LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11733 14.04.2016 Datum des Originals: 23.03.2016/Ausgegeben: 19.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4448 vom 3. Februar 2016 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/11101 Chaotische Flüchtlingsverteilung in NRW – Ist die Berechnung der Anzahl der zuzuweisenden Flüchtlinge in NRW fehlerhaft? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4448 mit Schreiben vom 23. März 2016 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nachdem eine Verteilerstatistik der Bezirksregierung Arnsberg im Dezember 2015 aufdeckte, dass die gesetzlichen Quoten bei der Zuweisung von Flüchtlingen vor allem in kreisfreien Städten nicht erfüllt wurde und Städte wie Duisburg oder Düsseldorf ihre Aufnahmequote gerade einmal zu 60 Prozent erfüllt hatten, erklärte das Innenministerium NRW, dass die Landesregierung in diesem Jahr 2016 für eine gleichmäßigere Verteilung der Flüchtlinge auf die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sorgen will. Kommunen, die bislang nicht die vorgesehene Aufnahmequote erfüllten, sollten dann mehr Flüchtlinge zugewiesen bekommen. Vor allem Großstädte hatten deutliche Unterdeckungen. Insbesondere die Städte Essen, Düsseldorf und Duisburg kritisieren die fehlerhafte Berechnung der Zuweisungszahlen und die daraus folgende angekündigte Praxis des Landes, vermehrt Flüchtlinge den Städten zuzuweisen, die ihre Aufnahmequote bislang nicht erfüllt hätten. Die Stadt Essen erklärte, dass ihr zu viele Flüchtlinge zugewiesen werden würden, wegen eines Rechenfehlers des Bezirksregierung Arnsberg. Zudem würden bei der Berechnung ausgerechnet die Kommunen benachteiligt, die dem Land bei der Suche nach Notunterkünften geholfen hatten. Die Stadt Essen halte die Berechnung der Höhe der zuzuweisenden Flüchtlinge des Landes für fehlerhaft. Es dürften grundsätzlich nur die Asylbewerber in die Berechnung (wie viele Flüchtlinge einer Stadt zuzuweisen sind) einbezogen werden, die auch tatsächlich verteilt werden. Das Land aber rechne die Platzkapazitäten der Landeseinrichtungen unabhängig von der tatsächlichen Belegung in die Gesamtanzahl an Flüchtlingen ein. Vorhandene Plätze des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11733 2 Landes seien aber faktisch keine Personen, die verteilt und daher auch nicht auf die Gesamtsumme der Asylbewerber hinzugerechnet werden können. Für Gemeinden, die keine Landesplätze vorhalten, erhöht sich gemäß § 3 Abs. 6 FlüAG die Zahl der nach Absatz 4 und Absatz 5 nicht zugewiesenen Asylbewerber. Der Zuweisungsschlüssel nach Absatz 1 bleibt unberührt. Die Hinzurechnung im Rahmen der Verteilerstatistik von Plätzen für Asylbewerber in Landeseinrichtungen für alle Gemeinden sei daher nicht korrekt. Die Vorhaltung von Platzkapazitäten für das Land würde durch diese Art der Anrechnung ein Nachteil für die entsprechenden Kommunen sein. Dies konterkariere den eigentlichen Willen des Gesetzgebers, mit der Anerkennung der Landesplätze auf die Quote einen Anreiz zu schaffen, dass die Kommunen in NRW mehr Immobilien für das Land bereitstellen. Die jetzige Auslegung des § 3 Absatz 6 FlüAG und die entsprechende Berechnung würden diesen Anreiz in das Gegenteil verkehren. Wenn die Gesamtzahl der zu verteilenden Asylbewerber um „vorhandene Platzkapazitäten“ künstlich hochgesetzt wird, dann würden genau die Kommunen maßgeblich benachteiligt, die Landesplätze vorhalten, weil ihnen - wenn sie auch nur einen Landesplatz vorhalten würden - die volle Summe aller vorhandenen Landesplätze minus 1 für ihre Quote berechnet wird, da diese ja auf alle „übrigen Kommunen“ verteilt werden. Ein ggfs. fast unauflöslicher Konflikt auf Grund der Formulierung des Gesetzgebers in § 3 Absatz 6FlüAG. 1. In welcher Höhe wird jeweils den betroffenen Kommunen aktuell eine größere Anzahl an Asylbewerbern zugewiesen, weil die gesetzliche Zuweisungsquote bislang nicht erfüllt wurde? Im Januar 2016 führten Vertreter der jeweils zuständigen Bezirksregierungen Gespräche mit den Kommunen, die erheblich hinter der Aufnahmequote nach FlüAG zurückgeblieben sind. Dabei handelte es sich um die Kommunen Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Köln, Krefeld, Mönchengladbach und Wuppertal. Zwischenzeitlich hat die Stadt Bochum die Rückstände vollständig aufgeholt. Auch die Städte Dortmund, Krefeld, Mönchengladbach und Wuppertal werden zeitnah ihre Zuweisungsquote nach FlüAG vollständig erfüllen. Derzeit stellen sich die wöchentlichen Zuweisungen mit Sachstand 29.02.2016 wie folgt dar: Zuweisungen 8.+ 9. KW Bochum 264 Dortmund 446 Duisburg 100 Düsseldorf 265 Essen 177 Krefeld 212 Mönchengladbach 208 Wuppertal 123 Köln 487 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11733 3 2. Wie bewertet die Landesregierung den Vorwurf u.a. der Städte Düsseldorf, Essen und Duisburg dass das Land bei der Errechnung der tatsächlichen Zuweisungszahlen einen Rechenfehler begangen hat? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Kritik an der Auslegung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, dass es durch die Anrechnung von Landeseinrichtungen zu einer „künstlichen“ Erhöhung der Gesamtzahl an Flüchtlingen kommen würde mit der Folge einer verzerrten Aufnahmeverpflichtung der Kommunen mit Landeseinrichtungen? Die Fragen 2 und 3 werden im Zusammenhang beantwortet. Der Grundgedanke des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) ist es, Flüchtlinge gerecht nach einem transparenten Schlüssel auf die Kommunen aufzuteilen. Die Berechnung wird für alle 396 Städte und Gemeinden des Landes einheitlich durchgeführt, um eine mögliche Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Gemeinden oder Städte zu vermeiden. In die Berechnungen für jede einzelne Kommune werden die Anzahl der von der Kommune bereits aufgenommenen Flüchtlinge nach § 2 FlüAG, die Aufnahmeplätze in einer Landeseinrichtung in einer Kommune und die in einer Kommune in Obhut genommenen unbegleiteten minderjährigen Ausländer einbezogen. Die Berechnung der Zuweisung ist von der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg für alle Gemeinden nach den gesetzlichen Vorgaben durchgeführt worden. Die Städte Essen, Düsseldorf und Duisburg haben aufgrund ihrer hohen Einwohnerzahlen hohe Aufnahmequoten, die durch die Anrechnung von Landeseinrichtungen im Vergleich zu kleineren Kommunen mit anrechenbaren Plätzen einer Landeseinrichtung nicht wesentlich gesenkt werden. 4. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung aktuell im FlüAG? Die Landesregierung hat sich mit den Kommunalen Spitzenverbänden am 16.12.2015 darauf verständigt, dass das Jahr 2016 als Übergangsjahr ausgestaltet wird. Das System der Verteilung der FlüAG-Mittel wird ab dem Jahr 2017 neu aufgestellt. Die Verteilung der Mittel soll künftig personen- und monatsscharf erfolgen - hierzu muss jedoch zunächst eine neue Statistik implementiert werden. Bei einer Neugestaltung des Systems müssen alle Faktoren in den Blick genommen werden, die Einfluss haben auf die Berechnung der Zuweisungen und die Mittelverteilung. 5. Wie wird die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass die Asylbewerber möglichst solange in den Landeseinrichtungen verbleiben, bis das individuelle Asylverfahren geklärt ist? Die gesetzliche Wohnverpflichtung bis zur Entscheidung des Bundes-amtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in Aufnahmeeinrichtungen besteht nur für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten (vgl. § 47 Absatz 1a Asylgesetz). Demnach reicht die bloße Annahme einer fehlenden Bleibeperspektive (etwa bei sonstigen Herkunftsländern mit niedriger Gesamtschutzquote) insoweit nicht aus. Ein Verbleiben in Landeseinrichtungen setzt außerdem nicht nur entsprechende kurzfristige Entscheidungsmöglichkeiten des zuständigen BAMF in den Asylverfahren, sondern ebenso kurzfristige Rückführungsmöglichkeiten in das Herkunftsland voraus. Denn nach § 49 Absatz 1 Asylgesetz ist die Verpflichtung, in Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen, zu beenden, wenn eine Abschiebungsandrohung vollziehbar und die Abschiebung kurzfristig nicht möglich ist. Hieran LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11733 4 ändert auch § 47 Absatz 1a Asylgesetz ausdrücklich nichts. Im Rahmen des zwischen Bund und Ländern vereinbarten Aktionsplans zur weiteren Beschleunigung der Asylverfahren sowie einer Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote werden in Nordrhein-Westfalen nach erfolgten qualitativen und quantitativen Ausweitungen nunmehr bereits sämtliche Asylsuchende einschließlich der neu einreisenden Folgeantragsteller aus den sicheren Herkunftsstaaten des Westbalkans (Albanien, Kosovo, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina), vorbehaltlich der sachlichen Eignung des Einzelfalls, erfasst. Zuletzt hinzugenommen wurden auch Asylsuchende aus Georgien. Im bisherigen Verlauf wurden seit dem 30.09.2015 insgesamt 2.629 Asylsuchende dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Aktenanlage und Antragsstellung zugeführt. Davon wurden nach einer Vorprüfung durch das BAMF 2.290 Fälle als für ein beschleunigtes Verfahren sachlich geeignet eingestuft. In 2.146 Fällen haben die beteiligten Bundesamtsaußenstellen eine ablehnende Entscheidung zum Antrag getroffen (Stand 03.03.2016). Ein Schwerpunkt bei der Aktionsplanumsetzung in Nordrhein-Westfalen liegt auf der Förderung einer freiwilligen Rückkehr ins Heimatland. Insbesondere Familien mit Kindern wird die Möglichkeit gegeben, eine bevorstehende Abschiebung und die damit verbundenen Belastungen durch freiwillige Ausreise zu vermeiden. Dies alles mit erkennbar positiver Resonanz: Bislang sind bereits 1.445 Personen im Rahmen der Aktionsplanumsetzung aus den Landesaufnahmeeinrichtungen freiwillig ausgereist. Dem stehen aktuell 125 Abschiebungen gegenüber (Stand 03.03.2016). Zusätzliche sinnvolle Ausweitungsmöglichkeiten des Aktionsplans werden ständig geprüft. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11733