LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11711 13.04.2016 Datum des Originals: 12.04.2016/Ausgegeben: 18.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4516 vom 29. Februar 2016 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking CDU Drucksache 16/11297 Veränderungen bei der Impfpraxis in der Rassegeflügelzucht Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4516 mit Schreiben vom 12. April 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Rassegeflügelzucht erfreut sich in Nordrhein-Westfalen nach wie vor hoher Beliebtheit. In vielen Vereinen im Land leisten Rassegeflügelzüchter wertvolle Arbeit bei der Erhaltung seltener Arten und Rassen. Das Geflügel wird nicht kommerziell gezüchtet und dient neben der Arterhaltung ausschließlich der Freizeitbeschäftigung. Die Sorge um ihre Tiere steht bei den Züchtern an oberster Stelle. Durchgängige Impfungen sind im Rassegeflügelzuchtbereich selbstverständlich. Bislang war es Praxis, dass Impfstoffe von Tierärzten an bevollmächtige Züchter in den Vereinen abgegeben wurden und diese die Impfungen vornahmen, die in der Regel über Trinkwasser den Tieren verabreicht wurden. Dies ist durch die Änderung der Impfstoffverordnung nicht mehr möglich. Impfungen dürfen nur noch von Tierärzten durchgeführt werden. Weitere Aspekte werden Probleme auf: Handelsübliche Impfgebinde sind auf Großbestände ab 1.000 Tiere ausgerichtet. Das sind Größenordnungen, die private Kleinetierzüchter nie erreichen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11711 2 Der Kauf eines solches Gebindes für wesentlich weniger Tiere lohnt für Tierärzte nicht, denn einmal geöffnete Gebinde lassen sich nicht lagern. Da die Züchter ihre Bestände nicht in die tierärztlichen Praxen mitnehmen können, muss der Tierarzt zukünftig jeden Halter einzeln aufsuchen. Bei der Vielzahl der Züchter erfordert dies einen erheblichen Aufwand. Die Kosten für Kleintierzüchter werden überproportional steigen. Es steht zu befürchten, dass viele Züchter aufgrund der Neuregelung ihr Hobby aufgeben werden. Dies wäre ein schwerer Schlag für die Arterhaltung und die Artenvielfalt bei unseren heimischen Nutztieren. Vorbemerkung der Landesregierung Von verschiedenen Seiten sind sowohl die Präsidentin des Landtags (Zuschrift 16/896, Titel: Problematik der Impfung des Geflügels) sowie das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft , Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV) zur Versorgung des Geflügels in Hobbyhaltungen und Rassezuchtbeständen mit den dort üblicherweise eingesetzten Tierimpfstoffen angeschrieben worden. In den Schreiben wird u. a. beklagt, dass in verschiedenen Bundesländern seit einigen Monaten eine Verschärfung der Kontrolle von tierärztlichen Hausapotheken im Hinblick auf die Versorgung der kleineren Geflügelbestände mit Tierimpfstoffen zu verzeichnen sei, die dazu geführt habe, dass von Tierärztinnen und Tierärzten keine Impfstoffe mehr in solche Bestände abgegeben würden. In der Landtagszuschrift wird sogar behauptet, es gäbe eine entsprechende Anweisung des MKULNV, keine Impfstoffe mehr an solche Haltungen bzw. an die die Impfungen tatsächlich vornehmenden Personen abzugeben. Nach der Tierimpfstoff-Verordnung dürfen Impfstoffe bei Tieren nur durch den Tierarzt angewendet werden. An gewerbliche und berufsmäßige Tierhalter dürfen vom Tierarzt unter bestimmten Voraussetzungen Impfstoffe zur Anwendung durch die Tierhalter selbst abgegeben werden. Hiervon machen vornehmlich Halter von Nutzgeflügel und Mast- sowie Zuchtschweinen Gebrauch. Die erstmalige Abgabe ist bei der für den jeweiligen Tierhalter zuständigen Behörde anzuzeigen. Diese Rechtslage besteht seit der Änderung der Tierimpfstoff-Verordnung im Jahr 2006 unverändert fort. Unabhängig von diesem Grundsatz hat sich offensichtlich im Laufe der Jahre eine - von der Überwachung nicht näher hinterfragte - Praxis eingestellt, dass in Geflügel-Kleinbeständen die erforderlichen Impfungen von "Impfhelfern" vorgenommen wurden. Bisher bestand keine Veranlassung , das Augenmerk der Überwachung auf diesen Bereich zu lenken, da auf diesem Wege offensichtlich tatsächlich ein wünschenswerter Impfschutz des Rassegeflügels gegen verschiedene Krankheiten erreicht wurde. Dies hat sich auch nach Übergang der Zuständigkeit für die Kontrolle der tierärztlichen Hausapotheken auf das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) nicht geändert und wurde in verschiedenen Gesprächen mit Betroffenen bekräftigt. Insofern ist die Behauptung, dass das Ministerium eine Änderung der "Praxis " herbeigeführt habe, nicht zutreffend. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit für die Überwachung der tierärztlichen Hausapotheken im Hinblick auf Tierimpfstoffe erst mit der Verkündung der Verordnung zur Änderung von Zuständigkeiten für die Überwachung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln und Tierimpfstoffen in tierärztlichen Hausapotheken (Landtags-Vorlage 16/3699) auf das LANUV übergegangen ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11711 3 Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat nach hiesiger Kenntnis solche Schreiben erhalten und wird die Angelegenheit auf der nächsten Sitzung der Tierseuchenreferenten im April thematisieren. Ein Lösungsmodell könnte in der Einführung eines namentlich benannten "Impfbeauftragten" als besonders qualifizierte Person und als Mittler zwischen tierärztlicher Praxis und Kleinbestand bestehen. Die Qualifizierung solcher „Impfbeauftragten “ könnte analog zu den gewerbs- oder berufsmäßigen Tierhaltern erfolgen, an die Impfstoffe abgegeben werden sollen (Unterweisung durch den Tierarzt mit Aushändigung eines Behandlungsplans). Hinsichtlich der in mehreren Schreiben erwähnten anzeigepflichtigen Newcastle-Krankheit (atypische Geflügelpest) kommt erschwerend hinzu, dass die Impfung gegen diese Krankheit in Hühner- und Truthühnerbeständen unabhängig von der Bestandsgröße rechtlich vorgegeben ist. Zudem ist der Besuch von Ausstellungen o. ä. mit Hühnern oder Truthühnern nur möglich mit einer tierärztlichen Bescheinigung über die vorgenommene Impfung im Herkunftsbestand . Bisher sind dem MKULNV keine Probleme bei Ausstellungen bekannt geworden. 1. Welche Probleme sind der Landesregierung aus der jahrzehntelang ausgeübten Impfpraxis bekannt, so dass eine grundlegende Änderung der Regelungen angebracht ist? Zur Beantwortung wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. Probleme sind nicht bekannt geworden . 2. Inwieweit hat es im Vorfeld der geänderten Impfpraxis Gespräche bzw. Informationen mit den betroffenen Geflügelzüchtern bzw. Tierärzten gegeben? Da es keine von der Landesregierung zu verantwortende Änderung der Impfpraxis gegeben hat, bestand keine Notwendigkeit der Führung von vorbereitenden Gesprächen. 3. Inwieweit wird durch das geänderte Impfverfahren eine Verbesserung des hohen und annähernd vollständigen Impfniveaus im Bereich der Rassegeflügelzucht erreicht ? Zur Beantwortung wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 4. Inwieweit kann die Landesregierung die Annahme bestätigen, dass es durch die neue Praxis, die mehr Aufwand und höhere Kosten bedeutet, zur vermehrten Aufgabe privater Rassegeflügelzucht kommen wird? Die private Zucht von Rassegeflügel findet überwiegend in Klein- und Kleinstbeständen von engagierten Halterinnen und Haltern statt. Bei ihnen stehen die ideellen Werte ihres Hobbys im Vordergrund. Gleichwohl spielen aber auch dabei die Kosten eine Rolle. Aus Kontakten und Gesprächen mit den Zuchtverbänden sind die Befürchtungen bekannt, dass es durch die Impfkosten zur Aufgabe der Rassegeflügelzucht kommen kann. Die Landesregierung nimmt diese Sorgen sehr ernst und setzt sich in den anstehenden Gesprächen der Tierseuchenreferenten für die in den Vorbemerkungen aufgezeigten Lösungsansätze ein. 5. Welche Rolle hat die private Rassegeflügelzucht für die Erhaltung des Gen-Pools seltener Rassen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11711 4 Die Zucht von Rassegeflügel hat in Nordrhein-Westfalen eine langjährige Tradition und ist für die Erhaltung der genetischen Vielfalt von Bedeutung. Rund 15.000 Züchterinnen und Züchter der nordrhein-westfälischen Landesverbände sowie geschätzt annähernd die doppelte Zahl privater Hobbyhalter sorgen für den Erhalt wertvoller genetischer Ressourcen und eines Gen- Pools seltener Rassen. Aus diesen Gründen setzt sich die Landesregierung für die Belange der Rassegeflügelzüchter ein und fördert die Zuchtarbeit z.B. durch die Einrichtung des Wissenschaftlichen Geflügelhofs in Rommerskirchen-Sinsteden oder die Bereitstellung von Urkunden und Preisen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11711