LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11564 22.03.2016 Datum des Originals: 22.03.2016/Ausgegeben: 29.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4486 vom 17. Februar 2016 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/11190 Überfüllte Haftanstalten in NRW Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 4486 mit Schreiben vom 22. März 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die zahlreichen Verhaftungen in Folge der Silvesternacht stellen die Haftanstalten in Nordrhein -Westfalen vor große Probleme, wie Medien übereinstimmend berichten (z.B. Aachener Nachrichten und Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger). Die JVA in Dortmund, Duisburg-Hamborn, und Kleve sind bereits überbelegt, knapp 20 weitere Gefängnisse sollen kurz davor stehen (Aachener Nachrichten, 13.2.2016, S. 9). In der JVA Köln-Ossendorf sind beispielsweise gerade noch zwölf Plätze frei (KStA, 13.2.2016, S. 10). Die Belegungsquote der NRW-Haftanstalten liegt bereits bei 92,13 Prozent. Dabei rät der Bund der Strafvollzugsbediensteten dazu, 90 Prozent nicht zu überschreiten (Aachener Zeitung , 13.2.2016, S. 9). Allein im Januar wurden 500 zusätzliche Insassen gemeldet. Aufgrund des Platzmangels müssen viele Sträflinge in Gemeinschaftszellen wohnen, teils zusammengepfercht, obwohl sie eigentlich ein Recht auf Einzelunterbringung haben. Würden sie dieses einklagen, könnten sie nicht mehr untergebracht werden (Aachener Nachrichten, 13.2.2016, S. 9). Die Enge in den JVA birgt ein gesteigertes Aggressionspotenzial und damit Gefahr für die Bediensteten (KStA, 13.2.2016, S.10). Anstatt aber auf die Vielzahl der Probleme mit der Schaffung neuer Haftplätze zu reagieren, baut die Landesregierung NRW sogar Plätze ab: 2015 waren es in ganz NRW noch 19.114, jetzt sind es gemäß Justizministerium noch 18.405. Nur 17.629 sind jedoch aufgrund von Sanierungsarbeiten nutzbar. Dem gegenüber stehen 16.242 Gefangene. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11564 2 Zudem wurden Haftanstalten in Coesfeld, Mönchengladbach und Krefeld geschlossen. Dabei rechnen Experten mit zunehmend stärkerer Belegung, weil die Gerichte seit Silvester wieder härtere Strafen verhängen (Aachener Nachrichten, 13.2.2016, S. 9). Eine spürbare Steigerung der Gefangenenzahlen wird auch durch den Flüchtlingsstrom erwartet : In Positionspapier des Bundes der Strafvollzugsbediensteten heißt es, in diesem Rahmen kämen „Menschen im besonders kriminalitätsanfälligen Alter zwischen 20 und 40 zu uns“ (Rheinische Post, 15.2.2016, S. 3). Zudem ist der Platzbedarf für Abschiebehäftlinge in NRW offenbar jetzt schon so groß, dass in der eigens dafür umgebauten Einrichtung in Büren nur noch Männer untergebracht werden sollen. Der geringe Anteil an ausreisepflichtigen Frauen soll dagegen nach Rheinland-Pfalz gebracht werden (KSTA, 13.2.2016, S. 10). Vorbemerkung der Landesregierung: Die Thematik der Haftplatzkapazitäten wurde im Anschluss an den Antrag der CDU- Fraktion (Drs. 16/8940) bereits ausführlich in mehreren Sitzungen im Rechtsausschuss, im Rahmen einer Expertenanhörung und in einem Obleutegespräch erörtert. Die Landesregierung hat in den Vorlagen 16/2691, 16/2762, LT-Drs. 16/9742 (Kleine Anfrage), 16/3245, 16/3482 (Obleutegespräch ), 16/3519 und 16/3627 hierzu ausführlich berichtet. 1. Wie wird die Landesregierung auf die bestehenden Engpässe sowie die steigenden Gefangenenzahlen in den nordrhein-westfälischen Haftanstalten reagieren? Siehe Vorbemerkung. 2. Wie viele Haftplätze soll es in den kommenden fünf Jahren in NRW geben? (Bitte für jedes Jahr ab 2016, Stichtag 31.12., einzeln angeben sowie bitte Anzahl der geplanten neuen Haftanstalten in NRW mitteilen.) Siehe Vorbemerkung. Eine stichtagsbezogene Darstellung der Haftplatzkapazitäten jeweils zum 31.12. ist im Hinblick auf die Einflussfaktoren nicht möglich. 3. Warum wurden die JVA Coesfeld, Mönchengladbach und Krefeld geschlossen? Siehe Vorbemerkung. 4. Wie will die Landesregierung Bedienstete im Strafvollzug vor zunehmender Aggression durch Häftlinge schützen? Dem Gewaltpotenzial im Vollzug wird durch eine entsprechende Ausbildung der Bediensteten und ein Angebot an Behandlungsmaßnahmen für Gefangene begegnet. Die Bediensteten des allgemeinen Vollzugdienstes und des Werkdienstes werden mit den Grundlagen der Kommunikation, der Gewaltprävention, der Deeskalation sowie den Sicherungstechniken (Maßnahmen der Gefahrenabwehr, der Eigensicherung und der Anwendung des unmittelbaren Zwangs) vertraut gemacht. Alle Laufbahnen sollen zukünftig in die Grundlagen der Deeskalation und des Gewaltschutzes eingewiesen werden. Nach besonders be- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11564 3 lastenden beruflichen Ereignissen wird eine psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) angeboten . Des Weiteren ist die rückfallpräventive Behandlung von Straftätern anhand moderner Methoden und aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse eine der Hauptaufgaben des Justizvollzuges . Dazu gehören nach einer systematischen Identifizierung von Gewalttätern (Diagnostik) zum Beispiel: Anti-Gewalt-Training, deliktorientierte Rückfallprophylaxe-Gruppen, auf Gewaltstraftäter gezielt zugeschnittene Behandlungsprogramme wie das Behandlungsprogramm für inhaftierte Gewaltstraftäter (BiG), Einzel- und Gruppenpsychotherapie und die Vermittlung in Aussteigerprogramme, abgerundet durch Sport- und Freizeitmöglichkeiten in den Justizvollzugsanstalten . 5. Wie viele Haftanstalten in NRW werden speziell für Abschiebehäftlinge umgebaut? (Bitte Ort und Anzahl der Haftplätze nennen. Bei negativer Auskunft bitte Begründung angeben.) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und den darauf beruhenden gesetzlichen Regelungen ist in Justizvollzugsanstalten die Unterbringung von abzuschiebenden Personen nicht zulässig. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11564