LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11703 12.04.2016 Datum des Originals: 12.04.2016/Ausgegeben: 15.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4560 vom 14. März 2016 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/11494 Fragwürdige After-Warhol-Party beim staatlichen Glücksspielanbieter WestSpiel – Wie bewertet der Finanzminister die luxuriöse 100.000 Euro teure rauschende Sause für alle landesweit tätigen Casino-Beschäftigten ausgerechnet am Totensonntag? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 4560 mit Schreiben vom 12. April 2016 namens der Landesregierung Der landeseigene Glücksspielanbieter WestSpiel macht bereits seit Jahren im operativen Geschäft beträchtliche Verluste. Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sieht mindestens auch für die restlichen Jahre dieses Jahrzehnts nach eigenen Angaben keine Perspektive, wieder ein verlustfreies Betriebsergebnis in öffentlicher Regie zu erreichen. Insbesondere um zugleich risikoreiche Investitionen für einen fünften Spielbankenstandort in Köln tätigen zu können und den seit Jahren maroden WestSpiel-Betrieb zu sanieren, hat der Finanzminister im Jahr 2014 den Verkauf zweier wertvoller Exponate des Künstlers Andy Warhol verlangt: Die Werke „Four Marlons“ und „Triple Elvis“ sind bekanntlich trotz eines wochenlang anhaltenden breiten internationalen Aufschreis zahlreicher Kunstliebhaber aus dem In- und Ausland beim Auktionshaus Christie’s New York letztlich am 12. November 2014 versteigert worden. Die beiden Exponate haben Einnahmen von zusammen 151,5 Mio. Dollar, also rund 120 Mio. Euro, eingespielt. Das verheerende öffentliche Signal zur mangelnden Wertschätzung dieser Landesregierung im Umgang mit Kunstgegenständen und Kulturgütern in Landeseigentum haben sämtliche Verantwortliche erkennbar unterschätzt. Der Diskurs über die öffentliche Verantwortung zur Bewahrung kultureller Vermächtnisse hat insgesamt monatelang auch noch weit über den Auktionstermin hinaus die politische Debatte im Land Nordrhein-Westfalen und bundesweit bestimmt. Angesichts der zuvor dargestellten nüchternen Befunde verwundern regelmäßig neu zutage tretende Erkenntnisse über offensichtliche Geldverschwendungspraktiken bei WestSpiel. In LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11703 2 dem aktuell aus Unternehmenskreisen vorgetragenen Sachverhalt wird dieses fragwürdige Finanzgebaren außerdem von einem schon verstörenden Mangel an Problembewusstsein im unmittelbaren Nachgang der Warhol-Auktion begleitet. Die der FDP-Landtagsfraktion übermittelten Informationen sowie vorgetragenen Behauptungen werden im Folgenden ohne eigene Kommentierung wiedergegeben und rein deskriptiv dargestellt. Sie sprechen für sich: Die WestSpiel-Geschäftsleitung hat Ende 2014 in voller Kenntnis der Versteigerung der Warhol-Exponate, von denen man sich einen Erlös in mindestens hoher zwei- bis sogar denkbar dreistelliger Millionengrößenordnung versprochen hat, zu einer gigantischen Sause alle deutschlandweit tätigen Beschäftigten aus dem ganzen Land ins Rheinland eingeladen. Mit den Warhol-Millionen sollte schließlich insbesondere die Investition in den neuen Kölner Spielbankenstandort finanziert werden. Diese After-Warhol-Party hat auf einem Boot der bekannten KD Partyschiffe stattgefunden. Zum Anleger wurden mehrere einhundert Beschäftigte des Konzerns WestSpiel aus den Standorten Aachen, Bad Oeynhausen, Dortmund, Duisburg und sogar aus Bremerhaven und Bremen mit eigens dafür angemieteten Shuttlebussen hin und später wieder nach Hause transportiert, was für mehrere Busfahrten Fahrstrecken von 400 bis 500 km bedeutet hat. Die Bootparty wird von etlichen Teilnehmern als ausgesprochen luxuriös beschrieben: Die Verpflegung mit Speisen und Alkoholika war reichhaltig, die Dekoration aufwändig, Band und Künstlerauftritte waren selbstverständlich, und auch an der Verlosung von Präsenten unter den Gästen sollte nicht gespart werden. So sind insgesamt dem Vernehmen nach für diesen einen Abend Kosten von immerhin fast 100.000 Euro produziert worden. Verschiedene der Anwesenden bezeichnen die After-Warhol-Party im Nachhinein als Alkoholexzess, der sich wohl noch als folgenschwer erwiesen haben soll: Infolge des Vollrauschs etlicher Teilnehmer sollen mehrere Shuttlebusse durch Erbrochenes und Urin verunreinigt worden sein. Dieses bemerkenswerte WestSpiel-Event ist ausgerechnet am Totensonntag durchgeführt worden, also zehn Tage nach dem spektakulären Warhol-Verkauf. Gerade der Totensonntag ist ein spezieller Feiertag, an dem der Verstorbenen gedacht wird. Zu dessen Schutz als sogenannter „stiller Feiertag“ unterliegt er bestimmten öffentlichen Einschränkungen. Aus Kreisen der WestSpiel-Belegschaft wird verschiedentlich dazu ausgeführt, die After- Warhol-Party habe die Funktion gehabt, die Beschäftigten des für seine Kunstverkäufe in der Kritik stehenden Unternehmens für den wochenlangen öffentlichen Rechtfertigungsdruck einmal so richtig zu entschädigen und das schon vorher stark belastete Betriebsklima zu verbessern. Eine vergleichbare konzernweite Lustveranstaltung dieser Art hat es seit der Gründung des Unternehmens noch nicht gegeben. Ob sich die hohe Konfliktintensität in dem öffentlich geführten Unternehmen durch derlei Showaktionen nachhaltig und dauerhaft wird verbessern lassen, wird jedenfalls von Beobachtern bezweifelt. Etlichen Rückmeldungen von Beschäftigten zufolge sind die Arbeitsbeziehungen leider zwischen den Arbeitnehmern des Glücksspielanbieters und ihrem Arbeitgeber WestSpiel schon seit längerem und weiterhin höchst konfliktär. Dies lässt sich auch an einer weit überdurchschnittlich hohen Anzahl von Arbeitsrechtsstreitigkeiten ablesen, von denen der Arbeitgeber WestSpiel einen relevanten Anteil verliert. Die Folgen dieser höchst unerfreulichen Entwicklung der letzten Jahre sind eine große Demotivation auf Seiten der Belegschaft sowie hohe Konflikthandhabungskosten bei dem Staatsunternehmen, wenn wieder einmal ein Arbeitsgerichtsprozess verlorengeht. Nach diversen zweifelhaften Vorfällen bei diesem defizitären staatlichen Glücksspielanbieter, bei denen jeweils völlig unnötig hohe Geldbeträge verschwendet worden sind, sollte sich auch Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans als Eigentümer des Landesunternehmens für die Aufklärung des dortigen Finanzgebarens interessieren und die Vorgänge nicht bloß desinteressiert und rituell verteidigen. Der Finanzminister hat unlängst erst die Entscheidung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11703 3 persönlich getroffen, seinen Ministerbüroleiter in den Beirat der Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co. KG zu entsenden. Damit verfügt der Finanzminister nunmehr unmittelbar über einen Vertreter seines größten Vertrauens und den direkten Informationszugang zu den merkwürdigen WestSpiel-Sachverhalten. Der Finanzminister sollte als Eigentümer von WestSpiel als Unternehmensbeteiligung seiner allein im Landeseigentum befindlichen NRW.BANK die Öffentlichkeit transparent informieren, wie er den vorliegenden Sachverhalt und die Angemessenheit der After-Warhol-Party im Einzelnen bewertet. Vorbemerkung der Landesregierung: Wie bereits dem Fragesteller mehrfach in Antworten zu Kleinen Anfragen und an anderen Stellen erläutert1, stellt er die Ertragssituation von Westspiel unvollständig und einseitig dar. Die Wortwahl spricht im Übrigen für sich. Eine Bewertung der Profitabilität von WestSpiel muss die Besonderheit der Abgaben nach dem Spielbankgesetz NRW berücksichtigen. Ohne die ertragsunabhängigen Abgaben nach dem Spielbankgesetz NRW würde WestSpiel generell ein positives Ergebnis erzielen. Im Jahr 2015 hat WestSpiel rund 30 Mio. € an das Land und hiervon rd. 9,5 Mio. € an die Spielbankgemeinden abgeführt. In dem Zeitraum der Jahre 2008 bis 2015 hat WestSpiel insgesamt rund 315 Mio. € Spielbankabgaben und zusätzliche Leistungen abgeführt. Mit den Landeseinnahmen wird die Stiftung Wohlfahrtspflege gefördert. Außerdem greift die Beurteilung von WestSpiel allein nach seiner Profitabilität zu kurz. Berücksichtigt werden muss auch, dass WestSpiel die Spielbanken für das Land betreibt, um Ziele des Spielbankgesetzes wie Jugendschutz, Geldwäsche- und Spielsuchtbekämpfung zu verwirklichen. Unabhängig davon gehen WestSpiel, die NRW.BANK und die beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften davon aus, dass der WestSpiel-Konzern durch die veranlassten umfangreichen Restrukturierungmaßnahmen zukünftig wieder positive Jahresergebnisse auch nach Spielbankabgabe erzielen kann. 1 Seit dem letzten Jahr wurden die folgenden vier Kleinen Anfragen gestellt: Kleine Anfrage 3296 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/8369; Kleine Anfrage 3956 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/9977; Kleine Anfrage 4460 der Abgeordneten Ralf Witzel und Ingola Schmitz der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/1128; Kleine Anfrage 4492 des Abgeordneten Ralf Witzel der Fraktion der FDP, Antwort LT-Drs. 16/11204 Weiterhin wurden seit 2015 die folgenden 8 Vorlagen zu TOPs im HFA vorgelegt: HFA-Vorlage 16/2615 (nach Beantragung des Abgeordneten Ralf Witzel der FDP-Fraktion); HFA-Vorlage 16/2816 (nach Beantragung des Abgeordneten Dr. Marcus Optendrenk der CDU-Fraktion); HFA-Vorlage 16/2813 (nach Beantragung des Abgeordneten Dr. Marcus Optendrenk der CDU-Fraktion); HFA-Vorlage 16/3019 (nach Beantragung des Abgeordneten Ralf Witzel der FDP-Fraktion); HFA-Vorlage 16/3325 (nach Beantragung des Abgeordneten Dr. Marcus Optendrenk der CDU-Fraktion); HFA-Vorlage 16/3493 (nach Beantragung des Abgeordneten Ralf Witzel der FDP-Fraktion); HFA-Vorlage 16/3532 (nach Beantragung des Abgeordneten Ralf Witzel der FDP-Fraktion); HFA-Vorlage 16/3740 (nach Beantragung des Abgeordneten Dr. Marcus Optendrenk der CDU-Fraktion und des Abgeordneten Ralf Witzel der FDP-Fraktion) Außerdem wurde in der Plenarsitzung am 16.03.2016 die Mündliche Anfrage zum Thema WestSpiel des Abgeordneten Ralf Witzel der FDP-Fraktion, LT-Drs. 16/11240 vom 13.03.2016 beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11703 4 Trotzdem, und das habe ich bereits mehrfach öffentlich kritisiert, passt es in diesem Zusammenhang nicht ins Bild, dass ein Unternehmen, das sich gerade in der Restrukturierung befindet, üppige Weihnachtsfeiern veranstaltet. Es ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn privatrechtlich organisierte Landesunternehmen unter Berücksichtigung der staatlichen Anteilseignerschaft und der wirtschaftlichen Situation im angemessenen Umfang Betriebsfeiern durchführen. Aber Größenordnung und Art müssen in die Zeit passen. Derartige Feiern müssen sich an den wirtschaftlichen Ergebnissen eines Unternehmens orientieren und sie müssen auch einen gewissen Instinkt dafür zeigen, in welchen Zusammenhang das möglicherweise gesetzt werden könnte. Die durch nichts belegte Verknüpfung mit der Veräußerung von Kunstwerken durch den Fragesteller unterstreicht das. 1. Falls die Landesregierung den zuvor wiedergegebenen Sachverhalt nach den für sie als Eigentümer zugänglichen Informationen aus dem Unternehmen für unzutreffend hält: Welche abweichenden Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu der aus ihrer Sicht ggf. korrekturbedürftigen Darstellung zu den jeweiligen Einzelaspekten vor? Die WestSpiel-Geschäftsführung hat nach eigenen Angaben im Frühjahr 2014 und damit vor den Warhol-Verkäufen entschieden, eine zentrale Weihnachtsfeier für alle sechs Standorte des Unternehmens zu organisieren. Die Wahl des Tages fiel für die Betriebsfeier auf einen der wenigen Tage im Jahr, an denen die Spielbanken geschlossen sind. Nur so konnte den Beschäftigten der Spielbanken eine Teilnahme an der eigenen Betriebsfeier ermöglicht werden. 2. Welche einzelnen Erkenntnisse haben dem Finanzminister, bitte unter Angabe des Zugangszeitpunktes der Informationen, bislang genau zu dieser WestSpiel- Bootparty vorgelegen? Die zuständigen Beschäftigten des Finanzministeriums und auch ich selbst haben erstmalig am 11. März 2016 von der Betriebsfeier auf dem Ausflugsschiff erfahren. Danach habe ich die NRW.BANK um Sachverhaltsaufklärung gebeten. 3. Wie bewertet der Finanzminister angesichts der dauerhaft defizitären Geschäftslage von WestSpiel und den immensen Irritationen der Kulturszene über die Warhol-Kunstverkäufe die Angemessenheit und Wirkung der zuvor dargestellten Schiffsparty unmittelbar nach Durchführung der umstrittenen Auktion? Gelegentliche Betriebsfeiern und Betriebsausflüge mit dem Ziel, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Beschäftigten von Unternehmen oder auch Verwaltungen zu stärken, sind absolut legitim. Auch im Finanzministerium gibt es Zusammenkünfte im angemessenen Rahmen anlässlich des bevorstehenden Weihnachtsfestes oder zu Karneval. Die Kosten tragen allerdings der Minister, der Staatsekretär und die leitenden Beamten und Beamtinnen des Hauses; die Kosten für den Betriebsausflug tragen die teilnehmenden Beschäftigten selbst. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn privatrechtlich organisierte Landesunternehmen unter Berücksichtigung der staatlichen Anteilseignerschaft und der wirtschaftlichen Situation im angemessenen Umfang Betriebsfeiern auf Kosten der Unternehmen durchführen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11703 5 Die vom Fragesteller aufgegriffene Feier von WestSpiel hat diesen Maßstab aber deutlich überschritten. 4. Welche genauen Kosten, differenziert nach den einzelnen Ausgabeposten, sind WestSpiel durch die Bootsparty auf dem KD Dampfer konkret entstanden? (vollständige Einbeziehung sämtlicher Aufwendungen und deren Erläuterung erbeten) Insgesamt beliefen sich die Kosten nach Unternehmensangaben für 582 Teilnehmer auf 77.000 €. Die folgende Tabelle listet sämtliche Aufwendungen auf: WestSpiel-Weihnachtsfeier 2014 T€ Schiffscharter 18 Gastronomie 40 Bustransport 7 Musik und Programmpunkte 8 Tombolagewinne 3 Sonstiges 1 Gesamt 77 5. Hat sich das Betriebsklima bei WestSpiel durch das obige Partyschiff-Event tatsächlich messbar verbessert und damit auch zur Reduktion der Konflikthandhabungskosten mit der Belegschaft bisher beigetragen? (nachvollziehbar begründete Darlegung erbeten) Vor dem Hintergrund der Neuausrichtung der WestSpiel-Gruppe sowie der Restrukturierung des Geschäfts sollte mit der Betriebsfeier ein Signal der Wertschätzung für die geleistete Arbeit der Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht werden. Ziel war es, die Motivation und Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen auch im Zeitraum der Restrukturierung zu fördern. Die Frage nach der Messbarkeit der Ergebnisse derartiger Motivationsmaßnahmen ist ernsthaft nicht zu beantworten. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11703