LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11672 11.04.2016 Datum des Originals: 08.04.2016/Ausgegeben: 14.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4547 vom 8. März 2016 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/11448 Polizeibekannter Seriendieb in Mönchengladbach nach inzwischen über 100 Straftaten binnen zwei Jahren noch immer auf freiem Fuß! Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 4547 mit Schreiben vom 8. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Verweis auf meine Kleinen Anfragen mit den Drucksachennummern 16/9673 und 16/9660 möchte ich aufgrund aktueller Entwicklungen erneut auf die Problematik in Mönchengladbach hinweisen. Derzeit steht einer Entscheidung im Strafverfahren offenbar entgegen, dass das gerichtlich beauftragte Sachverständigengutachten noch nicht vorliegt. 1. Welche Möglichkeiten bestehen bei nicht festgestellter Schuldfähigkeit eines Angeschuldigten , weitere Straftaten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zu vermeiden? Für die Polizei besteht je nach Sachlage und Verhalten eines Angeschuldigten und sofern sie hiervon Kenntnis erhält die Möglichkeit, Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu ergreifen. Beispielsweise kann sie Gefährderansprachen durchführen, in denen sie dem Adressaten deutlich macht, dass sie ihn im Auge behält und er mit polizeilichen Maßnahmen rechnen muss, falls er sich in einer bestimmten Weise verhält. Soweit die gesetzlichen Voraussetzungen des Polizeigesetzes erfüllt sind, kommen im Einzelfall auch weitergehende Maßnahmen nach dem Polizeigesetz in Betracht. Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches ) begangen hat und dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11672 2 oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht nach § 126a Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO) durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. 2. Welchen Zeitraum hält die Landesregierung für angemessen, um die Schuldfähigkeit eines Angeschuldigten zu prüfen? Die Dauer einer durch das Gericht - gegebenenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen - vorzunehmenden Prüfung, ob ein Angeschuldigter zur Tatzeit im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20 und 21 StGB gehandelt hat, hängt von den Umständen und Besonderheiten des konkreten Einzelfalles ab. Sie unterliegt ebenso wie die Auswahl und die Bestimmung der Anzahl der zuzuziehenden Sachverständigen , die nach § 73 Absatz 1 Satz 1 StPO im pflichtgemäßen Ermessen der Richterin und des Richters stehen, der in Artikel 97 des Grundgesetzes verankerten richterlichen Unabhängigkeit . 3. Welche Möglichkeiten bestehen (für die Staatsanwaltschaft, Nebenkläger, das Gericht , die Landesregierung etc.), für die Vorlage eines Sachverständigengutachtens in angemessener Zeit zu sorgen? Gemäß § 73 Absatz 1 Satz 2 StPO soll das Gericht mit den von ihm beauftragten Sachverständigen eine Absprache treffen, innerhalb welcher Frist die Gutachten erstattet werden können . Weigert sich ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger, nach § 73 Absatz 1 Satz 2 StPO eine angemessene Frist abzusprechen oder versäumt er schuldhaft die abgesprochene Frist, so kann das Gericht nach § 77 Absatz 2 StPO gegen ihn ein Ordnungsgeld festsetzen. Im Ermittlungsverfahren gilt Entsprechendes gemäß § 161a Absatz 2 Satz 1 StPO für die Staatsanwaltschaft. Die Landesregierung nimmt weder auf die Verfahrensgestaltung der Gerichte noch auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren Einfluss. 4. In welchem Umfang dürfen aus Sicht der Landesregierung Begutachtungstiefe/ - umfang/-dauer mit dem Tathergang bzw. den vorgeworfenen Delikte korrelieren? Das Gericht prüft und entscheidet selbst, ob es im konkreten Einzelfall über die erforderliche eigene Sachkunde zur Beantwortung einer bestimmten Beweisfrage verfügt oder ob es einen Sachverständigen hinzuziehen muss. Die fachliche Durchführung der Untersuchungen ist allein Sache des Sachverständigen. Es obliegt grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Sachverständigen zu beurteilen, welche Unterlagen er zur Erstattung seines Gutachtens benötigt und ob der ihm dafür zur Verfügung stehende Stoff ausreicht, insbesondere aber zu beurteilen, ob kürzere Untersuchungen eine ausreichende Grundlage für sein Gutachten liefern (BGH, Urteil vom 30.04.1974 – 1 StR 579/73). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11672 3 5. Wie könnte aus Sicht der Landesregierung ein Pendant der Untersuchungshaft (bei Schuldfähigen) für Schuldunfähige aussehen? Die Strafprozessordnung enthält mit der einstweiligen Unterbringung nach § 126a die Möglichkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme für schuldunfähige Personen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11672