LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11749 18.04.2016 Datum des Originals: 15.04.2016/Ausgegeben: 21.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4561 vom 15. März 2016 der Abgeordneten Henning Höne, Holger Ellerbrock und Karlheinz Busen FDP Drucksache 16/11495 Ausweisung von Sondergebieten für Tierhaltungsanlagen und Biogasanlagen – Welche Auswirkungen haben die Änderungen der Landesregierung am Entwurf des Landesentwicklungsplans auf die Landwirtschaft? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Landesentwicklungsplan für Nordrhein-Westfalen (LEP) soll erwünschte Entwicklung fördern und unerwünschte Entwicklung verhindern. Der erste Entwurf für die Novelle des aus dem Jahr 1995 stammenden LEP wurde von der Landesregierung am 25. Juni 2013 beschlossen . Nach seiner Offenlegung hat er heftige Kritik von Bürgern, Wirtschaft, Verbänden und Kommunen ausgelöst, da er die Entwicklung von Kommunen massiv beschränkt und das im Ländervergleich unterdurchschnittliche Wirtschaftswachstum weiter verringern wird. Nach der Auswertung von ca. 10.000 Seiten an Stellungnahmen sah sich die Landesregierung gezwungen , am 28. April 2015, am 23. Juni 2015 und am 22. September 2015 Korrekturen am LEP zu beschließen. Änderungen betreffen im Kapitel zur räumlichen Struktur des Landes auch die Landwirtschaft. Der neu hinzugefügte Absatz 4 im Ziel 2-3 „Siedlungsraum und Freiraum“ lautet: „Ausnahmsweise können im regionalplanerisch festgelegten Freiraum Sonderbauflächen und -gebiete dargestellt und festgesetzt werden, wenn - die besondere öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des Bundes oder des Landes dies erfordert oder - die jeweiligen baulichen Nutzungen einer zugehörigen Freiraumnutzung deutlich untergeordnet sind.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11749 2 In den dazugehörigen Erläuterungen heißt es: „Der im Ziel verwandte Begriff „Siedlungsentwicklung“ umfasst die bauleitplanerische Ausweisung von Bauflächen sowie Entwicklungen gemäß § 34 BauGB; ausgenommen ist die Darstellung und Festsetzung von Sonderbauflächen und -gebieten für Vorhaben des Bundes oder des Landes […] sowie für Vorhaben, die einer Freiraumnutzung funktional zugeordnet und im Flächenumfang deutlich untergeordnet sind. Die Ausnahme gilt nicht für Bauleitplanungen für gewerbliche Betriebe, die infolge Erweiterung oder Änderung nicht mehr der Privilegierung gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1, 4 oder 6 unterliegen. Es handelt sich um eine eng anzuwendende Ausnahmeregelung.“ Den Erläuterungen lässt sich entnehmen, dass es möglicherweise seitens der Landesregierung gewollt ist, dass künftig auch die Bauleitplanung für im Freiraum befindliche Biogasanlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB) und Tierhaltungsanlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) dem Begriff der „Siedlungsentwicklung“ unterfallen sollen. In der Konsequenz dürften bauleitplanerisch nur noch in Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereichen vorgesehen werden, welche ihrerseits nach Ziel 6.3-3 des LEP-Entwurfs unmittelbar an vorhandene Siedlungsbereiche anschließen müssen. Zu befürchten ist ebenfalls, dass die bestehende Anlagen infolge von Erweiterungen oder baulichen Änderungen, beispielsweise aus Tierschutzgründen, ihren Bestandsschutz verlören und in Sondergebieten in Siedlungsnähe neu zu errichten wären – was in der Konsequenz dazu führen würde, dass sinnvolle Investitionen für das Tierwohl nicht getätigt würden. Der Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage 4561 mit Schreiben vom 15. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk , dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft , Natur- und Verbraucherschutz und dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. 1. Inwieweit sollen Tierhaltungsanlagen und Biogasanlagen nach Ziel 2-3 des LEP- Entwurfs künftig planerisch nicht mehr dem Freiraum sondern der Siedlungsentwicklung zugeordnet werden? 2. Inwieweit dürfen Biogasanlagen und Tierhaltungsanlagen nach Ziel 2-3 des LEP- Entwurfs künftig nur noch in Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereichen vorgesehen werden? Ziel 2-3 normiert in den ersten beiden Absätzen die Konzentration der Siedlungsentwicklung auf die regionalplanerisch festgelegten Siedlungsbereiche. Diese Regelung blieb bei der Überarbeitung des LEP-Entwurfs unverändert, so dass hier die Voraussetzungen für die Ansiedlung von Tierhaltungs- und Biogasanlagen gegenüber dem ersten Entwurf des LEP nicht verändert wurden. Die überarbeitete Fassung von Ziel 2-3, Abs. 3 erweitert die Möglichkeit der Eigenentwicklung von im Freiraum liegenden kleinen Ortsteilen ausdrücklich auch auf dort vorhandene Betriebe und damit auch auf dort ggf. vorhandene Tierhaltungs- und Biogasanlagen. Bei den zusätzlich in Ziel 2-3, Abs. 4 genannten Ausnahmen für Sonderbauflächen im Freiraum sind Tierhaltungs- und Biogasanlagen nicht aufgenommen worden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11749 3 In der Erläuterung zu Ziel 2-3 wird klargestellt, dass der im Ziel verwandte Begriff der Siedlungsentwicklung die bauleitplanerische Ausweisung von Bauflächen sowie Entwicklungen gemäß § 34 BauGB umfasst. Tierhaltungsanlagen und Biogasanlagen, die nach § 35 BauGB im bauleitplanerischen Außenbereich privilegiert zulässig sind, bedürfen keiner bauleitplanerischen Festlegung von Bauflächen und bleiben insofern von der Regelung des LEP-Ziels 2-3 unberührt. Gemeinden bleibt es allerdings unbenommen, für solche Vorhaben, für die Baurechte im Außenbereich bestehen, die sie dennoch (fein-)steuern möchten, Bauleitplanung zu betreiben. Welche Tierhaltungsanlagen und Biogasanlagen dieser Privilegierung unterfallen, ist bundesrechtlich in § 35 Abs.1 Nrn. 1, 4 und 6 BauGB definiert. Insofern übernimmt Nordrhein-Westfalen mit der LEP-Regelung bundesweit festgelegte Maßstäbe gegen die Zersiedelung der Landschaft. Sind durch neuere technische Erfordernisse oder im Rahmen tierschützender Regelungen sowie anderer Entwicklungen in der Tierhaltung oder Ausnutzung von Biogasanlagen die Kriterien der Privilegierung nach § 35 BauGB von Tierhaltungs- und Biogasanlagen in Frage zu stellen, ist ggf. über deren erforderliche oder erwünschte Änderung bundesrechtlich zu entscheiden. Abgesehen von den nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Biogas- und Tierhaltungsanlagen werden mit dem LEP-Ziel 2-3 den nicht privilegierten Biogas- und Tierhaltungsanlagen nicht jedwede Entwicklungsmöglichkeiten genommen. Vor dem Hintergrund des beabsichtigen Schutzes des Freiraums ist die Errichtung solcher Tierhaltungs- und Biogasanlagen allerdings nur in regionalplanerisch festgelegten Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereichen sowie als Erweiterung bestehender Betriebe in kleineren Ortslagen möglich. Die Gemeinden können insoweit planerische Möglichkeiten wahrnehmen und die Ansiedlung von Biogas- und Tierhaltungsbetrieben steuern. 3. Mit welchen Auswirkungen durch Emissionen auf die sich anschließenden Siedlungsgebieten rechnet die Landesregierung? Die von Tierhaltungs- und Biogasanlagen ausgehenden Emissionen und ihre Wirkung auf benachbarte Siedlungsgebiete hängen zum einen von der jeweiligen Art und Größe der Anlage und zum anderen von der Nutzung und der Art des angrenzenden Siedlungsgebietes ab. Eine konkrete Beurteilung und mögliche erforderliche Maßnahmen zur Einhaltung der rechtlichen Vorschriften können insofern nur in den jeweiligen Bauleitplan- und Genehmigungsverfahren erfolgen. Die Bauleitplanung für emittierende Betriebe hat sich ebenso an die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen zu halten wie entsprechende Genehmigungsverfahren. 4. Aus welchen Gründen sind nach Auffassung der Landesregierung die bisherigen planerischen Steuerungsmöglichkeiten der Gemeinden unzureichend, so dass die Neufassung des Ziels 2-3 zwingend erforderlich wäre? Im Sinne der parteiübergreifend geforderten Reduzierung der Flächeninanspruchnahme sind Ziel 2-3 und andere Festlegungen des LEP-Entwurfs auf eine kompakte Siedlungsentwicklung und die Erhaltung des Freiraums ausgerichtet. Ergänzungen erfolgten im Wesentlichen, weil im ersten Beteiligungsverfahren zahlreiche Beteiligte gefordert haben, den im Ziel verwandten Begriff der Siedlungsentwicklung zu erläutern sowie den im regionalplanerischen Freiraum gelegenen Ortsteilen und den dort vorhandenen Betrieben entsprechend ihrem Bedarf Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen. Dem und der Notwendigkeit, für bestimmte Vorhaben Sonderbauflächen im Freiraum festlegen zu können, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11749 4 ist mit der Änderung des Ziels 2-3 im überarbeiteten LEP-Entwurf entsprochen worden. Diese Änderung wurde im zweiten Beteiligungsverfahren u.a. von den kommunalen Spitzenverbänden begrüßt. Im Rahmen der Auswertung von Stellungnahmen des zweiten Beteiligungsverfahrens wird derzeit geprüft, ob ggf. ergänzende Klarstellungen erforderlich sind. 5. Welche Auswirkung wird das neugefasste Ziel 2-3 des LEP-Entwurfs auf die Siedlungsentwicklung und die Landwirtschaft in NRW haben? Das Ziel dient der kompakten flächensparenden Siedlungsentwicklung und damit der (seitens der Landwirtschaft im LEP-Beteiligungsverfahren vehement geforderten) Erhaltung landwirtschaftlicher Nutzflächen. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11749