LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11670 08.04.2016 Datum des Originals: 08.04.2016/Ausgegeben: 13.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4537 vom 3. März 2016 der Abgeordneten Dietmar Brockes, Marc Lürbke, Andreas Terhaag und Dirk Wedel FDP Drucksache 16/11339 Bereichsbetretungsverbot vs. Recht auf Demonstration – Neuer Trend bei Hooligans, um Betretungsverbote auszuhebeln? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4537 mit Schreiben vom 8. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Demonstration von ca. 600 Kölner Fußballfans am Rande des Bundesligaspiels zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln blieb am vergangenen Wochenende zwar friedlich, einem Bericht der Rheinischen Post zufolge kosteten aber allein die Überstunden rund 300.000 Euro (http://www.rp-online.de/sport/fussball/borussia/borussia-moenchengladbach -demo-der-koelner-fans-kostet-300000-euro-aid-1.5783845). Bereits im Vorfeld des Bundesligaspiels wurden gegen insgesamt 72 Fußballfans Bereichsbetretungsverbote ausgesprochen. Die Folge: Das gesamte Stadtgebiet Mönchengladbachs durfte nicht betreten werden. Da das Demonstrationsrecht ein Grundrecht ist, konnten die Fußballfans dennoch an der angemeldeten Demonstration teilnehmen. 1. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz am 20. Februar 2016 in Mönchengladbach Rheydt? Für den 20.02.2016, 11:00 bis 15:00 Uhr, wurde durch das „Bündnis FC Fans zum Erhalt der Fankultur“ eine versammlungsrechtliche Veranstaltung in Form eines Aufzuges zum Thema „Für volles Kartenkontingent/Gegen Kartenpersonalisierung“ in Mönchengladbach-Rheydt mit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11670 2 erwarteter Teilnahme von bis zu 800 Personen angemeldet. Thematisch richtete sich die Versammlung gegen die Gastkartenreduzierung und Personalisierung der Eintrittskarten aufgrund eines Urteils des DFB-Sportgerichts im Zusammenhang mit den gewalttätigen Aktionen beim Bundesligaspiel Borussia Mönchengladbach : 1. FC Köln am 14.02.2015. Mit der Versammlungsleiterin wurde eine Aufzugsstrecke in dem Stadtteil Rheydt kooperiert. Dieser ist in einer Entfernung von etwa vier Kilometern zum Stadion „Borussenpark“ sowie etwa dreieinhalb Kilometern zum Innenstadtbereich von Mönchengladbach (jeweils Luftlinie) gelegen. Im Vorfeld des Spieltages verfügte das Polizeipräsidium Mönchengladbach unter anderem 47 Aufenthaltsverbote für potenzielle Störer aus Köln für das Stadtgebiet Mönchengladbach - mit Ausnahme des Bereiches der Aufzugstrecke für den Zeitraum der Versammlung. Die Versammlung verlief im Zeitraum 11:00 Uhr bis 12:10 Uhr mit 600 Teilnehmern störungsfrei . Im Anschluss traten die Personen geschlossen die Heimreise nach Köln an. Es ist festzustellen, dass die Fußballanhänger ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit friedlich wahrgenommen haben. Eine Überschneidung der Versammlungsteilnehmer mit auf der Anreise befindlichen Stadionbesuchern fand auf Grund der geografischen Lage des Stadtteils Rheydt und des Stadions sowie der zeitlichen Abläufe beider Veranstaltungen nicht statt. 2. Welche tatsächlichen Kosten und Überstunden sind durch den Einsatz entstanden ? Durch die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden werden Kosten, die im Zusammenhang mit Einsätzen in Nordrhein-Westfalen entstehen, grundsätzlich nicht erhoben. Gleichwohl kann festgestellt werden, dass für die Verpflegung der Einsatzkräfte nach derzeitigem Stand 17.691,96 Euro aufgewandt wurden. Die Einsätze aus Anlass der dargestellten versammlungsrechtlichen Veranstaltung sowie des Fußballspiels Borussia Mönchengladbach : 1. FC Köln wurden durch das Polizeipräsidium Mönchengladbach in einer gemeinsamen Besonderen Aufbauorganisation bewältigt. Vor diesem Hintergrund ist eine trennscharfe Differenzierung der geleisteten Personalstunden für die jeweiligen Einsätze nicht möglich. Folglich können die für den Einsatz aus Anlass der Versammlung erbrachten Personalstunden nicht gesondert ausgewiesen werden. Insgesamt jedoch standen dem Polizeipräsidium Mönchengladbach als einsatzführender Polizeibehörde 1.349 Kräfte (inklusive Regierungsbeschäftigten) zur Bewältigung des Gesamteinsatzes zur Verfügung. Durch diese Kräfte wurden nach derzeitigem Stand 14.449 Personalstunden geleistet . Davon sind 6.532,12 Personalstunden als Mehrarbeit im Sinne des § 61 Landesbeamtengesetz NRW zu bewerten. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, das Betretungsverbot durch das Demonstrationsrecht zu umgehen? Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG stellt ein unentbehrliches und grundlegendes Funktionselement unserer Demokratie dar. Dieses steht grundsätzlich auch bekannten Störern im Zusammenhang mit Fußballspielen zu. Einschränkungen des Versammlungsrechts kommen nur dann in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Hinsichtlich versammlungstypischer Gefahren kann die Teilnahme an einer Versammlung nicht durch ein Aufenthaltsverbot verhindert werden , da bezüglich dieser Gefahren die Vorschriften des Versammlungsrechtes als spezielleres Gefahrenabwehrrecht und fortgeltendes Bundesrecht vorgehen (siehe auch Nr. 34.23 VV PolG NRW). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11670 3 Ein Aufenthaltsverbot darf jeweils nur soweit gehen, wie es zur Verhütung der Begehung von oder der Beteiligung an Straftaten erforderlich ist. Schon nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 Polizeigesetz darf nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene auch innerhalb der "verbotenen Zone" berechtigte Interessen wahrnimmt. Nach der Rechtsprechung kann ein solches berechtigtes Interesse beispielsweise in einem Anwalts- oder Arztbesuch liegen. Die grundrechtlich geschützte friedliche Teilnahme an einer Versammlung stellt ebenfalls ein berechtigtes Interesse dar. 4. Befürchtet die Landesregierung hierin eine neue Strategie der gewaltbereiten Fanszene, ein Betretungsverbot zu umgehen? Versammlungsrechtliche Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen von Fußballanhängern mit thematischem Bezug zu Maßnahmen der für die Sicherheit bei Fußballspielen jeweils Verantwortlichen stellen ein vergleichsweise neues Phänomen dar. Die bisher bekannten Demonstrationen in jüngster Zeit verliefen grundsätzlich friedlich. Die weitere Entwicklung ist abzuwarten und wird von den nordrhein-westfälischen Polizeibehörden aufmerksam beobachtet. 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um eine solche Umgehungsmöglichkeit zukünftig zu verhindern? Die nordrhein-westfälischen Kreispolizeibehörden als zuständige Versammlungsbehörden gewährleisten die Durchführung und Teilnahme an nicht verbotenen Versammlungen. Es ist jeweils im konkreten Einzelfall zu entscheiden, ob der Betroffene ein berechtigtes Interesse im Gebiet des Aufenthaltsverbots wahrnimmt. Der Wunsch der friedlichen Teilnahme an einer nicht verbotenen Versammlung stellt ein berechtigtes Interesse dar. Ist ein solches nicht gegeben, stellt das Betreten des Gebiets eine Zuwiderhandlung gegen das Aufenthaltsverbot dar. Das Aufenthaltsverbot kann in diesem Fall mit Zwangsmitteln (unter anderem Zwangsgeld ) durchgesetzt werden. Die geplante Teilnahme an einer Versammlung von Personen, gegen die ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen wurde, kann für die Gefährdungsprognose im Rahmen von Maßnahmen nach § 15 Versammlungsgesetz und die polizeiliche Lagebeurteilung relevant sein. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11670