LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1166 22.10.2012 Datum des Originals: 18.10.2012/Ausgegeben: 25.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 480 vom 19. September 2012 der Abgeordneten Petra Vogt CDU Drucksache 16/947 Duldet die Landesregierung illegale Zustände in Duisburg-Bergheim? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 480 mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit , Integration und Soziales und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In jüngster Zeit mehren sich Presseberichte über problematische Zustände in DuisburgBergheim im Zusammenhang mit der Vermietung eines Hochhauses an Bulgaren und Rumänen . Die Rheinische Post Ausgabe Duisburg vom 8.9.2012 schreibt: „Die Anwohner in Duisburg Bergheim haben die Nase voll: Der Protestbrief der Nachbarn klingt wie ein Hilfeschrei. Wie viele Bewohner in dem Hochhaus leben, weiß niemand so genau. Es könnten zwischen 200 und 300 sein. Überwiegend sind es Sinti und Roma aus Rumänien und Bulgarien, und die haben ein anderes Verständnis vom Alltagsleben. Da ist es normal, dass Kinder nackt im Müll spielen, 20 Menschen in einer Wohnung auf Matratzen hausen oder das englische Kennzeichen auf dem Auto öfter mal gegen ein anderes ausgetauscht wird…“. Der SPD Bezirksverband Duisburg Rheinhausen erklärt: „ Seit Wochen sind die Mandatsträger aller Fraktionen mit dem Thema zugereiste Rumänen und Bulgaren befasst. Der Ärger, den die Nachbarn und Bürger mit dieser Bevölkerungsgruppe haben ist für uns verständlich und aufgrund der sich häufenden Vorfälle in der Umgebung nachvollziehbar. Die Ämter der Stadt sind zwischenzeitlich tätig geworden, aber aus unserer Sicht nicht in der gewünschten Form, so dass die Belästigungen der Anwohner bisher nicht auf ein tolerierbares Maß reduziert werden konnten. Wie erst fühlen sich die betroffenen Bürger, wenn sie der Zeitung ent- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1166 2 nehmen müssen, dass die Polizei nicht in der Lage ist, mit der Situation fertig zu werden? Wozu ist denn die Polizei da?“1 Laut Berichterstattung in den Duisburger Medien sollen von den Bewohnern des Hochhauses Straftaten im ganzen Ruhrgebiet begangen werden, und aufgrund des Personalmangelsseien nicht genug Polizeieinsätze vor Ort möglich. Vorbemerkung der Landesregierung Die Zuwanderung von Bürgerinnen und Bürgern aus Bulgarien und Rumänien stellt die Städte und Kommunen vor eine große Herausforderung und Verantwortung. Dabei handelt es sich um ein Thema, welches vielschichtig ist und fast alle Ressorts der Landesregierung betrifft . Mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien im Jahr 2007 in die Europäische Union hat sich der Zuzug aus diesen Ländern kontinuierlich gesteigert. Betroffen sind vor allem die Großstädte , besonders Duisburg, Dortmund, Düsseldorf, Köln und Hamm. Schwerpunkte haben sich in Duisburg in den strukturschwachen Stadtteilen Marxloh und insbesondere Hochfeld gebildet. Die Stadt Duisburg hat zur Bewältigung dieser Herausforderung einen themenübergreifenden Lenkungskreis "Zuwanderung" unter Beteiligung aller Verantwortlichen ins Leben gerufen und ein Handlungskonzept zum Umgang mit der Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa erstellt. Das Konzept behandelt schwerpunktmäßig die Themen Recht und Ordnung , Bildung und Jugend, Wohnen, Arbeit und Gesundheit. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen bei dieser Thematik im Rahmen ihrer jeweiligen Ressortzuständigkeiten. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Situation vor Ort? Bei dem in der Kleinen Anfrage beschriebenen Hochhaus-Komplex handelt es sich um das Wohnobjekt „In den Peschen 3 - 5“. Dieses befindet sich in einem bürgerlichen und strukturstarken Stadtteil. Nach dem massiven Zuzug von überwiegend rumänischen Staatsangehörigen im Frühjahr 2012 in den Wohnkomplex veränderte sich die Situation vor Ort wahrnehmbar. Für Probleme sorgen u. a. die Wohnverhältnisse der Familien, die Hygiene und Müllentsorgung und Ruhestörungen . Anders als im Stadtteil Hochfeld ist dieses Phänomen im Stadtteil DuisburgBergheim nur bei dem Wohnkomplex "In den Peschen 3 - 5" und dessen direktem Umfeld festzustellen. Die Herausforderungen sind jedoch die gleichen. 2. Wie oft musste die Polizei bislang zu dem Hochhaus in Duisburg-Bergheim aus- rücken? Im Jahr 2011 registrierte die Polizei Duisburg für den Wohnkomplex "In den Peschen 3-5" insgesamt 40 Einsätze. Im Jahr 2012 kam es zu einer erheblichen Steigerung der Einsatzanlässe. Allein bis zum 24. September 2012 sind schon 146 Einsätze registriert worden. 1 http://www.spd-fraktion-rheinhausen.de/Sammlung/Zuwanderer_2012.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1166 3 Häufigster Einsatzanlass waren Ruhestörungen (65). In 26 Fällen ermittelte die Polizei an dieser Anschrift. Überwiegend handelte es sich um Aufenthaltsermittlungen oder ähnliche Ersuchen, die von Amtsgerichten und Staatsanwaltschaften aus dem gesamten Bundesgebiet gestellt wurden, um Aufenthalte von Tatverdächtigen zu ermitteln. Lediglich sechsmal war der Anlass "Streitigkeiten / Randalierer" und viermal "Festnahme". 3. Wie viele Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Ruhrgebiet gehen mutmaßlich auf Personen aus dem Hochhaus in Duisburg-Bergheim zurück? Nach Erhebung aus polizeilichen Datenbeständen sind im Jahr 2012 die Strafermittlungsverfahren , bei denen sich ein Tatverdacht gegen mindestens eine Person richtete, deren Erreichbarkeit an der Wohnanschrift "In den Peschen 3-5" erfasst wurde, von landesweit 30 (2011) auf 349 erheblich angestiegen. Davon wurden im Jahr 2012 ca. 43 Prozent in den Kommunen des Regionalverbandes Ruhr (Ruhrgebiet) begangen, davon jede 7. Tat in Duisburg . Monatliche Verteilung der Fallzahlen: Während das Jahr 2011 sowie der Januar 2012 nur gering belastet waren, stiegen ab Februar 2012 die Fallzahlen sprunghaft an. Im März 2012 erfasste die Polizei mit insgesamt 97 die höchste Anzahl. Seit April 2012 sind die Fallzahlen insgesamt rückläufig, liegen jedoch auf einem höheren Niveau als 2011. Die für 2012 erfassten Strafermittlungsverfahren sind in deliktische Gruppen zusammengefasst , um eine übersichtlichere Darstellung zu ermöglichen. Der Schwerpunkt liegt bei Eigentums - und Vermögensdelikten. Darunter sind einfacher und schwerer Diebstahl, Ladendiebstahl , Taschendiebstahl, Bandendiebstahl sowie Betrug. Eine Vielzahl dieser Verfahren steht im Zusammenhang mit sogenannten „Spendensammlungen“ oder Taschendiebstählen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1166 4 In dem Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 24. September 2012 wurden 129 Tatverdächtige erfasst, die ihre Erreichbarkeit in dem Wohnobjekt "In den Peschen 3-5" angaben. Gegen diese Personen wurden im gleichen Zeitraum insgesamt 379 Strafverfahren eingeleitet. Der weit überwiegende Anteil dieser Personen hatte die rumänische Staatsangehörigkeit. Ein belastbares Lagebild zu den Ordnungswidrigkeiten kann nicht erstellt werden. Ordnungswidrigkeitenanzeigen werden nach sehr kurzer Speicherzeit (max. sechs Monate) bereits anonymisiert, respektive gelöscht und sind in landeszentralen polizeilichen Datensystemen nicht mehr recherchefähig. Darüber hinaus besteht für die Kreispolizeibehörden nicht die Verpflichtung, diese Daten landeszentral zu melden. Soweit noch recherchierbar, wurden 17 Ordnungswidrigkeitenanzeigen gegen Personen aus dem in Rede stehenden Objekt für das Jahr 2012 festgestellt. Es handelt sich ausschließlich um Verkehrsordnungswidrigkeiten. 4. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung seitens der zuständigen Behörden von Stadt und Land für angezeigt, um eine Verbesserung der Situation vor Ort herzustellen? Nachdem es Beschwerden über eine Vermüllung des Grundstücks gegeben hat, waren Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes täglich vor Ort. Es wurde veranlasst, dass abgelagerter Sperrmüll, Unrat etc. im öffentlichen Bereich durch die Stadt Duisburg entsorgt wurde. Durch Kontaktaufnahme des Ordnungsamtes zur Hausverwaltung des Gebäudes in Duisburg -Bergheim konnte erreicht werden, dass der Eigentümer das Gelände regelmäßig reinigt und Abfallbehälter regelmäßig geleert werden. Die Stadt ist bestrebt, Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen zu einer Ummeldung zu führen. Zurzeit sind täglich zu unterschiedlichen Zeiten zwei Mitarbeiter des städtischen Außendienstes des Ordnungsamtes vor dem Haus in Duisburg-Bergheim präsent. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1166 5 darüber hinaus s. Vorbemerkungen 5. Erwägt die Landesregierung die Möglichkeit durch verstärkte polizeiliche Aktivi- täten und Maßnahmen (ggf. Einsatz der Hundertschaft) die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu verbessern? Als Antwort auf die polizeilichen Herausforderungen in den Stadtteilen Marxloh und Hochfeld hat die Polizei Duisburg im Rahmen von Projekten dort die Präsenz vor Ort gezielt verstärkt. So hat sie in dem Stadtteilprojekt Hochfeld im ersten Halbjahr 2012 über 13.000 Personalstunden eingesetzt, davon über 5.000 Stunden von Kräften der Bereitschaftspolizeihundertschaften . Alle Einsatzanlässe in Duisburg-Bergheim im Zusammenhang mit dem Wohnkomplex "In den Peschen 3 - 5" werden zeit- und sachgerecht durch die Polizei Duisburg bearbeitet. Hierzu stehen ihr die erforderlichen Einsatzkräfte zur Verfügung. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten werden konsequent verfolgt. In geeigneten Fällen prüft die Staatsanwaltschaft im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auch die Durchführung beschleunigter Verfahren. Soweit die Lageentwicklung in Duisburg-Bergheim es erfordert, stehen auch Ressourcen aus den Stadtteilprojekten zur Verfügung, um die Polizeipräsenz gezielt zu verstärken und in enger Abstimmung mit der Stadt notwendige Maßnahmen zu treffen. Die Polizei leistet mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag. Aber allein mit polizeilichen Mitteln lassen sich die beschriebenen Herausforderungen nicht bewältigen. Wichtig ist insbesondere auch eine erfolgreiche Integration der Migranten.