LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11710 13.04.2016 Datum des Originals: 12.04.2016/Ausgegeben: 18.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4526 vom 3. März 2016 der Abgeordneten Ingola Schmitz und Henning Höne FDP Drucksache 16/11328 Was tut die Landesregierung gegen das zunehmende Amphibiensterben im Kreis Düren im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Bsal- und Bd-Infektionen? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4526 mit Schreiben vom 12. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantworet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Kreis Düren, aber auch in der Eifel, ist nach Informationen der Wissenschaftler der Biologischen Station Düren ein massenhaftes Sterben von Amphibien zu verzeichnen. Amphibien gehören weltweit zur am stärksten bedrohten und am schnellsten schwindenden Wirbeltiergruppe . Eine inzwischen weltweit auftretende Pilzerkrankung ist für den dramatischen Rückgang einzelner Amphibienarten verantwortlich (Presseinformation der TU Braunschweig vom 06.10.2015). Der Pilz greift die für die Atmung hauptverantwortliche Haut der Tiere an und zerstört sie innerhalb kurzer Zeit. Ein internationales Forschungsteam um die Evolutionsbiologen Sebastian Steinfartz und Miguel Vences von der Technischen Universität Braunschweig hat im Herbst 2015 erstmals die Amphibien-Chytridpilze Batrachochytrium dendrobatidis (Bd) und Batrachochytrium salamandrivorans (Bsal) in Deutschland nachgewiesen. Nachdem der Chytridpilz bereits in den Niederlanden und in Belgien unter Salamandern zu einem Massensterben geführt hat, sind laut Stefan Lötters von der Universität Trier (Interview, n-tv 20.12.2015) inzwischen auch erkrankte Salamander von Mitarbeitern der Biologischen Stationen Aachen und Düren in der Eifel gefunden worden. Wird die Erkrankung früh genug erkannt, soll sich die Krankheit zwar durch eine kurzzeitige Anhebung der Temperatur bekämpfen lassen. Auch sei noch offen, wie gefährlich der Pilz für unsere heimischen Arten sei und ob es möglicherweise verschiedene gefährliche Pilz-Stämme LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11710 2 gebe. Informationen der Biologischen Station Düren zufolge habe der Pilz jedoch bereits eine weitreichende Amphibienpopulation befallen und sich so rasant ausgebreitet. Sei man 2015 zunächst in Hürtgenwald fündig geworden, so sei inzwischen auch ein massiver Bestandsrückgang im Kalltal und dem Nationalpark Eifel zu verzeichnen. Vorbemerkung der Landesregierung Der Hautpilz-Befall von Amphibien ist ein seit Längerem bekanntes und weltweites Phänomen. Der für einheimische Amphibien tödliche Hautpilz-Befall wird durch die beiden Chytrid-Pilze Batrachochytrium dendrobatidis (kurz: „Bd“) und Batrachochytrium salamandrivorans (kurz: „Bsal“) hervorgerufen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden die Chytridpilze durch Tierexporte aus Ostasien weltweit verbreitet. Ostasiatische Amphibien sind resistent, können aber den Pilz übertragen. Bd befällt Frösche und Kröten, Bsal Molche und Salamander. In 2003 wurde Bd erstmalig in Nordrhein-Westfalen bei Wasserfröschen im Ruhrtal bei Bochum und in der Rheinaue nachgewiesen. In 2008 kam es in der niederländischen Provinz Süd-Limburg nahe der deutschen Grenze zu einem Massensterben des Feuersalamanders durch Bsal. 2015 wurde Bsal schließlich in der Eifel nahe der niederländischen Grenze auch bei Feuersalamandern in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen. Unter Laborbedingungen erweisen sich fast alle europäischen Schwanzlurche, also nicht nur der Feuersalamander, sondern auch die drei einheimischen Molcharten (Teichmolch, Bergmolch und Kammmolch) als Bsal-anfällig und können bereits kurz nach einer Infektion sterben. Da nunmehr beide Chytridpilzarten Nordrhein-Westfalen erreicht haben, können derzeit nahezu alle einheimischen Amphibien-Arten befallen werden. Vor dem Hintergrund dieser besorgniserregenden Entwicklung hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes NRW (LANUV) in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Aktivitäten zur Erforschung und Eindämmung der Amphibienkrankheiten initiiert. In diesem Zusammenhang werden alle zur Verfügung stehenden Informationen zu den Amphibienerkrankungen in Nordrhein-Westfalen auf der Homepage des LANUV veröffentlicht unter : http://www.lanuv.nrw.de/natur/artenschutz/amphibienkrankheiten/. 1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die aktuelle Verbreitung der Bdund Bsal-Infektionen in den Regionen Eifel und Düren? Im April 2015 wurde im Rahmen des vom Land Nordrhein-Westfalen finanzierten Feuersalamander -Monitorings der erste tote Feuersalamander in der Eifel gefunden. Von insgesamt elf untersuchten Probestellen wurde an zwei Stellen der Chytridpilz Bsal nachgewiesen: an drei Salamandern von der Weißen Wehe (Kreis Düren) sowie an zwei Salamandern aus dem Solchbachtal (Städteregion Aachen). Über Infektionen mit dem anderen Chytridpilz Bd aus dem Raum Eifel/Düren liegen der Landesregierung keine aktuellen Daten vor. 2. Welche Initiativen bezüglich möglicher Kontroll-, Quarantäne- und Sicherheitsmaßnahmen ergreift die Landesregierung, um eine weitere Ausbreitung der Pilzinfektionen zu verhindern? Als Sicherungsmaßnahme hat das LANUV bereits im Juli 2015 landesweit für die Vergabe von Werkverträgen und Untersuchungsvorhaben entsprechende Hygieneregeln in einem Schreiben an die höheren Landschaftsbehörden veröffentlicht. Innerhalb des LANUV wird abteilungsübergreifend sichergestellt, dass diese Hygieneregeln bei allen „wassergebundenen“ Untersuchungen des LANUV Anwendung finden. Durch das LANUV wird die Information auch an den Landesfischereiverband mit seinen 200.000 Mitgliedern in Nordrhein-Westfalen weiterge- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11710 3 geben. Eine breite Information der Öffentlichkeit erfolgte schließlich über eine Presseinformation des LANUV vom 02.03.2016. (http://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/presse/dokumente /PM_LANUV_Hautpilz_Amphibien_02_03_2016.pdf). Als Kontrollmaßnahme wird die Fortführung des laufenden Feuersalamanderlarven-Monitorings durch die Biologischen Stationen des Kreises Düren und der Städteregion Aachen fachlich und finanziell durch das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt. Quarantänemaßnahmen sind zurzeit nur bei Feuersalamandern in der privaten Terrarien-Haltung bekannt. Eine Übertragung dieser aufwändigen Maßnahmen auf das Freiland ist faktisch nicht möglich. 3. Welche Berichte über die Auswirkungen des Amphibiensterbens auf das regionale Ökosystem Düren und Eifel liegen der Landesregierung vor? Der Landesregierung liegen die Monitoring-Berichte „Screening von Feuersalamandern (Salamandra salamandra) auf Batrachochytrium salamandrivorans und Monitoring in der Städteregion Aachen/Kreis Düren“ aus den Jahren 2014 und 2015 vor. Die Ergebnisse des Feuersalamander -Monitorings sind in die Aufbereitung der Thematik auf der Internetseite zu den Amphibienkrankheiten auf der LANUV-Homepage eingeflossen. 4. Inwieweit fördert die Landesregierung die Forschung in diesem Bereich in NRW im Hinblick auf die weitere Ausbreitung von Bsal- und Bd-Infektionen? Bitte auflisten nach Forschungsinstituten und Förderzuwendungen. Die Landesregierung fördert folgende Forschungsvorhaben: 1. Universität Trier, 2009: „Untersuchung zum Befall der Geburtshelferkröte in NRW mit dem Amphibien-Chytridpilz“. Werkvertrag im Auftrag des LANUV. Werkvertragssumme 2000,- €. 2. Büro Dagmar Ohlhoff, Aachen, 2014: „Screening von Feuersalamander Populationen an ausgewählten Standorten in der Eifel im Jahr 2014“. Werkvertrag im Auftrag des LANUV. Werkvertragssumme 2.935,- €. 3. Biologische Stationen im Kreis Düren und in der Städteregion Aachen, 2015: „Screening von Feuerwehrsalamandern 2015“. Sonderprojekt im Rahmen einer Zusatzbewilligung nach Förderrichtlinie Biostationen (FöBS) mit einem Landesanteil von 80 % gefördert. Die verbleibenden 20 % wurden durch den Kreis Düren beziehungsweise die Städteregion Aachen kofinanziert. Biologische Station Düren 5.632,- € (80% Landesanteil), Biologische Station Düren der Städteregion Aachen mit 18.090,- € (80% Landesanteil). In 2016 wird das Projekt im Rahmen eines Zusatzes zur Grundförderung der Biostationen nach FöBS wie folgt weitergeführt: Biologische Station mit 8.618,- € (80 % Landesanteil), Biologische Station Städteregion Aachen mit 21.033,- € (80 % Landesanteil). Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11710