LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11738 14.04.2016 Datum des Originals: 14.04.2016/Ausgegeben: 19.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4553 vom 8. März 2016 des Abgeordneten Hanns-Jörg Rohwedder PIRATEN Drucksache 16/11457 Geplante Eröffnung des neuen Uranoxid-Zwischenlagers auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage Gronau Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 4553 mit Schreiben vom 14. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In ihrer Stellungnahme vom 26. Februar 2016 (Landtags-Drucksache 16-11012) erklärt die Landesregierung als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Piratenfraktion zur geplanten Eröffnung des neuen Uranoxid-Dauerlagers auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage Gronau lapidar, dass „laut Aussage der Urenco Deutschland GmbH (UD) gegenüber der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde die Inbetriebnahme des Uranoxidlagers im Jahr 2016 vorgesehen (ist).“ Weder teilt die Landesregierung mit, ob die Urenco Deutschland GmbH schon einen Antrag auf Inbetriebnahme gestellt hat, noch wie die Landesregierung darauf reagieren wird. Die Antwort erweckt vielmehr den Eindruck, als betrachte die Landesregierung die Entstehung eines neuen riesigen Atommülllagers in NRW – für immerhin 60 000 Tonnen Uranoxid – als rein private Angelegenheit des Urananreicherers Urenco, der in Gronau die bundesweit einzige Urananreicherungsanlage betreibt. Die desaströsen Erfahrungen mit der sicheren Entsorgung der hochradioaktiven Brennelementekugeln aus dem Forschungszentrum Jülich sowie die derzeitigen Versuche der Atomkonzerne , die Kosten für die Endlagerung des Atommülls auf die Allgemeinheit abzuwälzen – LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11738 2 ob in Form einer Stiftung oder in einer anderen Form – machen diese Fahrlässigkeit der Landesregierung jedoch höchst fragwürdig. Das Nichtstun der Landesregierung ist umso unverständlicher, wenn man bedenkt, dass bei fortgesetztem Betrieb der UAA Gronau nach Auskunft der Bundesregierung bereits nach zehn Betriebsjahren der Bau einer zweiten, ähnlich großen Atommüllhalle notwendig wäre (z. B. Bundestags-Drucksache 17-13598 v. 21. Mai 2013). Zudem wurde die Genehmigung für die Errichtung der Uranoxid-Lagerhalle bereits im Jahre 2005 erteilt, also noch sechs Jahre vor der Reaktorkatastrophe in Fukushima. Seither hat sich die Sicherheitsdiskussion rund um Atomanlagen jedoch deutlich weiterentwickelt, vergleiche das sogenannte „Brunsbüttel-Urteil“. Auch wurde seither der Atomausstieg (zum zweiten Mal) beschlossen. Die 2005 erteilte Genehmigung beruht also auf einem völlig veralteten Sachstand. Der für die Atomaufsicht zuständige NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin ist Mitglied der sogenannten Endlagerkommission und erlebt dort hautnah die Unmöglichkeit einer sicheren Entsorgung von Atommüll jeder Art. Doch von ihm sind keinerlei Initiativen bekannt, um NRW vor dem Entstehen einer weiteren Atommüllkippe zu bewahren, die am Ende niemand im Griff hat. Die Landesregierung muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um fünf Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima die Einrichtung eines brandneuen Atommülllagers in NRW zu verhindern, denn aus einem „Zwischenlager“ kann schnell ein „Endlager“ werden. Deshalb muss die Landesregierung, wie im Koalitionsvertrag versprochen, die Produktion von neuem Uranmüll in Gronau durch die Stilllegung der dortigen Urananreicherungsanlage verhindern. Vorbemerkung der Landesregierung Die Fragesteller greift mit der Kleinen Anfrage ein Thema auf, zu dem die Landesregierung schon mehrfach in Antworten auf Kleine Anfragen Stellung genommen hat: LT-Drs. 16/3074 „Dauerlagerung von Uranoxid an der Urananreicherungsanlage Gronau“ LT-Drs. 16/3181 „Endlagerung des Uranmülls aus der Urananreicherungsanlage Gronau“ LT-Drs. 16/3182 „Rechtliche Schritte und Überprüfungen vor der möglichen Inbetriebnahme des Uranoxid-Lagers an der Urananreicherungsanlage Gronau“ LT-Drs. 16/5732 „Dauer-Lagerung von Uranoxid in der Urananreicherungsanlage Gronau“ LT-Drs. 16/5734 „Sichere Entsorgung und Endlagerung des Uranmülls aus der Urananreicherungsanlage Gronau“ LT-Drs. 16/5931 „Berechnung der Rückstellungen für die Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau und die Entsorgung des dort anfallenden Uranmülls“ LT-Drs. 16/5932 „Rückstellungen für die Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau und die Entsorgung des dort anfallenden Atommülls“ LT-Drs. 16/6098 „Auftrag des Wirtschaftsministers für die sogenannte „Endlager-Suchkommission “ mit Blick auf den Uranmüll in Gronau und die hochradioaktiven Brennelementekugeln aus Jülich und Hamm“ LT-Drs. 16/6099 „Zustimmungspflicht der Landesregierung zur Eröffnung des neuen Uranoxid-Zwischenlagers auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage Gronau“ LT-Drs. 16/6552 „Lagerung von 60 000 Tonnen Uranoxid an der Urananreicherungsanlage Gronau“. LT-Drs. 16/8250 „Atomtransporte von und nach Gronau in 2014 sowie drohende Inbetriebnahme der neuen Uranoxid-Lagerhalle“ LT-Drs 16/11283 „Atomtransporte von und nach Gronau 2015 sowie bevorstehende Einlagerungen in der neuen Uranoxid-Lagerhalle“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11738 3 Im Landtagsplenum am 4. Juli 2014 habe ich zum Antrag der Fraktion der PIRATEN „Keine Genehmigung des Uranoxid-Lagers in Gronau, Ergebnisse der „Endlager-Kommission“ abwarten !“ (LT-Drs.16/6116) ausführlich Stellung bezogen. Auf der Sitzung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturschutz und Verbraucherschutz am 27. August 2014 wurde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN der Tagesordnungspunkt „Neues unbefristetes Uranoxid-Zwischenlager an der UAA Gronau“ beraten . Hierzu erfolgte ein schriftlicher Sachstandsbericht. Die Errichtung und der Betrieb des Uranoxid-Lagers mit einer Kapazität von 50.000 t abgereichertem Natururan (entspricht 58.962 t Uranoxid) wurde mit Bescheid 7/6 UAG vom 14.02.2005 durch die atomrechtliche Genehmigungsbehörde als Teil der Urananreicherungsanlage nach § 7 Atomgesetz (AtG) genehmigt. Damit konnte die Lagerung des schwach radioaktiven Uranoxids, welche als Lagerung sonstiger radioaktiver Stoffe einer Umgangsgenehmigung nach der Strahlenschutzverordnung bedurft hätte, den strengeren Anlagengenehmigungsanforderungen des § 7 AtG unterworfen werden. Genehmigungen von Anlagen nach § 7 AtG können gemäß § 17 AtG nicht befristet werden. Das Uranoxid-Lager ist schon wegen der um mehrere Größenordnungen geringeren Radioaktivität des abgereicherten Natururans nicht mit einem Zwischenlager für hochradioaktive abgebrannte Brennelemente vergleichbar. Die Urenco Deutschland GmbH als Betreiberfirma der Urananreicherungsanlage Gronau betrachtet das bei der Urananreicherung entstehende abgereicherte Uran (Tails) als Wertstoff, weil in ihm noch ein beträchtlicher Anteil des spaltbaren Isotops U-235 verbleibt, welcher abhängig von wirtschaftlichen Faktoren durch Weiterabreicherung zur Kernbrennstofferzeugung genutzt werden kann. Derzeit wird bereits ein Teil des im Tailslager befindlichen abgereicherten Urans erneut zur Weiterabreicherung in die Trennanlagen eingespeist. Davon unbenommen hat der Betreiber nach § 9a Abs. 1 Atomgesetz (AtG) dafür zu sorgen, dass anfallende radioaktive Reststoffe schadlos verwertet oder als radioaktive Abfälle geordnet beseitigt werden (direkte Endlagerung). Nach § 9a Abs. 2 AtG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 Nr. 3 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) hat der Besitzer radioaktiver Abfälle diese an eine Anlage des Bundes abzugeben. Nach § 78 StrlSchV sind bis zur Inbetriebnahme eines Bundesendlagers radioaktive Abfälle vom Ablieferungspflichtigen zwischenzulagern. Mit dem Bau des Uranoxid- Lagers kommt der Betreiber vorsorglich dieser Verpflichtung nach. Auf die Eingriffsmöglichkeiten der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde hat die Landesregierung bereits früher (Landtagsdrucksache 16/3181) hingewiesen. Auch würde es die atomrechtliche Aufsichtsbehörde nicht tolerieren, wenn sich die Betreiberin durch eine Deklaration des Uranoxids als Wertstoff ihrer Ablieferungspflicht an ein Endlager zu entziehen versuchte. Das im Koalitionsvertrag der regierungstragenden Parteien enthaltene Ziel der rechtssicheren Beendigung der Urananreicherung in Gronau hat das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie , Mittelstand und Handwerk durch ein juristisches Gutachten prüfen lassen. Demnach hat die Landesregierung praktisch keine Möglichkeiten, die Schließung der Urananreicherungsanlage zu erzwingen. Erfolg verspricht nur die Änderung des Atomgesetzes, das der Genehmigung zugrunde liegt. Das Gutachten wurde im Juli 2013 im Landtag vorgestellt (vgl. Pressemitteilung MWEIMH NRW vom 12.07.2013). 1. Wann hat die Urenco Deutschland GmbH die atomrechtliche Aufsichtsbehörde von ihren Plänen zur Eröffnung des Uranoxid-Lagers in Gronau zuletzt in welcher Weise in Kenntnis gesetzt? Der in der Landtags-Drucksache 16/11283 dargelegte Zeitpunkt für die Inbetriebnahme des Uranoxid-Lagers im Jahr 2016 stützt sich auf eine bei einer Projektbesprechung am LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11738 4 03.12.2015 gemachte Aussage der Firma Urenco Deutschland GmbH gegenüber der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde. 2. Mit welchen Maßgaben wird die Landesregierung einen förmlichen Inbetriebnahmeantrag für das Uranoxid-Dauerlager in Gronau prüfen? Derzeit liegt der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde kein Antrag auf atomaufsichtliche Zustimmung zur Inbetriebnahme des Uranoxid-Lagers vor. Zur weiteren Beantwortung wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 3. Welche Kritikpunkte hat die Landesregierung an den Plänen der Urenco Deutschland GmbH, in Gronau zeitlich unbefristet bis zu 60 000 Uranoxid zu lagern? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 4. Welche Schutzmaßnahmen wird die Landesregierung von der Urenco Deutschland und/oder der Bundesregierung vor Inbetriebnahme des Uranoxid-Dauerlagers verlangen (z. B. Bau einer Schutzmauer, Schutz gegen Flugzeugabstürze, Ausweitung der Flugverbotszone rund um die UAA Gronau, langfristiger Entsorgungsnachweis für den Uranmüll, zeitliche Befristung der Lagerungsgenehmigung , Aufnahme der UAA Gronau in den bundesweiten Atomausstieg, etc.)? Es wird auf die Vorbemerkungen und die aufgeführten Landtags-Drucksachen verwiesen, in denen die Landesregierung zu verschiedenen Aspekten Stellung genommen hat. 5. Welche Kenntnis besitzt die Landesregierung zu Überlegungen seitens der Betreiberfirma Urenco oder der deutschen Anteilseigner EON und RWE, die Verantwortung für die Entsorgung des Uranmülls in Gronau in Zukunft an eine noch einzurichtende Stiftung oder einen anderen privaten oder öffentlichen Träger abzugeben ? Hierzu liegen der Landesregierung keine konkreten Informationen vor. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11738