformen geprägt. So werden zur Erarbeitung, Erprobung und Sicherung von Lerninhalten vielfältige Arbeitsformen eingesetzt, die eher selten eine 30-minütige ununterbrochene Schreibphase enthalten. Es ist das erklärte Ziel eines solchen individualisierten Unterrichts, Schreibfreude LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11557 3 zu wecken und zu erhalten, nicht Übungen zu verordnen, die ohne inhaltlichen Bezug ausschließlich auf die Entwicklung der Schreibmotorik ausgerichtet sind. c) Informationen zum Schreiben lernen Eine enge vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus ist ein Gelingensfaktor für die erfolgreiche Begleitung schulischer Lernprozesse. Die Lehrkräfte stehen den Eltern in individuellen Gesprächen, aber auch in den schulischen Mitwirkungsgremien wie den Klassenpflegschaftssitzungen zur Verfügung, um über Unterrichtsinhalte zu informieren. (Übungs-)Materialien zur Vermittlung der Handschrift werden von der Schule zielgerichtet ausgewählt . 2. Worauf führt die Landesregierung die Einschätzung von 87 Prozent der befragten Lehrkräfte in der vorherigen Befragung zurück, dass sich die Schreibmotorik verschlechtert habe? Aus der zurückliegenden Befragung der Lehrkräfte (Dezember 2014 –März 2015) lassen sich keine grundlegend neuen Erkenntnisse zur Entwicklung der Handschrift in der Grundschule ableiten, weil der Einschätzung der Lehrkräfte der verschiedenen Schulformen keine einheitlichen Kriterien zugrunde liegen. Die Bewertung einer Handschrift unterliegt stets subjektiven Kriterien und individuellem ästhetischen Empfinden. Bei der Betrachtung der Handschrift ist auch immer die Intention im funktionalen sprachlichen Kontext zu berücksichtigen, die unterschiedliche Ansprüche an die Qualität begründet. Motorische Fähigkeiten (Fein- und Grobmotorik) sind wichtige Grundlagen beim Erwerb der Schreibfertigkeit. In der Grundschule, aber auch schon im Elementarbereich, werden daher motorische Fähigkeiten immer wieder - nicht nur im Sportunterricht - gefördert. Auch die Bildungsgrundsätze (Grundsätze zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen) zeigen hier vielfältige Möglichkeiten auf. Der Unterricht der Grundschule ist von differenzierten Bewegungsanlässen und -phasen geprägt, die die Förderung der allgemeinen fein- und grobmotorischen und damit auch der schreibmotorischen Fähigkeiten zum Ziel haben. 3. Sieht die Landesregierung aufgrund der Umfrage einen Handlungsbedarf (wenn ja, welchen?) Die Landesregierung sieht durch die neue Umfrage bei bundesweit 995 Müttern zur Schreibfertigkeit ihrer Kinder im Alter von 4 bis 12 Jahren keine neuen Erkenntnisse, die einen Handlungsbedarf in den Grundschulen in Nordrhein-Westfalen evozieren. Die Umfrage stützt sich auf die Aussagen von 223 Müttern - auch von nicht schulpflichtigen Kindern - aus Nordrhein- Westfalen. Damit kann diese Umfrage nicht den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein. Auch beim Erwerb der individuellen Handschrift ist für die Landesregierung das Prinzip der individuellen Förderung leitend, indem an den Vorerfahrungen und den Fertigkeiten jedes einzelnen Kindes angesetzt wird. Die Schülerinnen und Schüler werden von den Lehrkräften in ihren individuellen Entwicklungen und Lernprozessen gefördert. Dabei werden situationsangemessen unterschiedliche Materialien und Methoden eingesetzt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11557 4 4. Besteht nach den Ergebnissen der neuen Umfrage auf Seiten der Landesregierung inzwischen die Bereitschaft, eine Erhebung zum Erreichen der Kompetenzerwartungen am Ende der Klasse 4 durchzuführen? 5. Wenn die Landesregierung zu einer in Frage 4 angesprochenen Erhebung nicht bereit ist: Wie stellt die Landeregierung sicher, dass den genannten Kompetenzerwartungen auch entsprochen wird (werden kann)? Die Landesregierung plant weiterhin nicht, das Erreichen aller oder einzelner Kompetenzerwartungen , die in den Lehrplänen für die Grundschule formuliert sind, durch eine Erhebung zu überprüfen. In Einzelfällen wahrgenommene Schwächen in Bezug auf die Schreibfertigkeit können nicht darüber hinweg täuschen, dass die im Lehrplan festgelegten Kompetenzerwartungen auf individuell unterschiedlichem Niveau in der Regel auch erreicht werden. Ob das Erreichen der Kompetenzerwartung einer flüssigen, gut lesbaren verbundenen Handschrift mit angemessenem Aufwand wissenschaftlich valide erhoben werden kann, darf bezweifelt werden, zumal es für den Erwerb einer verbundenen Handschrift keine festgelegten Kompetenzstufen gibt. Die Landesregierung vertraut weiterhin der Kompetenz der professionell arbeitenden Lehrkräfte , die auf der Grundlage der in den Lehrplänen formulierten Kompetenzerwartungen und den schulischen Arbeitsplänen die Schülerinnen und Schüler beim Erwerb einer flüssigen, gut lesbaren verbundenen Handschrift individuell begleiten. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11557