LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11722 13.04.2016 Datum des Originals: 13.04.2016/Ausgegeben: 18.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4541 vom 7. März 2016 der Abgeordneten Ingola Schmitz und Thomas Nückel FDP Drucksache 16/11405 Welche Strategie verfolgt die Landesregierung bei der Erschließung, Bewahrung und Fortentwicklung des Filmerbes? Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 4541 mit Schreiben vom 13. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Erschließung, Bewahrung und Fortentwicklung des Filmerbes ist eine wichtige kulturpolitische Aufgabe. Denn das Filmerbe ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer kulturellen Identität. Filme sind historisches Gedächtnis, sie sind Zeitzeugen und Primärquellen, sie stiften und dokumentieren gesellschaftliche Identität, und sie sind Ausdruck kulturellen Schaffens und kreativen Wirkens. Deshalb ist die Sicherung des filmischen Erbes zu Recht Anliegen aller staatlicher Ebenen – wie es etwa im Archivgesetz NRW sowie auf Bundesebene im Bundesarchivgesetz verankert ist –, zahlreicher wissenschaftlicher Einrichtungen sowie einer Vielzahl privater Initiativen. Eine große Herausforderung dieser Sicherung ist dabei die Digitalisierung vorhandener filmischer Dokumente, welche zur größeren Verbreitung und Nutzbarmachung zwingend erforderlich ist. Die notwendige Digitalisierung bedeutet jedoch nicht, dass die Erschließung, Bewahrung und Sicherung von Filmmaterial auf klassischen Trägermedien insbesondere als Negativ obsolet ist. Im Gegenteil: Abgesehen von der im Grundsatz deutlich längeren Haltbarkeit klassischer Trägermedien sind die Unverfälschtheit historischer oder zeitgenössischer Originale sowie die Bewahrung und Dokumentation von filmisch-kreativem Schaffen einerseits und der Filmtechnik anderseits ebenfalls von großer kulturpolitischer Relevanz. Die vom Bundesarchiv verfolgte sogenannte Kassationspraxis, nach der insbesondere originale Filmmaterialien auf Nitrozellulose im Anschluss an die Digitalisierung vernichtet LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11722 2 werden, ist vor diesem Hintergrund aus kulturpolitischer und wissenschaftlicher Sicht beklagenswert. Das gilt auch für Nordrhein-Westfalen. Das Land ist dabei nicht zuletzt über die Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder an der Entwicklung archiv- bzw. kulturpolitischer Grundsätze beteiligt, sondern muss auch mit Blick auf die sehr eingeschränkte Möglichkeit der Lagerung insbesondere von Nitrofilm- Material, die im Prinzip ausschließlich beim Bundesarchiv vorgenommen werden kann, ein Eigeninteresse an der Sicherung landesrelevanten kulturellen Filmerbes haben. Das Problem der Filmvernichtung ist auch auf regionaler Ebene akut, da analoge Filmbestände in kommunalen Archiven zunehmend wegen der digitalen Speicherung für entbehrlich gehalten werden. 1. Wie bewertet die Landesregierung die sog. Kassationspraxis? Die Erhaltung, Sicherung und vor allem die Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Dafür ist es unerlässlich, dass analoges Filmmaterial digital gesichert wird. Für die einzelne Bürgerin und den einzelnen Bürger eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten, auf bisher nur in Archiven vorhandene historische Inhalte zuzugreifen. Mit Blick auf das enorme Volumen des Filmerbes ist die Frage der Aufbewahrung des Originalmaterials ein Balanceakt zwischen dem grundsätzlichen archivischen Anspruch, möglichst immer das Original zu erhalten, und den finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten der Träger. Vor allem bei Filmen von filmhistorischer Bedeutung oder dokumentarischem bzw. künstlerischem Wert ist der Erhalt des Originals anzustreben. In allen anderen Fällen kann diese Frage nur abhängig von den Rahmenbedingungen beantwortet werden. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört auch die Explosionsgefahr, die vor allem von Nitrofilmen ausgeht. Ob die Magazine des Bundesarchivs es erlauben, große Mengen an Nitrofilmen langfristig zu lagern, kann von hier aus nicht beurteilt werden. 2. Wie bringt sich die Landesregierung diesbezüglich im Rahmen der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder ein? Für das Land NRW nimmt der Präsident des Landesarchivs an den Sitzungen der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (KLA) teil und vertritt dort die Position des Landes und der Filmarchive in NRW. Bisher hat die KLA zwar das Thema Filmerbe diskutiert, aber keine gemeinsame Position dazu erarbeitet. 3. Welche Möglichkeiten der Erschließung, Bewahrung und Fortentwicklung des für Nordrhein-Westfalen relevanten Filmerbes auf klassischen Trägermedien (inkl. Nitrofilm) bieten sich dem Land (bitte auch auf Lagermöglichkeiten eingehen)? Für das kulturelle Erbe NRWs relevante Filme werden vor allem vom Landesarchiv gesammelt und archiviert. Weitere Filmarchive halten die Landschaftsverbände, die Kirchen, einzelne Kommunen und private Einrichtungen vor. Die nordrhein-westfälischen Filmarchive haben sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Im Landesarchiv steht am Standort Duisburg ein 1°C-Magazin zur Verfügung, in dem Filme auf klassischen Trägermedien unter bestmöglichen klimatischen Bedingungen aufbewahrt werden. Für die Aufbewahrung von Nitrofilmen (in einem verschlossenen Regal, getrennt von anderen Materialien) liegt eine Genehmigung der Bezirksregierung Düsseldorf vor, die auf 100 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11722 3 kg Nitrofilm-Gesamtgewicht begrenzt ist. Diese Kapazität ist derzeit nicht ausgeschöpft. Vorhandene Nitrofilme des Landesarchivs sollen demnächst digitalisiert werden. Sofern eine Zersetzung des Filmmaterials noch nicht begonnen hat, sollen die Originale erhalten werden. Nach Beginn des Zersetzungsprozesses ist dieser nicht mehr aufzuhalten, so dass eine Vernichtung des Originals dann nicht zu vermeiden ist. Möglichkeiten zur Erschließung des Filmerbes auf klassischen Trägermedien sind im Landesarchiv gegeben, werden aber derzeit aus finanziellen und pragmatischen Gründen nicht genutzt. Teilweise ist der Inhalt eines Films erst nach der Digitalisierung bekannt, so dass auch eine Erschließung erst nach der Digitalisierung möglich bzw. sinnvoll ist. Problematisch für die Erschließung ist auch die oft unübersichtliche Rechtslage (Urheber- und Verwertungsrechte). Die Potentiale der Filmarchive außerhalb der Trägerschaft des Landes und deren Strategien können von hier aus nicht bewertet werden. 4. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung grundsätzlich bei der Erschließung, Bewahrung und Fortentwicklung des Filmerbes? 5. Welche Maßnahmen schlägt die Landesregierung vor, um die Erschließung, Bewahrung und Fortentwicklung des Filmerbes auf klassischen Trägermedien zu verbessern? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Derzeit erarbeiten der Bund, die Länder und der Kinematheks-Verbund ein gemeinsames Förderkonzept zur Digitalisierung des nationalen Filmerbes. Darin sollen inhaltliche Fragen und Prioritäten, Zuständigkeiten und Finanzierungsfragen behandelt werden. Strategie und Maßnahmen der Landesregierung werden sich abhängig vom Ergebnis an diesem Konzept orientieren. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11722