LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11661 07.04.2016 Datum des Originals: 06.04.2016/Ausgegeben: 12.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4493 vom 22. Februar 2016 der Abgeordneten Henning Höne und Karlheinz Busen FDP Drucksache 16/11205 Wie groß soll der Biotopverbund nach dem neuen Landesnaturschutzgesetz tatsächlich werden und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen diese Pläne der Landesregierung ? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4493 mit Schreiben vom 6. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach § 20 Bundesnaturschutzgesetz sollen mindestens 10 Prozent der Fläche jedes Bundeslandes als Biotopverbund gebildet werden. Die Biodiversitätsstrategie der Landesregierung aus dem Jahr 2015 formuliert als kurzfristig zu ergreifende Maßnahme die Konzeption des landesweiten Biotopverbundes auf mindestens 15 Prozent der Landesfläche. In § 35 des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Natur in Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Vorschriften (Landesnaturschutzgesetz – LNatSchG NRW) wird stattdessen bestimmt, dass ein Netz räumlich oder funktional verbundener Biotope (Biotopverbund) darzustellen und festzusetzen ist, das genau 15 Prozent der Landesfläche umfasst. In der Begründung hierzu heißt es einerseits, dass als „rechtspolitischer Akzent“ die „Erhöhung der Fläche des Biotopverbunds von 10 Prozent auf 15 Prozent“ erfolgen solle, andererseits aber für den Biotopverbund bereits 15,2 Prozent der Landesfläche regionalplanerisch als Bereiche für den Schutz der Natur gesichert seien. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11661 2 Vorbemerkung der Landesregierung Etwa 45 Prozent der untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Artenvielfalt braucht unberührte und zusammenhängende Lebensräume, in denen sich Tiere und Pflanzen ausbreiten können. Durch die dichte Besiedlung und die starke Zerschneidung mit Verkehrswegen gibt es in Nordrhein-Westfalen aber nur noch wenige unzerschnittene verkehrsarme Räume von 50 und mehr Quadratkilometern. Die Rückkehr von Tierarten wird möglich, wenn deren Lebensräume wieder hergestellt worden sind und damit die Tiere die entsprechenden Rückzugsräume finden für ein Überleben in möglichst naturnahen Biotopen. So konnten beispielsweise durch die Ausweisung von rund 100 Wildnisgebieten in den Wäldern des Landes und weiteren Schutzgebieten wichtige Lebensräume für gefährdete Arten geschaffen werden. Einst ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten sind mittlerweile wieder in Nordrhein-Westfalen heimisch und in ihrem Bestand gefährdete Arten konnten sich wieder erholen. Das Landes-Naturschutzgesetz verfolgt das Ziel, Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten zu verbessern und eine quantitative und qualitative Entwicklung der Schutzgebiete zu fördern, um die Biodiversität wieder zu verbessern. Dieses Ziel ist aber trotz aller Anstrengungen bisher nicht erreicht. 1. Wie hat die Landesregierung den in der Begründung genannten Flächenanteil des Biotopverbunds in Höhe von 10 Prozent berechnet? (Bitte Berechnungsmethode und einbezogene Flächen differenziert aufzeigen) § 20 Bundesnaturschutzgesetz sieht seit 2002 vor, einen landesweiten Biotopverbund auf mindestens 10% der jeweiligen Landesfläche zu schaffen. Die Gebietskategorien, die soweit sie geeignet sind, Bestandteile des Biotopverbundes sein können, werden in § 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 3 BNatSchG aufgelistet. Demnach besteht der Biotopverbund aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen. Gem. § 21 Abs. 3 BNatSchG fallen hierunter in Nordrhein-Westfalen derzeit: 1) Nationalparke, Naturschutzgebiete, 2) Natura 2000-Gebiete oder Teile dieser Gebiete, 3) gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 BNatSchG, sowie 4) weitere Flächen und Elemente, wie z.B. Teile von Landschaftsschutzgebieten. 2. Strebt die Landesregierung einen Biotopverbund auf „15 Prozent“ an oder ist § 35 LNatSchG als Mindestvorgabe zu verstehen? 3. Falls von den bereits 15,2 Prozent planerisch gesicherten Flächen keine Reduzierung auf 15 Prozent angestrebt wird: Welche Flächenkulisse für den landesweiten Biotopverbund strebt die Landesregierung aus welchen Gründen genau an? Entsprechend § 35 Landesnaturschutzgesetz (Entwurf vom 15.02.2016) sind 15% Flächenanteil für den Biotopverbund vorgesehen. Heute ist bereits auf 11,5 % der Landesflächen der landesweite Biotopverbund realisiert. Der Nationalpark Eifel und die Naturschutzgebiete hatten im Jahr 2015 einen Anteil von 8,2% an der Landesfläche, die Natura 2000-Gebiete nahmen 8,4% der Landesfläche ein. Da die Natura 2000-Gebiete zu ihrem überwiegenden Teil auch als Naturschutzgebiete gesichert LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11661 3 sind, ergibt sich für die streng geschützten Gebiete überschneidungsfrei ein Anteil von 11,5 % an der Landesfläche. In den Regionalplänen, die in Nordrhein-Westfalen die Funktion der Landschaftsrahmenpläne im Sinne von § 10 Abs.1 BNatSchG erfüllen, sind unter Einbeziehung der o. g. Gebiete und weiterer geeigneter Flächen und Elemente im Sinne des § 21 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG (siehe Frage 1), unter Abwägung mit anderen räumlichen Belangen 15,2 % der Landesfläche als Bereiche für den Schutz der Natur festgelegt. Auf örtlicher Ebene sind die durch die Regionalräte festgelegten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege , u.a. durch Landschaftspläne oder auch durch ordnungsbehördliche Verordnung , zu konkretisieren. Die in den Regionalplänen planerisch gesicherten Bereiche zum Schutz der Natur können und müssen auf der örtlichen Ebene nicht 1:1 als Naturschutzgebiete gesichert werden. Durch die Konkretisierung der Bereiche zum Schutz der Natur auf der örtlichen Ebene ergeben sich Abweichungen . 4. Inwiefern kann die Landesregierung wissenschaftlich begründen, dass – abweichend zur Biodiversitätsstrategie – zur Erreichung der Ziele bei Klima-, Umweltund Artenschutz „15 Prozent“ der Landesfläche als Biotopverbund ausreichend bzw. notwendig sind? Das in § 35 Landesnaturschutzgesetz verankerte Ziel, 15% der Landesfläche für den landesweiten Biotopverbund zu sichern, deckt sich mit dem Leitbild (Nr. 4.1.2) sowie den Zielen und Maßnahmen (Nr. 4.1.3) der Biodiversitätsstrategie NRW. Zur wissenschaftlichen Begründung wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 5. Inwiefern sieht die Landesregierung vor dem Hintergrund des hohen Flächendrucks Potentiale für Klima-, Umwelt- und Artenschutz durch die qualitative Aufwertung bestehender Schutzflächen als Alternative zur rein quantitativen Ausweitung des Verbunds? Die rein qualitative Aufwertung von Schutzgebieten stellt keine Alternative zur quantitativen Ausweitung des Biotopverbundes auf 15% der Landesfläche dar. Das Ziel des landesweiten Biotopverbundes ist die Sicherung und Wiederherstellung komplexer ökologischer Beziehungsgefüge in der Landschaft. Zielorganismen für den Biotopverbund sind in erster Linie mobile Tierarten, denen mit Hilfe artspezifisch geeigneter Biotopverbundkorridore Wanderungsbewegungen in der Landschaft ermöglicht werden sollen. Dies gilt mit Blick auf den Klimawandel insbesondere für Ausweichbewegungen von klimaempfindlichen Arten. Dabei müssen die Biotopverbundkorridore auf die jeweiligen ökologischen Lebensraumansprüche der Arten ausgerichtet werden. Insofern benötigen beispielsweise Waldarten (z.B. Wildkatze) andere Verbundstrukturen als Offenlandarten (z.B. Laubfrosch) beziehungsweise Arten der Feuchtlebensräume (z.B. Sumpfgrashüpfer) andere Strukturen als Arten der Trockenlebensräume (z.B. Heidelaufkäfer). Vor diesem Hintergrund erfordert das landesweite Biotopverbundkonzept neben der quantitativen Ausweitung zugleich auch eine qualitative Optimierung der verschiedensten Biotopverbundflächen . Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11661