LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/11779 20.04.2016 Datum des Originals: 19.04.2016/Ausgegeben: 25.04.2016 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4590 vom 17. März 2016 des Abgeordneten Eckhard Uhlenberg CDU Drucksache 16/11548 Digitale Wirtschaft 4.0 in Südwestfalen– Wie wird den mittelständischen Unternehmen beim digitalen Wandel zur Wirtschaft 4.0 geholfen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Digitalisierung der Wirtschaft birgt für die mittelständisch-geprägte Regionen wie Südwestfalen enorme ökonomische Potentiale. Die reale Umsetzung von Industrie 4.0 kann in Deutschland zu einem zusätzlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von prognostizierten 1,7 % Bruttowertschöpfung allein in den kommenden 10 Jahren führen. Dies untermauert eine Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und des Branchenverbands Bitkom. Hiervon könnten gerade Regionen wie Südwestfalen als drittgrößte Industrieregion Deutschlands mit seinem starken Maschinen- und Anlagenbau, seiner leistungsfähigen Automobilzulieferindustrie wie kaum eine andere Region profitieren. Doch dazu müssen heute die richtigen Weichen gestellt werden. Denn die Umsetzung von Industrie 4.0 ist kein Selbstläufer. Unternehmensinitiativen wie beispielsweise Sauerland Initiativ mahnen hier mehr Unterstützung seitens der Landesregierung an, wenn es um die Versorgung mit schnellem Internet für die Industrieprozesse der Zukunft geht. Hier können Förderinitiativen wie "Mittelstand 4.0 - Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse" helfen. Die Initiative wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie daher Mittelstand und Handwerk initiiert, und soll bei der Digitalisierung und Vernetzung sowie der Anwendung von Industrie 4.0 helfen. Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 4590 mit Schreiben vom 19. April 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11779 2 1. Welche Hilfestellungen sind für Unternehmen im ländlichen Raum durch die Einrichtungen des Kompetenzzentrums „Mittelstand 4.0 West“ zu erwarten? Das Kompetenzzentrum „Mittelstand 4.0 West“ zielt auf die Digitalisierung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen entlang der industriellen Wertschöpfungskette kleiner und mittlerer Unternehmen ab. Mittelständische Unternehmen profitieren von der fachlichen Expertise sowie der Management- bzw. Umsetzungserfahrung in Produktentwicklung, Produktion und Logistik von Forschungspartnern aus ganz Nordrhein-Westfalen. Das Kompetenzzentrum in Nordrhein-Westfalen ist dezentral aufgestellt. Durch die verteilte Lage in den Regionen Rheinland, Metropole Ruhr und Ostwestfalen-Lippe wird sichergestellt, dass mittelständische Unternehmen auf kurzem Weg erreicht werden. Durch das gemeinsame Leistungsportfolio des Kompetenzzentrums und die lokalen Anlaufstellen in den drei Regionen ist eine große Breitenwirkung gesichert. Gleichzeitig ist durch die spezifischen Kompetenzen exzellenter anwendungsorientierter Forschung eine passgenaue Unterstützung der Unternehmen nicht nur in den industriellen Verdichtungsräumen, sondern auch in den innovativen ländlichen Regionen mit starkem Mittelstand möglich. Die Angebote des Kompetenzzentrums werden in den drei Regionen entlang der Befähigungskette Informieren – Demonstrieren – Qualifizieren – Konzipieren Umsetzen erbracht. Die Region Ostwestfalen-Lippe wird durch den Spitzencluster it’s OWL vertreten. Ausgehend von einer Vielzahl an erfolgreich durchgeführten Projekten weist der Cluster Kernkompetenzen im Bereich Intelligente Automatisierung sowie im Industrie-4.0-Technologietransfer vor. Als Verbundpartner agieren hier Fraunhofer-Einrichtung für Entwurfstechnik Mechatronik (IEM) Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation (IOSB-INA) Der Software Innovation Campus Paderborn der Universität Paderborn die AG Kognitronik und Sensorik und das Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld Hochschule Ostwestfalen-Lippe Als Partner aus der Region Metropole Ruhr werden die EffizienzCluster Management GmbH (ECM) und das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) eingebunden . Die Institutionen bieten Expertise für intelligente und effiziente Logistiksysteme und Wertschöpfungsnetzwerke. Sie stehen für zahlreiche anwendungsnahe Forschungs- und Transferprojekte im Kontext Industrie 4.0. Partner in der Region Rheinland sind das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) und das Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) der RWTH Aachen. Die Experten für intelligente Produktionstechnologien bedienen das Themenfeld Industrie 4.0 sowohl aus technologischer als auch aus betriebsorganisatorischer Sicht. Das Partnernetzwerk des Kompetenzzentrums setzt sich aus weiteren Hochschulen (z. B. FH Bielefeld, FH SWF, TU Dortmund), Forschungseinrichtungen, Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen zusammen (z. B. CPS.HUB NRW, InnoZent OWL, Netzwerk Industrie RuhrOst). Als Multiplikatoren und als Zugang zu Unternehmen werden zudem die Industrie- und Handelskammern , Handwerkskammern sowie Wirtschaftsförderer und -netzwerke eingebunden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11779 3 Ein konkretes Beispiel aus Südwestfalen: Projekt mit der VIA Oberflächentechnik. Der Verbund Innovativer Automobilzulieferer (VIA) im südwestfälischen Lennestadt arbeitet bis Ende 2016 mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML daran, Industrie 4.0 in die Unternehmenspraxis umzusetzen. In dem gemeinsamen Projekt „Innovative Zuliefererkooperation “ optimieren die Projektpartner Informationsflüsse im Zulieferprozess. Das Projekt mit Leuchtturmcharakter wird im Rahmen des Kompetenzzentrums nach Projektabschluss für Besichtigungen zugänglich gemacht. 2. Wann ist aus Sicht der Landesregierung damit zu rechnen, dass auch die Kommunen beziehungsweise die dort in Gewerbe- und Industriegebieten angesiedelten Unternehmen „Wirtschaft 4.0“-fähig werden, in dem sie an ein ausreichendes Infrastrukturnetz angebunden sind (Verkehr und Internet)? Eine Einschätzung, wann „ausreichende“ Internetanbindungen geschaffen sein werden, kann nicht generell von der Landesregierung vorgenommen werden. Der Netzausbau ist in erster Linie Aufgabe des Marktes, also der Telekommunikationsinfrastrukturanbieter . Auf deren Tätigkeit hat die Landesregierung nur begrenzt Einflussmöglichkeiten . Sie bietet den ausbauwilligen Unternehmen, aber auch betroffenen Kommunen, Unterstützung in Form von Beratungsleistungen, Informationen und Fördermitteln an. Gemeinsam mit dem Bund, der seinerseits ein umfängliches Förderprogramm für den Breitbandausbau aufgelegt hat, verfolgt die Landesregierung das Ziel, zunächst bis 2018 für NRW eine flächendeckende Versorgung mit 50 Mbit/s zu erreichen. Die Landesregierung ist jedoch der Überzeugung, dass bereits heute für Unternehmen mindestens eine symmetrische 100 Mbit/s-Versorgung erforderlich ist. Sie hat folglich als strategisches Nahziel für den zukunftsfähigen NGA-Netzausbau den Glasfaseranschluss aller Gewerbegebiete in NRW formuliert. Glasfaseranschlüsse würden auch eine aktive Teilhabe an „Wirtschaft 4.0“ erlauben. Dieses vorrangige Ziel muss durch die Marktteilnehmer, auch unter Inanspruchnahme der angebotenen Hilfen des Landes, umgesetzt werden. Ein konkreter Zeitpunkt für die Umsetzung dieses Nahziels lässt sich insofern nicht benennen. Zum Teilaspekt der Frage bzgl. der Anbindung an das Verkehr-Infrastrukturnetz: Kommunen, Gewerbe- und Industriegebiete in Nordrhein-Westfalen sind durchgehend an die verkehrliche Infrastruktur angeschlossen. 3. Welche Hilfsstellung leistet die Landesregierung bei der Umsetzung zentraler digitaler Basisdienste (Stichwort E-Government) in den Kommunen? Das geplante E-Government-Gesetz NRW (EGovG NRW) soll den rechtlichen Rahmen für eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung in Nordrhein-Westfalen bilden und insbesondere die Einführung elektronischer Verfahren und die elektronische Abwicklung von Dienstleistungen der Verwaltung in Nordrhein-Westfalen nachhaltig fördern. Die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände gegenüber dem Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags vom 10. März 2016 (Stellungnahme 16/3579) bestätigt die Einschätzung der Landesregierung, dass der Gesetzentwurf auch für Kommunen im Land eine wichtige und wertvolle Unterstützung bietet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11779 4 Als zentralen Ankerpunkt für die Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen im Bereich der Informationstechnik sieht die Landesregierung den nach dem Entwurf des EGovG NRW einzurichtenden IT-Kooperationsrat Nordrhein-Westfalen. Der IT-Kooperationsrat soll - mit erweitertem Teilnehmerkreis und größerem Aufgabenspektrum - den staatlich-kommunalen Kooperationsausschuss nach dem Gesetz über die Organisation der automatisierten Datenverarbeitung in Nordrhein-Westfalen (ADVG NW) ersetzen. Der IT-Kooperationsrat wird sich auch mit den digitalen Basisdiensten (z.B. zentraler De-Mail-Zugang, zentrales elektronisches Bezahlverfahren , elektronischer Identitätsnachweis, Servicekonto) befassen, d.h. insbesondere mit der Frage, ob und auf welche Art und Weise zentrale Basisdienste zur Verfügung gestellt werden können. Über die gesetzlich normierte Zusammenarbeit hinaus findet zudem zwischen Land und Kommunen ein vielfältiger und intensiver Austausch auf fachlicher Ebene und zwischen den Rechenzentren statt. Insbesondere auf Basis von Kooperationsprojekten wird das Ziel verfolgt, die Informationstechnik in Nordrhein-Westfalen in Richtung deutlich größerer technischer Konsistenz und arbeitsteiliger Kooperation zu entwickeln. Beispielgebend hierfür ist die bewährte staatlich-kommunale Zusammenarbeit in den Bereichen Meldewesen, Langzeitarchivierung, Öffentliches Auftragswesen und E-Learning. 4. Welche Hilfestellungen leistet die Landesregierung zur digitalen Sicherheit mittelständischer Unternehmen? Bereits Ende 2001 haben das MIK und das MWEIMH mit der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in NRW sowie mit dem Verband für Sicherheit in der Wirtschaft NRW e.V. (VSW NW) eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet zur Bildung einer Sicherheitspartnerschaft gegen Wirtschaftsspionage und Wirtschaftskriminalität. Aufgabe dieser Sicherheitspartnerschaft ist es, die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, deren Verbänden und den staatlichen Institutionen zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen zu verbessern . Die Sicherheitspartnerschaft bietet damit eine branchenübergreifende Plattform für einen Informationsaustausch zu sicherheitsrelevanten Herausforderungen der Wirtschaft. Im Zuge der weiter steigenden Digitalisierung und damit der zunehmenden Vernetzung von Industrieanlagen und Unternehmen dürften sich Bedrohungsszenarien von heute noch nicht abschätzbarem Ausmaß ergeben. Um die Wirtschaft und insbesondere KMU für diese Bedrohung zu sensibilisieren und Lösungsansätze aufzuzeigen, veranstalten die Sicherheitspartner regelmäßig u. a. sog. Sicherheitstage. Der „NRW Sicherheitstag 2015“ fand im September letzten Jahres statt und behandelte das Thema „Cybersicherheit – eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Unternehmen“. Aktuell entwickeln die Sicherheitspartner die Sensibilisierungskampagne „Wirtschaft 4.0 – Schützen Sie Ihr Unternehmen gegen Cybercrime und Spionage!“. Mit der Kampagne sollen branchenübergreifend Unternehmen in den nächsten drei Jahren flächendeckend in NRW angesprochen werden. In 2016 sind fünf Veranstaltungen geplant, von denen die erste noch vor den Sommerferien in Ostwestfalen stattfindet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/11779 5 5. Welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente will die Landesregierung im Bereich des Wandels zur Wirtschaft 4.0 einsetzen, um Unternehmen sowie ihre Mitarbeiter zu unterstützen? Die Landesregierung unterstützt Unternehmen und Beschäftigte im Bereich des digitalen Wandels durch Allianz Wirtschaft und Arbeit 4.0 Mit der Allianz Wirtschaft und Arbeit 4.0 soll eine gemeinsame Plattform für Landesregierung , Sozialpartner, Wissenschaft und Wirtschaft geschaffen werden, um die Entwicklungsprozesse und Herausforderungen im Zusammenhang mit Digitalisierung in NRW zu gestalten. Durch Koordination, Bündelung und Vernetzung der im Zusammenhang mit Wirtschaft und Arbeit 4.0 wichtigen Institutionen, Forschungskapazitäten und Aktivitäten soll das vorhandene Know-how und Potenzial bestmöglich genutzt werden. Die Allianz tritt an, um Transparenz über die Entwicklungen, Chancen und Risiken sowie mögliche Konsequenzen der Digitalisierung von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft herzustellen, gemeinsame Lösungswege zu erarbeiten und die Prozesse möglichst sozialpartnerschaftlich bzw. sozialverträglich zu gestalten. Projektaufruf Fachkräfte.NRW Kleine und mittlere Unternehmen werden bei der Fachkräftesicherung und -erschließung unterstützt. Eine Förderung können Vorhaben erhalten, die im Rahmen der Digitalisierung neue Formen der Arbeitsorganisation, veränderte Arbeitszeitmodelle und angepasste Berufsbilder und Qualifizierungen entwickeln. Potentialberatung Die Landesregierung will mit dem Förderinstrument der Potentialberatung die beteiligungsorientierte Gestaltung der Arbeitswelt 4.0 in kleinen und mittelständischen Unternehmen unterstützen. Daher wurden die Themenfelder der Potentialberatung um „Digitalisierung“ ergänzt. Pilotprojekt „Arbeit 2020“ Zur Sensibilisierung der Arbeitnehmervertretungen hat die Landesregierung ein Pilotprojekt mit den Gewerkschaften IG Metall, IG Bergbau, Chemie Energie, Gewerkschaft Nahrung -Genuss-Gaststätten und dem DGB-NRW initiiert, bei dem Betriebsrätinnen und Betriebsräte in ausgewählten Unternehmen bei der Bewältigung von Umbruch- und Veränderungsprozessen aktiv begleitet werden. Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/11779