LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/1173 22.10.2012 Datum des Originals: 19.10.2012/Ausgegeben: 25.10.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 399 vom 30. August2012 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking CDU Drucksache 16/795 Individuelle Gesundheitsleistungen (IGel) für Verbraucherinnen und Verbraucher Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 399 mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit 1998 dürfen Arztpraxen in Deutschland individuelle Gesundheitsleistungen (IGel) anbieten . Das sind medizinische Zusatzleistungen, die von den Ärzten zwar angeboten, von den Krankenkassen jedoch nicht übernommen werden. Der Markt für diese Leistungen boomt. In der Presse finden sich Zahlen über das Volumen der IGel-Leistungen, die zwischen einer und 1,5 Mrd. Euro schwanken. Das Spektrum der angebotenen Zusatzleistungen ist weit. Jedoch ist nicht immer ein Nutzen gegeben. Einzelne Angebote sind zudem medizinisch umstritten, andere können gesundheitsschädlich sein. Zudem prüft die Bundesregierung aktuell, ob Marketingseminare für Ärzte, zur Verkaufsschulung von IGel-Leistungen staatlich gefördert wurden. Im Mai berichtete die Verbraucherzentrale NRW über auffällig viele Selbstzahlerleistungen bei Frauenärzten im Bereich der Krebsfrüherkennung. 10 Frauenarztpraxen mahnte die Verbraucherzentrale NRW ab. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1173 2 1. Welches Volumen hat nach Erkenntnissen der Landesregierung der Markt der IGel-Leistungen in NRW? Zum Volumen der IGeL hat die Landesregierung keine eigenen Erkenntnisse. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (VZ NRW) hat im Rahmen einer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) im WIdO-Monitor 2/2010 - http://www.wido.de/wido_monitor_2_2010.html - das Ergebnis einer repräsentativen bundesweiten Befragung von 2.500 GKV-Versicherten vorgestellt hat. Danach wird mehr als jeder / jedem vierten Versicherten (28,3 %) binnen Jahresfrist eine medizinische Leistung auf Privatrechnung verkauft. Die Zusatzeinnahmen der Ärztinnen und Ärzte bei der Behandlung von gesetzlichen Krankenversicherten seien damit auf rd. 1,5 Mrd. Euro im Jahr gewachsen. Die Landesregierung kann diese Stellungnahme mangels eigener Erkenntnisse nicht bewerten . 2. Wie hoch ist nach Erkenntnissen der Landesregierung das Volumen überflüssi- ger oder schädlicher IGel-Leistungen? Auch über das Volumen überflüssiger oder sogar schädlicher IGeL hat die Landesregierung keine Erkenntnisse. 3. Was unternimmt die Landesregierung zu Aufklärung der Patientinnen und Pati- enten zum sachgerechten Umgang mit IGel-Leistungen? Die Zunahme von Wettbewerbselementen auf dem Gesundheitsmarkt durch z.B. das wachsende Angebot privater Zusatzleistungen (IGeL) stellt immer höhere Anforderungen an die Verbraucherinnen und Verbraucher. Damit die Bürgerinnen und Bürger ihre Rolle als kritische Gesundheitskundinnen und -kunden im Marktgeschehen überhaupt wahrnehmen können , setzt sich die Landesregierung konsequent für den Ausbau von Patientenrechten auf Bundesebene ein und hat in den letzten beiden Jahren in Nordrhein-Westfalen den Zugang zu Beratungs- und Informationsangeboten im Gesundheitsmarkt für die Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich erleichtert. Durch die Vereinbarung mit der VZ NRW über die Zusammenarbeit in den Jahren 2011 bis 2015 hat die Landesregierung den Ausbau der Beratungskapazität im Gesundheitsmarkt finanziell ermöglicht, um eine anbieterunabhängige Marktbeobachtung und eine effektive Durchsetzung der Verbraucherrechte im Gesundheitsmarkt zu gewährleisten. Die Einrichtung der Gruppe Gesundheitsmarkt in der Landesgeschäftsstelle der VZ NRW ist Ergebnis dieser vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz initiierten neuen Vereinbarung. Aktivitäten, wie in der Kleinen Anfrage unter Frage 4 angesprochen, wonach die VZ NRW Gynäkologinnen und Gynäkologen wegen unlauterer Werbung für IGeL abmahnte, können nur aufgrund des Ausbaus der juristischen Kapazitäten in der Gruppe Gesundheitsmarkt der VZ NRW durchgeführt werden. Fünf der durchgeführten Abmahnungen mündeten mittlerweile in gerichtliche Unterlassungsverfahren und dies zeigt wie wichtig und richtig es ist, dass die Landesregierung die VZ NRW auch in ihrer Rolle zur Wahrung des ordnungsrechtlichen Rahmens des Gesundheitsmarktes finanziell gestärkt hat. Darüber hinaus werden in 21 ausgewählten Beratungsstellen der VZ NRW spezielle Rechtsberatungen im Gesundheitswesen für die Verbraucherinnen und Verbraucher angeboten. Neben Informationen zu rechtlichen Grundlagen der IGeL erhalten die Bürgerinnen und Bürger dort Beratungen zu Arztrechnungen bzw. Kostenvoranschlägen für medizinische Leistungen oder Orientierungshilfen bei Fragen zum Leistungskatalog von Krankenkassen. Die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1173 3 Landesregierung unterstützt mit ihren Finanzierungsmitteln die Arbeit der Beratungsstellen der VZ NRW zu einem erheblichen Teil und fördert damit das niedrigschwellige Beratungsangebot im Themenfeld Gesundheitsmarkt. Ferner hat das nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerium im Rahmen der Verbraucherbildung und Verbraucherinformation weitere Maßnahmen ergriffen, um die Handlungskompetenzen von Verbraucherinnen und Verbrauchern auf dem Gesundheitsmarkt zu verbessern. Für die Zielgruppe der Seniorinnen und Senioren wurden im Jahr 2010 beispielsweise regionale Informationsveranstaltungen angeboten, die u.a. Tipps zum sorgsamen Umgang mit IGeL-Angeboten bei der Ärztin / beim Arzt gegeben haben. Aktuell hat das MKULNV im August 2012 eine überarbeitete Neuauflage des Ratgebers „Ihr Recht im Alltag“ veröffentlicht. Diese Leitfaden und Ratgeber für Verbraucherinnen und Verbraucher befasst sich intensiv in einem eigenen Kapitel mit Fragestellungen rund um den Gesundheitsbereich und widmet sich dabei natürlich auch der Aufklärung über Nutzen, Ausmaß und den Rechtsrahmen individueller Gesundheitsleistungen. Der Ratgeber „Ihr Recht im Alltag“ ist kostenfrei über das MKULNV zu beziehen. 4. Wieso kommt der Verbraucherzentrale NRW als eingetragenem Verein, wie auch in dem Fall der Frauenärzte, das Verdienst zu, unlautere Geschäftspraktiken häufig abzumahnen, während vom Land häufig nichts zu hören ist? Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) steht der Rechtsanspruch auf Beseitigung und Unterlassung bei Wettbewerbsverstößen im Marktgeschehen z.B. wegen unlauterer Geschäftspraktiken, lediglich einem im Gesetz näher bestimmten Kreis von Antragsstellern bzw. Klagebefugten zu. Dazu zählen Mitbewerberinnen und Mitbewerber, rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher und beruflicher Interessen, qualifizierte Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagegesetzes (z.B. Verbraucherzentralen), die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. sowie die Industrie- und Handelskammern oder die Handwerkskammern. Diese Verbände bzw. Einrichtungen können nach dem UWG im Wege von Abmahnungen Personen im Marktgeschehen auffordern, bestimmte Handlungen zu unterlassen oder vorzunehmen. Das Land kann nicht mit dem Instrument der Abmahnung in den Markt eingreifen. Die Landesregierung ist jedoch im Wege von Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat oder anderen Initiativen tätig geworden, um die Patientenrechte insbesondere im Kontext mit IGeL-Angeboten effektiver und besser auszugestalten. Die Landesregierung hat sich sowohl im Eckpunktepapier „Patientenrechte in Deutschland“ der Gesundheitsministerinnen und - minister und Gesundheitssenatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. November 2011 als auch in den Empfehlungen der Ausschüsse zur 899. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2012 zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Bundesrat -Drucksache 312/12) für eine wesentliche Verbesserung der bislang im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Patientenrechtegesetz vorgesehenen Regelungen zu IGeL eingesetzt. Inhaltlich hat sich die Landesregierung z.B. dafür stark gemacht, dass die Aufklärung über IGeL-Angebote nicht an ärztliches Hilfspersonal delegiert werden darf und dass die Kenntnisnahme der Kostenpflichtigkeit des IGeL-Angebotes durch eine eigenhändige Unterzeichnung durch die Patienten als eine zusätzliche Warnfunktion vor übereilten Entscheidungen in der Arztpraxis eingeführt wird. Auch die Möglichkeit vom Rücktritt vom IGeL-Vertrag ist gesetzgeberisch nach dem Willen der Landesregierung im Patientenrechtegesetz ausdrücklich zu regeln. Diese Forderungen sind auch in die Stellungnahme des Bundesrates eingeflossen, die die Bundesregierung allerdings abgelehnt hat. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/1173 4 5. Wie viele Abmahnungen wg. unlauteren Wettbewerbs hat es seitens der Landesregierung in den letzten beiden Jahren gegeben (Bitte einzeln aufschlüsseln)? Keine, da die Landesregierung niemanden auf Beseitigung oder Unterlassung wegen unzulässiger Handlungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in Anspruch nehmen kann (siehe Darstellung des Rechtsinstrumentes zur Antwort auf die Frage 4).