LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11595 29.03.2016 Datum des Originals: 29.03.2016/Ausgegeben: 01.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4536 vom 4. März 2016 des Abgeordneten Marc Lürbke FDP Drucksache 16/11338 Wieder Ärger mit dem Digitalfunk – SEK-Polizisten müssen uralte Funkgeräte nutzen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4536 mit Schreiben vom 29. März 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Einem Bericht des Westfalen-Blatts vom 4. März 2016 zufolge, verwenden die Spezialeinsatzkommandos (SEK) in NRW weiterhin ihre alten, analogen Funkgeräte. Hintergrund ist die Befürchtung von gefährlichen Pannen durch eine offenbar nicht verlässlich arbeitende Digitalfunk-Technik in NRW. Das Westfalen-Blatt zitiert einen Kommandoführer: „Wenn ich bei unseren alten Geräten die Sprechtaste drücke, hören mich meine Kollegen im selben Moment. Drücke ich die Taste bei den neuen Digitalgeräten, dauert es bis zu einer Sekunde, bis die Verbindung steht. Das ist viel zu lange, wenn in hochbrisanten Situationen Kommandos gegeben werden müssen.“ Ergänzend dazu sei beim neuen Digitalfunk das sogenannte 'Übersprechen' nicht mehr möglich. Aufgrund der Probleme mit der neuen Technik haben die sechs SEK aus Bielefeld, Dortmund, Münster, Essen, Köln und Düsseldorf beschlossen, wieder die alte Technik zu benutzen. Ebenso könnten mit der neuen Technik u.a. keine Fahndungsfotos übermittelt werden, was mittlerweile mit jedem Smartphone möglich ist. Neben der Landes- soll auch die Bundespolizei Probleme mit der neuen Technik haben. Polizisten schildern, dass ihre Kollegen oft nicht zu erreichen seien und das Funken aus z.B. einem Tunnel heraus nicht möglich sei. Im Bericht heißt es dazu ergänzend: „Es ist mehrfach passiert, dass bei Schlägereien oder bei gesundheitlichen Problemen von Reisenden nicht sofort Hilfe gerufen werden konnte. Die Polizisten hätten sich erst Orte im Bahnhof suchen müssen, an denen der Funkkontakt wieder möglich gewesen sei.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11595 2 Auch bei der Landespolizei sind seitens der Einsatzkräfte in NRW immer wieder Probleme mit dem Digitalfunk laut geworden. So gibt es Berichte, dass im Einzelfall sogar Leitstellen nicht erreicht werden konnten. Dem Westfalen-Blatt zufolge gibt es für die Spezialeinsatzkommandos noch keine Lösung. Vorbemerkung der Landesregierung Der initiale Aufbau des Digitalfunknetzes für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in NRW ist abgeschlossen. Die Verfügbarkeit des Netzes in NRW liegt mit über 98 % versorgter Freifläche über der beauftragten und bundesweit abgestimmten Mindestversorgung von 96 %. Mit dem BOS Digitalfunk wurde eine Vielzahl von Leistungsmerkmalen eingeführt, die im Analogfunk nicht zur Verfügung standen. Hierzu zählen beispielsweise die flächendeckende bundesweite Kommunikation aller Einsatzkräfte der BOS, die Abhörsicherheit und die Möglichkeit, Notrufe mit Positionsdaten sowie Kurznachrichten abzusetzen. Die genutzten Handsprechfunkgeräte sind in ihrer baulichen Ausführung deutlich kleiner und leistungsstärker im Vergleich zu den bisher eingesetzten analogen Handsprechfunkgeräten. Darüber hinaus bietet der BOS Digitalfunk eine Funktion zur bevorrechtigten Einsprache. Hierdurch wird der Nutzer in die Lage versetzt, ein aktives Funkgespräch zu unterbrechen, um selbst Informationen übermitteln zu können. Während die Funktion an den Endgeräten der Spezialeinheiten bereits zur Verfügung steht, wird diese für alle anderen Kräfte der Polizei NRW derzeit vorbereitet. Die Polizei NRW nutzt den BOS Digitalfunk seit dem 01.12.2014 flächendeckend im Wirkbetrieb. Seitdem hat sich der Digitalfunk sowohl bei Alltagseinsätzen, als auch in besonderen Einsatzlagen bewährt. 1. Welche konkreten Kenntnisse besitzt die Landesregierung über die Probleme mit dem Digitalfunk bei der Polizei in NRW? Beim BOS Digitalfunk handelt es sich um ein komplexes zellulares Funksystem, das nach dem Erstaufbau in der Betriebsphase ständigen Anpassungserfordernissen unterliegt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So war nach dem Aufbau zunächst der Nachweis zu führen, dass die berechnete Funkversorgung auch tatsächlich erreicht wurde und den bestehenden taktischen Anforderungen genügt. Dies erfolgte im Rahmen der erweiterten Probebetriebe in Abstimmung mit allen BOS des Landes NRW. Ferner muss eine Änderung in der Netztopologie, etwa durch den erforderlichen Abriss eines Gebäudes auf dem sich eine Basisstation befindet, in gleicher Weise kompensiert werden, wie geänderte taktische Anforderungen in einem Versorgungsbereich einer Basisstation, beispielsweise aufgrund von neugeschaffenen Veranstaltungsorten oder sich ergebenden neuen Einsatzschwerpunkten. Erforderliche Netzänderungsmaßnahmen sind dabei immer in Relation zum Gesamtnetz zu betrachten und erfolgen zum Ausschluss von Rückwirkungen auf das Gesamtnetz unter der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11595 3 Federführung der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS). Grundsätzlich wurde der Versorgungsauftrag in NRW mit dem Erstaufbau bereits übererfüllt und die Funkversorgung des Analogfunks übertroffen. Identifizierte Maßnahmen zur weiteren Optimierung des Netzes, die sich überwiegend an taktischen Anforderungen orientieren, werden durch das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW im Zusammenwirken mit der BDBOS kontinuierlich umgesetzt und dadurch die Funkversorgung ständig verbessert. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die aktuellen Probleme im Zusammenhang mit dem Digitalfunk? siehe Antwort zu Frage 1 3. Welchen genauen Ansatz verfolgt die Landesregierung zur Lösung der Probleme bzw. wann kann mit einer Behebung der Probleme gerechnet werden? siehe Antwort zu Frage 1 4. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass SEK-Polizisten in NRW wieder die alten Geräte nutzen müssen? Für die allgemeine Kommunikation nutzen die Spezialeinheiten in NRW den Digitalfunk in gleicher Art und Weise, wie die übrigen Kräfte der Polizei NRW. Die Vorteile des BOS Digitalfunks wirken sich dabei insbesondere in der Zusammenarbeit und Abstimmung mit anderen Kräften, welche aufgrund des bundesweit verfügbaren Netzes bereits während der Anfahrt stattfinden kann, aus. Darüber hinaus sind bei der Ausstattung der Spezialeinheiten jedoch besondere, den verschiedenen Einsatzsituationen entsprechende taktische Anforderungen an die Endgeräte und das erforderliche Zubehör zu berücksichtigen. Die Geräte müssen beispielsweise für den verdeckten Einsatz eine geringe Größe aufweisen, aber auch Anschlussmöglichkeiten für das vielfältige Zubehör bieten. Dadurch ergeben sich zwangsläufig Unterschiede zur Standardausstattung bei der Polizei NRW. Die Erarbeitung der Ausstattungskonzepte erfolgte mit großer Sorgfalt und in bundesweiter Abstimmung. Hierbei wurden zahlreiche Trageversuche und Tests unter Federführung der Spezialeinheiten durchgeführt. Aufgrund einer den verhältnismäßig geringen Stückzahlen geschuldeten begrenzten Marktsituation sind hier zumindest für einzelne Komponenten spezielle Entwicklungen erforderlich. Die Maßnahmen zur Umsetzung dieses Ausstattungskonzeptes wurden zwischenzeitlich eingeleitet. Aufgrund der technischen Funktionsweise des BOS Digitalfunknetzes und der systemimmanenten Rufaufbauzeiten und leichten Verzögerungen bei der Sprachübertragung wird jedoch auch zukünftig der Rückgriff auf den Analogfunk für bestimmte Einsatzanwendungen erforderlich bleiben. Dies war allen Beteiligten bei der Einführung des BOS Digitalfunks bekannt, die Funktionsfähigkeit der Spezialeinheiten wird dadurch aber nicht beeinträchtigt. Die Spezialeinheiten des Landes NRW nutzen vor dem Hintergrund der komplexen Aufgabenwahrnehmung lageangepasst seit jeher verschiedene Kommunikationsmittel (GSM, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11595 4 Analogfunk, Digitalfunk). Die Gewährleistung einer solchen vernetzten Anwendung ist bis auf Weiteres fachlich erforderlich. Mittelfristiges Ziel ist es, den besonderen Kommunikationsbedarf der Spezialeinheiten weitest möglich durch den Digitalfunk abzubilden. 5. Welches Konzept verfolgt die Landesregierung, um insgesamt eine verbesserte Digitalisierung der Polizeiarbeit in NRW zu erreichen (z.B. Versenden von Fahndungsfotos auf Handgeräte, etc.)? Beim BOS Digitalfunk in der Bundesrepublik Deutschland steht die Übertragung von Sprache im Vordergrund. Die Technik gewährleistet zusätzlich die schmalbandige Übertragung von Daten, wie sie etwa bei der Übermittlung von Kurzmitteilungen, Standortdaten und Einsatzstatuswerten anfallen. Im Zuge des Ausbaus der breitbandigen Datendienste in der Bundesrepublik Deutschland befinden sich auch die BOS des Bundes und der Länder in einem Abstimmungsprozess, wie solche Dienste zukünftig betrieben und genutzt werden sollen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11595