LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11565 23.03.2016 Datum des Originals: 22.03.2016/Ausgegeben: 30.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4473 vom 15. Februar 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/11161 50.000 freie Plätze in Landesaufnahmeeinrichtungen – Warum werden Kommunen nicht stärker entlastet? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4473 mit Schreiben vom 22. März 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Während der Bund für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständig ist, sind die Bundesländer vor allem für die Erstaufnahme der Flüchtlinge verantwortlich. Anschließend werden die Flüchtlinge in die Kommunen verteilt. § 44 des Asylgesetzes verpflichtet die Länder – und damit auch Nordrhein-Westfalen - für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten sowie entsprechend ihrer Aufnahmequote die im Hinblick auf den monatlichen Zugang Asylbegehrender in den Aufnahmeeinrichtungen notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereitzustellen. § 47 des Asylgesetzes bestimmt, dass die Dauer des Aufenthalts in Aufnahmeeinrichtungen bis zu sechs Wochen , längstens jedoch bis zu sechs Monaten, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung dauern kann. Eine kurze Verweildauer von wenigen Tagen stellt die Kommunen dabei vor große Probleme. Eine Umfrage der „Welt“ ergab, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen derzeit in mehreren Bundesländern nicht einmal zur Hälfte belegt sind. In Sachsen werden demnach nur 25 Prozent der Kapazitäten genutzt. In Thüringen liegt die Auslastung bei 33 Prozent, in Schleswig-Holstein bei 46 Prozent. In Nordrhein-Westfalen seien lediglich rund 40 Prozent der Kapazitäten in den Landeseinrichtungen belegt. Laut Bericht des Innenministeriums standen am 03.02.2016 dem Land zur Unterbringung der Asylsuchenden insgesamt 81.442 Unterbringungsplätze zur Verfügung, die mit 29.154 Personen belegt waren. Die Gesamtkapazität der Landeseinrichtungen – inklusive des Großteils an Platzkapazitäten in Notunterkünften - wurde LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11565 2 gegenüber dem Stand vom 12.01.2016 von 85.193 um 3.751 auf 81.442 Plätze reduziert. Statt 265 stehen nun noch 231 Notunterkünfte zur Verfügung. Gründe hierfür sind die vertragsgemäßen Schließungen von Notunterkünften in Jugendherbergen zum 31.01.2016 und der beginnende Abbau von Notunterkünften z.B. in kommunalen Sporthallen. Die Handlungsspielräume durch freie Kapazitäten soll das Land zur Entlastung der Kommunen nutzen. Nachdem bereits im Zeitraum 23.12.2015 bis 03.01.2016 keine Zuweisungen erfolgt sind, werden bis auf Weiteres Flüchtlinge nur solchen Kommunen zugewiesen, die ihre Erfüllungsquote nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) zur Zeit deutlich untererfüllt haben. In wenigen Einzelfällen kommen in dieser Zeit auch freiwillige Aufnahmen von Flüchtlingen hinzu. Der Bund hat sich in seiner Verständigung mit den Ländern zum Ziel gesetzt, die Kommunen dadurch zu entlasten, dass die Asylverfahren künftig während des 3-monatigen Aufenthalts komplett abgewickelt werden. Diejenigen, deren Asylanträge sehr wahrscheinlich abgelehnt werden und die keine Bleibeperspektive in Deutschland haben, sollen direkt von der Landesaufnahmeeinrichtung aus in ihre Heimat zurückgeführt und gar nicht erst an eine Kommune übermittelt werden. Asylbewerber mit Bleibeperspektive dagegen sollen möglichst frühzeitig in kommunalen Einrichtungen untergebracht werden und möglichst früh auch Integrationsangebote nutzten können. Bislang ist man davon aber noch weit entfernt, einerseits aufgrund der Verfahrensdauer beim BAMF, andererseits aber auch, weil die Länder bislang mit den vorhandenen Platzkapazitäten nicht gewährleisten können, dass ein großer Teil der Asylbewerber ohne Perspektive auf Anerkennung von Asyl bis zur Verfahrensbeendigung zentral in Einrichtungen des Landes untergebracht werden sollen. 1. Inwieweit nutzt die Landesregierung die derzeitige Lage, dass die Kapazitäten in den Landeseinrichtungen lediglich zu 40 Prozent belegt sind, um die Verweildauer von Asylbewerbern dort zu verlängern? 2. Aus welchen Gründen erfolgen aktuell überhaupt Zuweisungen an die Kommunen , wenn Kapazitäten von rund 50.000 Plätzen nicht belegt sind? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 zusammen beantwortet. Die Landesregierung nutzt die aktuellen Spielräume zur Entlastung der Kommunen. Bereits seit Anfang Februar erfolgen Zuweisungen nur an die Kommunen, die bislang ihre Erfüllungsquote gemäß Flüchtlingsaufnahmegesetz deutlich untererfüllt haben (sog. Dispens- Kommunen). Weitere Zuweisungen in geringem Umfang können aufgrund rechtlicher Bindungen erfolgen, wie z.B. zur Zusammenführung eines Ehepaares oder einer Kernfamilie. In Einzelfällen sind auch freiwillige Aufnahmen möglich. Mit den aktuellen freien Kapazitäten besteht zugleich ein notwendiger Puffer durch den sichergestellt wird, dass sehr kurzfristige Inbetriebnahmen von Flüchtlingsunterbringungen - wie im letzten Jahr aufgrund der sprunghaften Entwicklung der Flüchtlingszugänge erforderlich – vermieden werden können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11565 3 3. Welche Verweildauer haben Asylbewerber aktuell in Landesaufnahmeeinrichtungen Nordrhein-Westfalens? Die aktuelle Zuweisungspraxis führt im Ergebnis dazu, dass sich die Aufenthaltsdauer der Asylbewerber im Durchschnitt deutlich verlängert. In Abhängigkeit von der Entwicklung der Zugangszahlen und der vorhandenen Kapazitäten wird zu entscheiden sein, wie lange die Praxis zur Entlastung der Kommunen beibehalten werden kann. Eine Einschätzung, wie sich die seit Anfang Februar umgestellte Praxis auf die durchschnittliche Aufenthaltsdauer auswirken wird, ist noch nicht möglich. 4. In welchem Zeitraum wurden Flüchtlinge jeweils seit Januar 2014 bis heute auf die einzelnen Kommunen weiterverteilt (bitte monatliche Auflistung)? Statistische Daten zur durchschnittlichen Aufenthaltsdauer liegen der Landesregierung nicht vor. Angaben zur durchschnittlichen Verweildauer sind lediglich retrospektiv für größere Zeiträume möglich. Danach lag die Verweildauer bis Mitte 2014 durchschnittlich bei vier bis sechs Wochen . Bis Ende 2015 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer etwa 14 Tage (vgl. Antwort der Kleinen Anfrage 3689 vom 20. August 2015). Hinsichtlich der aktuellen Verweildauer siehe Antwort auf Frage 3. Eine detaillierte Aufstellung ist im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht möglich. 5. Gemäß § 47 Absatz 1a Asylgesetz sind Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29a als offensichtlich unbegründet oder nach § 27a als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Wie will die Landesregierung der gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, dass alle Asylbewerber ohne Bleibeperspektive bis zum Abschluss des Verfahrens in Landesaufnahmeeinrichtungen verbleiben? Die gesetzliche Wohnverpflichtung bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in Aufnahmeeinrichtungen besteht nur für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten (vgl. § 47 Absatz 1a Asylgesetz). Demnach reicht die bloße Annahme einer fehlenden Bleibeperspektive (etwa bei sonstigen Herkunftsländern mit niedriger Gesamtschutzquote) insoweit nicht aus. Von der Umsetzung des zwischen Bund und Ländern vereinbarten Aktionsplans zur weiteren Beschleunigung der Asylverfahren sowie einer Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote werden in Nordrhein-Westfalen nach erfolgten qualitativen und quantitativen Ausweitungen nunmehr bereits sämtliche Asylsuchende einschließlich der neu einreisenden Folgeantragsteller aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans (Albanien, Kosovo, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ), vorbehaltlich der sachlichen Eignung des Einzelfalls, erfasst. Zuletzt hinzugenommen wurden auch Asylsuchende aus Georgien. Im bisherigen Verlauf wurden seit dem 30.09.2015 insgesamt 2.629 Asylsuchende dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Aktenanlage und Antragsstellung zugeführt. Bei der Mehrzahl handelt es sich bislang um albanische Asylsuchende, auf die sich die Umsetzung zunächst konzentrierte. Davon wurden nach LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11565 4 einer Vorprüfung durch das BAMF 2.290 Fälle als für ein beschleunigtes Verfahren sachlich geeignet eingestuft. In 2.146 Fällen haben die beteiligten Bundesamtsaußenstellen eine ablehnende Entscheidung zum Antrag getroffen (Stand 03.03.2016). Ein Schwerpunkt bei der Aktionsplanumsetzung in Nordrhein-Westfalen liegt auf der Förderung einer freiwilligen Rückkehr ins Heimatland. Insbesondere Familien mit Kindern wird die Möglichkeit gegeben, eine bevorstehende Abschiebung und die damit verbundenen Belastungen durch freiwillige Ausreise zu vermeiden. Dies alles mit erkennbar positiver Resonanz: Bislang sind bereits 1.445 Personen im Rahmen der Aktionsplanumsetzung aus den Landesaufnahmeeinrichtungen freiwillig ausgereist. Dem stehen aktuell 125 Abschiebungen gegenüber (Stand 03.03.2016). Zusätzliche sinnvolle Ausweitungsmöglichkeiten des Aktionsplans werden ständig geprüft. Voraussetzung sind aber nicht nur entsprechende kurzfristige Entscheidungsmöglichkeiten des zuständigen BAMF in den Asylverfahren, sondern ebenso kurzfristige Rückführungsmöglichkeiten in das Herkunftsland. Denn nach § 49 Absatz 1 Asylgesetz ist die Verpflichtung, in Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen, zu beenden, wenn eine Abschiebungsandrohung vollziehbar und die Abschiebung kurzfristig nicht möglich ist. Hieran ändert auch § 47 Absatz 1a Asylgesetz ausdrücklich nichts. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11565