LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11693 12.04.2016 Datum des Originals: 12.04.2016/Ausgegeben: 15.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4572 vom 16. März 2016 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/11526 Untergetauchte Extremisten in Nordrhein-Westfalen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4572 mit Schreiben vom 12. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 11.01.2016 berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger, dass sich deutschlandweit 372 Rechtextremisten, die aufgrund von Haftbefehlen eigentlich verhaftet werden müssten, auf freiem Fuß befänden. Dies ergab sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen). Demnach waren zum Stichtag 15.09.2015 mehr als 450 Haftbefehle gegen 372 rechtsmotivierte Straftäter nicht vollstreckt worden. Als 2014 eine ähnliche Statistik erhoben wurde, habe die Polizei lediglich 268 Straftäter per Haftbefehl gesucht, die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen waren. Wie die FAZ am 12.03.2016 berichtete, sollen 67 der 372 gesuchten Rechtsextremisten in Bayern untergetaucht sein. Die Fraktion der Grünen im bayerischen Landtag hatte dies als „sicherheitspolitische Bankrotterklärung“ der CSU-geführten Staatsregierung bezeichnet. Vorbemerkungen der Landesregierung: Die Erhebung der „Offenen Haftbefehle politisch motivierter Straftäter“ findet in einem halbjährlich zum 30.3. sowie 30.9. zu erstellenden und als Verschlusssache (VS-NfD) eingestuften Bericht statt. Entsprechend der zwischen Bund und Ländern abgestimmten Vorgehensweise betrifft das überprüfte Personenpotenzial bundesweit Beschuldigte und Tatverdächtige, die in den Dateien LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11693 2 INPOL-Fall „Innere Sicherheit“ INPOL-Fall „Landesverrat“ Zentraldatei zu Spionagestraftaten und INPOL-Z mit einem personengebundenen Hinweis aus dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) gespeichert sind und gegen die Haftbefehle zur Strafvollstreckung Haftbefehle zur Sicherung des Strafverfahrens gem. § 112 StPO Haftbefehle aufgrund entsprechender Regelungen des Asyl- bzw. Aufenthaltsgesetzes in die Zieldateien INPOL-Z bzw. SIS eingestellt sind. Für die Fahndung wurde folgende Priorisierung festgelegt: Priorität I: Terrorismus-Delikte Priorität II: Gewaltdelikte mit und ohne PMK-Bezug Priorität III: Sonstige Delikte mit und ohne PMK-Bezug Dabei ist zu beachten, dass zu einer Person mehrere Haftbefehle bestehen können. Aufgrund der bundeseinheitlichen Stichtagregelung werden die nachfolgenden Fragen mit Stand vom 23.9.2015 beantwortet. 1. Wie hoch war die Zahl der mit Haftbefehl gesuchten Personen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden können, im Jahr 2015 in Nordrhein-Westfalen? Mit Stand vom 23.9.2015 waren in Nordrhein-Westfalen im Bereich der PMK-Rechts 65 Personen mit 85 offenen Haftbefehlen registriert. Von den 85 Haftbefehlen resultierten 74 aus Delikten der Allgemeinkriminalität und elf aus Delikten der PMK-Rechts. Zehn Personen waren zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Von den 65 Personen konnten zu 19 Personen 20 offene Haftbefehle nach Priorität II registriert werden. Bei zwei dieser Personen lagen zwei offene Haftbefehle aufgrund eines politisch motivierten Gewaltdelikts vor. In beiden Fällen handelte es sich um einfache Körperverletzungsdelikte, die justiziell nicht als führende Delikte dieser Haftbefehle erfasst waren. Zu 46 Personen waren 65 offene Haftbefehle nach Priorität III erfasst, davon zu sieben Personen neun offene Haftbefehle aufgrund von PMK-Delikten. Eine dieser sieben Personen ist derzeit in Österreich inhaftiert. Die österreichischen Behörden wurden im Rahmen der justiziellen Rechtshilfe um Vollstreckung ersucht. Eine diesbezügliche Entscheidung steht noch aus. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11693 3 2. Wie hoch war die Zahl der mit Haftbefehl gesuchten Personen, die dem linksextremistischen Spektrum zugeordnet werden können, im Jahr 2015 in Nordrhein-Westfalen? Mit Stand vom 23.9.2015 waren in Nordrhein-Westfalen im Bereich der PMK-Links 12 Personen mit offenen Haftbefehlen registriert. 3. Wie hoch war die Zahl der mit Haftbefehl gesuchten Personen, die dem islamistischen Spektrum zugeordnet werden können, im Jahr 2015 in Nordrhein- Westfalen? Mit Stand vom 23.9.2015 wurden in Nordrhein-Westfalen 37 Haftbefehle gegen Personen des islamistischen Spektrums registriert. 4. Wie hoch war die Zahl der mit Haftbefehl gesuchten Personen im Jahr 2015 in Nordrhein-Westfalen insgesamt? Eine retrograde Auswertemöglichkeit für die Zahl der 2015 in Nordrhein-Westfalen mit Haftbefehl gesuchten Personen existiert nicht. Das Bundeskriminalamt (BKA) erstellt jährlich ein als Verschlusssache (VS-NfD) eingestuftes Fahndungslagebild. Es handelt sich hierbei um die Summe der monatlich fortlaufend erhobenen Zahlen zu den überörtlichen Fahndungsausschreibungen in INPOL. Die zur örtlichen Fahndung ausgeschriebenen Haftbefehle sind in dieser Zahl jedoch nicht enthalten. Maßgeblich für die Landeszuordnung ist nicht der Wohnort der gesuchten bzw. festzunehmenden Person, sondern die polizeiliche Bearbeitungs- bzw. Ausschreibungszuständigkeit. Für das Jahr 2015 wurden demnach 24.792 Ausschreibungen zu Nordrhein-Westfalen mit dem katalogvorgegebenen Zweck „Festnahme Haft-/ Unterbringungsbefehl/Abschiebehaftbeschluss/Zurückschiebungsverfügung“ in INPOL erfasst. Hierbei handelte es sich um 3.874 Ausschreibungen aufgrund einer Straftat 20.017 Ausschreibungen zur Strafvollstreckung sowie eine Ausschreibung zur Unterbringung. 5. Aus welchen Gründen konnten die unter 1-3 aufgeführten Haftbefehle nicht vollstreckt werden? (Bitte jeweils getrennt auflisten) Zu 1: Die bestehenden offenen Haftbefehle konnten nicht vollstreckt werden, da die durchgeführten Fahndungsmaßnahmen bislang erfolglos blieben. Eine händische Überprüfung der zum Stichtag 23.9.2015 bestehenden offenen Haftbefehle im Bereich der PMK-Rechts ergab, dass die Fahndungsnotierung zu 22 Personen aktuell nicht mehr besteht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11693 4 Zu 2: Die Haftbefehle konnten nicht vollstreckt werden, da die durchgeführten Fahndungsmaßnahmen bislang erfolglos blieben. Zu 3: Der Aufenthalt von drei Personen ist unbekannt. 28 Personen halten sich derzeit mutmaßlich in Syrien auf, drei Personen im Irak, zwei Personen in Somalia und eine Person in Jordanien. Zu sieben der im Ausland aufhältigen Personen liegen Erkenntnisse vor, dass diese inzwischen im Ausland verstorben sind. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11693