LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11591 24.03.2016 Datum des Originals: 24.03.2016/Ausgegeben: 31.03.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4494 vom 23. Februar 2016 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/11236 Mittelstandsfreundlichkeit der rot-grünen Landesregierung im Praxistest – Warum belastet Umweltminister Remmel die Entsorgungsbranche über Nacht mit Prüfgebühren in Millionenhöhe? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4494 mit Schreiben vom 24. März 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit dem 1. April 2010 ist das elektronische Nachweisverfahren (eANV) für Abfallerzeuger, Beförderer und Entsorger von gefährlichen Abfällen Pflicht. Entsorgungsnachweise, Begleitscheine sowie Übernahmescheine für Sammelentsorger werden nur noch von allen Beteiligten elektronisch übermittelt und empfangen. Insbesondere aufgrund des Engagements und der Investitionen der Abfallwirtschaft hat sich das elektronische Abfallnachweisverfahren inzwischen bewährt. Zum 1. Januar 2016 wurde eine Gebühr für die Entgegennahme und Bearbeitung von Begleitscheinen eingeführt. Dadurch sollen die an der Entsorgung Beteiligten an den jährlichen Kosten des elektronischen Nachweisverfahrens zusätzlich beteiligt werden. Für die Entsorgung in NRW wird dem Entsorger eine Gebühr in Höhe von 5,- Euro pro Begleitschein in Rechnung gestellt. Die Versendung der Gebührenscheine wird erfolgen, sobald das entsprechende automatisierte Berechnungssystem einsatzbereit ist. Die für die Gebührenerhebung notwendige Tarifstelle (Tarifstelle 28.2.6.4) wurde von der Landesregierung mit der 28. Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsgebühren- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11591 2 ordnung geschaffen und bereits am 19. August 2015 im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet . Eine weitergehende Information der nordrhein-westfälischen Abfallwirtschaft erfolgte zunächst nicht. Erst mit Schreiben vom 28. Dezember 2015 hat das Umweltministerium die nordrhein-westfälische Abfallwirtschaft darüber informiert, dass zum 1. Januar 2016 Gebühren erhoben werden . Die Gebührenpflicht zum 1. Januar führt zu einer kurzfristigen Mehrbelastung der Entsorger in Millionenhöhe. Mangels frühzeitiger Information kann diese in den laufenden Entsorgungsverträgen auch kaum mehr kompensiert werden. Angesichts der Tatsache, dass das Umweltministerium die Clearingstelle Mittelstand beim Gesetzentwurf des Landeswassergesetzes nicht und beim Landesnaturschutzgesetz erst aufgrund öffentlicher Proteste beteiligt hat, stellt sich einmal mehr die Frage, wie es um die Mittelstandfreundlichkeit der Landesregierung bestellt ist. Vorbemerkung der Landesregierung Die Entsorgung nachweispflichtiger Abfälle ist aufgrund der „Verordnung über die Nachweisführung bei der Entsorgung von Abfällen“ (NachwV) bundesweit grundsätzlich nur mit Entsorgungsnachweisen bzw. mit Sammelentsorgungsnachweisen zulässig (sog. Vorabkontrolle). Je Abfallcharge bzw. Sammelcharge ist die Entsorgung anschließend mittels Begleitschein bzw. Sammelbegleitschein zu dokumentieren (sog. Verbleibskontrolle). Das elektronische Nachweisverfahren ist seit dem 01.04.2010 verpflichtend. Nach § 20 NachwV haben die Länder über den gemeinschaftlichen Betrieb informationstechnischer Systeme und durch die Einrichtung einer jeweils dazu bestimmten Einrichtung sicher zu stellen, dass die elektronische Nachweisführung von den Verpflichteten und den zuständigen Behörden auch im Fall einer Ländergrenzen überschreitenden Entsorgung von Abfällen eingehalten werden kann. Dies ist mit der Einrichtung des Systems ZKS-Abfall (Zentrale Koordinierungsstelle der Länder) erfolgt, das im Auftrag der Länder von einem Rechenzentrum betrieben wird. Die gemeinsamen Systeme der Länder werden auf der Basis der Verwaltungsvereinbarung Abfall-DV-Systeme (VWV GADSYS) betrieben. Die Koordinierung erfolgt über eine zugehörige Geschäftsstelle, die Informationskoordinierende Stelle Abfall-DV-Systeme (IKA). Die Kosten für die gemeinsamen Systeme werden von den Ländern nach dem Königsteiner Schlüssel getragen. Die Einführung des elektronischen Abfallnachweisverfahrens hat auch für die Dienststellen der Länder und die Landeshaushalte erhebliche Anstrengungen und Investitionen erfordert. Insbesondere die Schaffung und der Betrieb des gemeinsamen elektronischen Nachweissystems (ZKS-Abfall) haben hohe Investitionen und dauerhafte Kosten für die Länder mit sich gebracht. Eine bundesweite Regelung zur Refinanzierung dieser Kosten konnte nicht zuletzt aufgrund der Finanzhoheit der Länder nicht gefunden werden. Vor diesem Hintergrund haben einige Bundesländer bereits Einzellösungen für Begleitschein-Gebühren umgesetzt. In Nordrhein-Westfalen fallen bei den entsprechenden Entsorgungsvorgängen mehr als 500.000 Einzel- und Sammelbegleitscheine an. Angesichts der Vielzahl der in NRW abgewickelten Entsorgungsvorgänge ist eine Gebührenlösung auch für Nordrhein-Westfalen uner- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11591 3 lässlich. Eine entsprechende Gebührenstelle wurde bereits mit der 28. Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 18. August 2015 geschaffen und veröffentlicht (Tarifstelle 28.2.6.4 – Entgegennahme und Bearbeitung von (elektronischen) Begleitscheinen (§§ 11 und 17 bis 19 NachwV)). Änderungen und Anpassungen von Gebührentatbeständen im Umweltbereich gehören zum laufenden Geschäft der Verwaltung. Für die Entsorgung wird dem Entsorger eine Gebühr von 5,- Euro je Begleitschein in Rechnung gestellt. Die Anzahl der Begleitscheine bezieht sich in NRW auf ca. 5.400 Abfallerzeuger, bei denen sich das Begleitscheinaufkommen wie folgt staffelt: - Gebühren für weniger als 10 Begleitscheine im Jahr: ca. 2.700 - Gebühren für weniger als 100 Begleitscheine im Jahr: ca. 2.100 - Gebühren für mehr als 100 Begleitscheine im Jahr: ca. 500 - Gebühren für mehr als 1.000 Begleitscheine im Jahr: knapp 50 1. Entspricht es der Vorstellung der Landesregierung von Mittelstandsfreundlichkeit , dass die betroffene Branche im Vorfeld der Einführung von Gebührentatbeständen nicht angehört wurde? 2. Aus welchem Grund wurde die Entsorgungsbranche erst wenige Tage vor der Einführung der Gebührenpflicht hierüber informiert? Die Gebühren für Begleitscheine werden in NRW indirekt von ca. 5.400 Abfallerzeugern zu entrichten sein, davon bei ca. 4800 für weniger als 100 Begleitscheine im Jahr. Weit über die Hälfte der Betroffenen hat nach den Erfahrungen der Vorjahre weniger als 10 Begleitscheine pro Jahr gehandhabt. Die finanzielle Belastung liegt dort also bei unter 50 € pro Jahr. Der genaue Zeitpunkt, zu dem die Machbarkeit des technischen Systems zur Gebührenerhebung abschließend geklärt war, war lange Zeit offen. Erst im Dezember 2015 war endgültig sichergestellt, dass das elektronische System zur Gebührenerhebung ab Anfang des Jahres 2016 zur Verfügung stehen wird, so dass erst zu diesem Zeitpunkt eine Information der Entsorgungswirtschaft erfolgte. 3. Ist die Landesregierung bereit, den berechtigten Vertrauensschutz der Branche zu gewährleisten und die Einführung der Gebührenpflicht zu verschieben, um Vertragsanpassungen etc. zu ermöglichen? Aus der Schaffung des Einnahmetitels im Haushalt 2016 ergibt sich die Konsequenz, dass bei Vorliegen der technischen Voraussetzungen auch eine Pflicht zur Erhebung der zugehörigen Gebühren besteht. Ein Hinausschieben des Erfassungszeitraumes war vor diesem Hintergrund haushalts- und gebührenrechtlich nicht möglich. Weitere Erläuterungen sollen in einem klärenden Gespräch des MKULNV mit den betroffenen Verbänden erfolgen. 4. Mit welchen Gebühreneinnahmen rechnet die Landesregierung für die Jahre 2016 und 2017? Das Aufkommen an Begleitscheinen ist in NRW seit Jahren annähernd konstant. Eine Hochrechnung auf der Basis der Zahlen des Vorjahres und der Systematik der Tarifstelle 28.2.6.4 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11591 4 ergibt ein Gebührenaufkommen von ca. 600.000 € pro Quartal. Da die Gebühren jeweils nach Abschluss des Quartals erhoben werden sollen, wird für das Jahr 2016 mit einem Gebührenaufkommen von insgesamt ca. 1.800.000 € und für das Jahr 2017 von ca. 2.400.000 € zu rechnen sein. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11591